Auch im österreichischen Linz fand eine Aktion im Rahmen der FARE Wochen statt - mit der großen Choreografie bezog die Fanszene von Blau-Weiß Linz deutlich Stellung.
Twitter Screenshot

Über 2.000 Aktionen gegen Diskriminierung in zwei Wochen

Bis zum 22.Oktober fanden erneut die alljährlichen FARE-Aktionswochen statt. Dabei waren Themen wie Sexismus oder die Solidarität mit Flüchtlingen ganz besonders im Fokus. Außerdem wurden überraschend viele Fanszenen in Osteuropa aktiv.

Von Jan Tölva

Die Aktionswochen der Organisation Football Against Racism in Europe (FARE) gehören bereits seit 14 Jahren fest zum Terminkalender des europäischen Fußballs und seiner Fans. Was 2001 mit einer Handvoll Aktionen in neun Ländern begann ist mittlerweile zu einem der wichtigsten regelmäßigen Termine überhaupt im Bereich Fußball und Antidiskriminierung geworden. Über 2.000 Aktivitäten in 59 Ländern – das sind mehr als die UEFA Mitgliedsverbände hat – gab es im Herbst 2014. Dieses Jahr dürften es noch mehr Aktionen gewesen sein.

In diesem Jahr zahlreiche FARE Aktionen in Osteuropa

Vom 8. bis zum 22. Oktober liefen die Aktionswochen, die wie schon in den vergangenen Jahren unter dem Motto „Football People“ standen. Die Aktivitäten, die unter dem Dach der Aktionswochen stattfanden, waren ausgesprochen vielfältig und reichten von einfachen Solidaritätsbotschaften über Fußballturniere und Aktionen im Stadion bis hin zu Konferenzen. Diese Diversität ist durchaus gewünscht, wie Claudia Krobitzsch, Projektkoordinatorin bei FARE, erläutert: „Es gibt für die Aktionswochen nur zwei Bedingungen. Zum einen muss sich die Aktion gegen Diskriminierung wenden oder für Vielfalt einsetzen und zum anderen muss sie in irgendeiner Form etwas mit Fußball zu tun haben.“

Das Grundkonzept ist also seit Jahren unverändert. Krobitzsch sieht aber auch gewisse Trends im Vergleich zu den Vorjahren. „Wir haben in diesem Jahr mehr Aktivitäten in Osteuropa und vor allem in Russland“, erzählt sie. „Da hatten wir es bisher immer etwas schwer.“ Ein Grund dafür, dass der Osten etwas aufgeholt hat, dürfte darin liegen, dass  FARE im Rahmen des Eastern European Development Projects bereits seit einigen Jahren einen expliziten Schwerpunkt auf den mittel- und osteuropäischen Raum legt und zu diesem Zweck auch einen Mitarbeiter in der Ukraine beschäftigt.

Fokus: Gender und Geflüchtete
Es hat jedoch nicht nur Veränderungen hinsichtlich der geographischen Schwerpunkte gegeben. Auch inhaltlich sind deutliche Trends zu erkennen. Ein Thema, das in diesem Jahr merklich im Fokus stand, waren die Geschlechterverhältnisse innerhalb des Fußballs. So fanden einige Konferenzen zum Thema Frauen im Fußball statt – unter anderem am 13. Oktober in Sarajevo und am 17. Oktober in Madrid. In Österreich ging der dortige Ableger der Kampagne „Fußballfans gegen Homophobie“ mit einem neuen Wanderbanner auf Tour, das erstmals am 16. Oktober bei der Partie First Vienna FC gegen SK Rapid II präsentiert wurde. Und das Frauenteam des FC United of Manchester postete im Internet ein Teamfoto mit einem Banner gegen Transphobie.

Letzteres wurde wie vieles andere auch zuerst über soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter verbreitet. Überhaupt scheint es so, als ob das Internet eine sehr wichtige Rolle bei den Aktionswochen, aber auch beim Thema Antidiskriminierung im Fußball überhaupt spielt. Viele Aktivitäten finden räumlich stark isoliert statt und hätten ohne die Online Verbreitung nur eine sehr begrenzte Reichweite. So aber findet man unter dem Twitter-Hashtag #footballpeople in Sekundenschnelle Hunderte Bilder von Aktionen im Rahmen der  FARE Wochen.

Neben Gender bildete die Situation der vielen Geflüchteten, die derzeit in Europa Zuflucht suchen, einen weiteren Themenschwerpunkt. In der norditalienischen Kleinstadt Desio zum Beispiel gab es am vergangenen Wochenende ein Fußballturnier an dem auch Tiki Taka United, das neu gegründete Fußballteam der dortigen Flüchtlingsunterkunft, teilnahm. Ähnliche Aktionen gab es unter anderem in Warschau, Hamburg und Moskau. Bedauernswert ist, dass die aktuelle Situation auch zu einigen Absagen führte, wie Krobitzsch berichtet: „In einigen Ländern, wie zum Beispiel in Ungarn, wurden geplante Aktionen wieder abgesagt. Die Menschen dort haben schlicht zu viel mit noch Drängenderem zu tun, als dass sie Zeit für Fußball hätten.“ Auch FARE selbst widmet sich seit einiger Zeit dem Thema Geflüchtete und hat unter anderem eine Datenbank online gestellt, die Vereine, Teams und Organisationen auflistet, die Fußball für Geflüchtete anbieten.

Weil Fußball verbindet - We are #footballpeople

Solche Angebote bringen die Grundidee der „Football People“-Aktionswochen auf den Punkt. Sie nutzen Fußball, um Menschen, die nach Dafürhalten der Mehrheitsgesellschaft als verschieden gelten und die es in gewissem Maße, was ihre Erfahrungen und Lebenswege angeht, ja auch sind, einander näher und vielleicht sogar zusammen zu bringen. FARE setzt dabei auf die verbindende Kraft des Fußballs, die wir sicher alle schon einmal erlebt haben. Wenn „unser“ Team in der letzten Minute ein Tor schießt, dann fallen wir Menschen in die Arme, denen wir im Alltag nicht begegnen würden, und wir jubeln Spieler_innen zu, mit deren Lebensrealität und deren sozialer Herkunft wir oft nur wenig bis gar nichts gemein haben. Trotzdem haben wir das Gefühl, uns zu verstehen, etwas gemeinsam zu haben, und sei es nur für einen kurzen Augenblick.

FARE gehörte zu den ersten und ist bis heute einer der erfolgreichsten Wege, um Menschen zu vernetzen, die Fußball und seine verbindende Kraft für emanzipatorische Zwecken nutzen. Wie viele Möglichkeiten in dieser an sich simplen Idee stecken, zeigt sich am besten bei den Aktionswochen. Wenn bei Manchester City vor dem Stadion Menschen mit amputiertem Bein ein Demonstrationsspiel abhalten, dann hat das auf den ersten Blick zunächst einmal wenig zu tun mit den muslimischen Frauen, die in einem Moskauer Park Fußball spielen oder den slowakischen Kindern, die im Rahmen eines Schulaktionstages etwas über Antidiskriminierung lernen. Schaut man jedoch genauer hin, zeigt sich, dass es im Kern immer um dasselbe geht: Mithilfe des Fußballs auf die eine oder andere Form der Diskriminierung hinzuweisen und ein weithin sichtbares Zeichen für deren Überwindung und für Vielfalt zu setzen.

Manchmal bleibt es bei diesem Zeichen, manchmal wird auch mehr daraus. „Wir hoffen natürlich, dass die Aktion zum Ausgangspunkt für tiefgreifende Veränderungen werden“, erklärt auch Krobitzsch. Selbstverständlich sieht sie jedoch die Gefahr, dass Vereine Aktivitäten im Rahmen der Aktionswochen als eine Art Feigenblatt nutzen. Deshalb braucht es kontinuierliches Handeln vor Ort. Das aber kann FARE nicht leisten. FARE kann nur den institutionalisierten Rahmen bieten dafür, dass ein solches Handeln überhaupt erst einmal in Gange kommt. Denn ohne FARE und die Aktionswochen – das sollte nicht vergessen werden – würde es vielerorts nicht einmal Zeichen geben.

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