4.800 Menschen versammelten sich bei der "Legida"-Demonstration, unter ihnen viele Fußballfans. Die Demonstrierenden setzen sich mit "Charlie" gleich. Was war jetzt gleich mit "Lügenpresse"?
ngn/ sr

Legida in Leipzig - In den Straßen hallt der Hass

"Legida" ist der brutalere Ableger von "Pegida": Offener rechtsextrem im Positionspapier, entsprechend ist auch das Publikum deutlich mehr durch die rechtsextreme und gewaltaffine Szene geprägt. Hooligans von Lok Leipzig mobilisierten mit einem gemeinsamen Treffpunkt zu Demonstration. Doch Leipzig wusste sich auch zu wehren, 35.000 Menschen vereinten sich zu vielfältigem und lautstarken Gegenprotest. Der Konflikt wird aber bleiben. Eine Reportage aus dem dunklen und dem bunten Leipzig.

Von Simone Rafael und Laura Piotrowski

Es ist nicht leicht, in Leipzig zur "Legida"-Demonstration zu kommen, dem lokalen Ableger der "Patriotischen Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes". Und das liegt an den vielen Gegendemonstrant_innen, die schon frühzeitig die Straßen säumen, sich in möglichst großer Nähe der geplanten - und verkürzten - "Legida"-Strecke sammeln und klar machen: Diese Stadt will keine "Legida", keine Islamfeindlichkeit, keinen Rassismus, keine Nazis. Nur der Polizist, den wir fragen, wünscht "Viel Erfolg" bei der Suche nach "Legida". Hoffentlich ist er nur höflich.

Leipzig hat "Legida"

Das Dumme ist nur: Leipzig hat "Legida". Diese Menschen sammeln sich auf einem Platz an der Red Bull Arena, verteilen sich auf den Steinstufen, bilden in der Menschenmenge kleine Rudel von Deutschlandfahnen. Auf den ersten Blick ist auffällig: Hier sind wenige Frauen - weder alte noch junge - fast keine Kinder, das ist anders als bei "Pegida" in Dresden. Es gibt auch bei "Legida" völlig unauffällig aussehende ältere Herren neben bulligen, durchtrainierten Männern in Funktionsjacken mit "Frei.Wild"-Buttons. Aber viel mehr als in Leipzig gibt es hier auch solche Teilnehmer in Szenekleidung, Thor Steinar, Lonsdale wird hier noch von rechts getragen, bulliges Schuhwerk, einschlägige Accessoires. Offenbar sind auch einige Fußballhooligans gekommen. Lok Leipzig Fans vereinbarten einen gemeinsamen Treffpunkt, von dem aus sich 300 Menschen zur Demonstration bewegten. Das schlägt auf die Stimmung. Die ist auf dem Platz von Anfang an hitzig und aggressiv. Es gibt Fahnen mit Trauerflor, aber auch "No Chemtrails", "NSU-Schwindel aufdecken" und "Wir sind keine Ami-Knechte"-Plakate. Besonders perfide: Ein Bettlaken mit der Aufschrift: "Pegida = Charlie".

Positionspapier stellt "Legida" weit nach rechts

Der Leipziger Ableger von Pegida bemüht sich weniger als sein Vorbild um ein bürgerliche-Mitte-Image. Das Papier ist durch eine völkische Blut- und Boden-Rhetorik geprägt und mit Begriffen gespickt, die auch von Rechtsextremen gern verwendet werden. Man will mit dem "Kriegsschuldkult und der Generationenhaftung" aufräumen. Und die BRD ist laut dem Papier "nicht der Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches" – das kennen wir von den Verschwörungstheorien der "Reichsbürger".

Im Bereich Kulturbewahrung soll "insbesondere der islamischen Religion" die freie Ausübung untersagt werden. Im weiteren warnt das Papier vor dem Verlust der "deutschen Kultur", die durch eine multikulturelle Gesellschaft bedroht werde. Es ist ein homogener Kulturbegriff, der sich auf ein nationalistisches Verständnis stützt und auf eine christliche Tradition. Diese solle sich auch endlich in der bundesdeutschen Gesetzgebung wiederspiegeln. Richtig deutsch kann man dabei nur sein, wenn man dazu geboren wurde und zwar nicht als Kind von Immigrant_innen. Unter diesen völkisch-nationalistischen und kulturrevisionistischen Forderungen fällt kaum noch auf, dass auch eine Revision der Geschlechtergleichberechtigung gefordert wird. Und Eltern von Kindern mit Behinderung, deren Schulform nicht mehr frei wählen dürften. (Dazu mehr im Störungsmelder)

Anmelder Jörg Hoyer handelt mit deutschen Antiquitäten aus der Zeit von 1914-1945

Mutmaßlicher Autor des Positionspapiers ist Jörg Hoyer, der die Demonstration in Leipzig schließlich angemeldet hat, nachdem der bisherige Anmelder zurückgetreten war. Hoyer kommt aus dem Dresdner Umland und betreibt ein "Sachverständigenbüro für Militärhistorik und Zeitgeschichte" in Heidenau. Laut Medieninformationen soll Hoyer dabei auch mit NS-Devotionalien gehandelt haben, auch wenn diese Hakenkreuze oder Symbole der Waffen-SS trugen. Der Leipziger Volkszeitung gegenüber begründete er den Wechsel der Anmelder damit, dass in Leipzig die Anfeindungen gegenüber den namentlich bekannten "Legida"-Organisatoren besonders harsch seien: "Ich habe die Anmeldung übernommen, weil mein Grundstück in Heidenau weit weg und gut gesichert ist. Schließlich bewahre ich dort auch wertvolle Waffen auf."

"Das ist keine Veranstaltung gegen Asyl"

Auf der Bühne - denn in Leipig ist "Legida" vorbereitet, es gibt Programm - läuft die Mimikry, die Verschleierung dessen, was die Teilnehmer_innen hier wirklich wollen. Hier werden Schilder mit "Pegida macht glücklich" hochgehalten. Auf der Bühne steht Tatjana Festerling, AfD-Politikerin aus Hamburg, gegen die aktuell ein Parteiausschlussverfahren läuft, weil sie die Hogesa-Demos lobte. Sie sieht aus wie eine Sekretärin in einem beigefarbenen Steppmäntelchen und weiß ihr Publikum zu fesseln. Erst kommen die Mimikry-Sätze: "Wir sagen auch allen Muslimen, die gegen Islamisten sind: Schließt Euch an! Wir brauchen Euch!" Dann beschreibt sie, wie sie ihren Job verlor, wegen der vielen "bösen" Presseberichte. Das ist Musik in den Ohren der "Legida"-Teilnehmer_innen: "Lü-gen-presse!" Endlich. "Das ist keine Veranstaltung gegen Asyl. Das ist eine Veranstaltung gegen Asylmissbrauch!" Grölen, pfeifen, klatschen. Auch "Wir sind das Volk" ist als Ruf wieder beliebt. Tatjana beschreibt, wie schön es ist, "mit Hunderten Gleichgesinnten hier zu stehen für die deutsche Kultur, Tradition." Auf einer Empore rollen "No Legida"-Demonstrant_innen währenddessen Tranparente mit der Aufschrift "Refugees Welcome" aus. Die Gleichgesinnten brüllen wie am Spieß, als wollten sie diese Menschen sofort zerlegen. Von der Bühne aber wird gebeten: Keine Gewalt. Und ein Schweigemarsch soll es werden.

Schweigemarsch? Nein danke

Daraus wird nichts. Dabei hätten die "Legida"-Teilnehmenden so schön schweigen können: Nach dem die Demonstration kurz durch Blockaden am Loslaufen gehindert wurde, konnten sie sich frei durch das Waldstraßenviertel bewegen. Die Polizei spricht später von realistischen 4.800 "Legida"-Demonstrierenden. Während der Demonstration ist es kontinuierlich laut – weil die wütenden "Legida"-Mitläufer_innen sich mit lautem Rufen den Gegenprotesten erwehren wollen.

Gegenproteste sind lautstark und einfach immer dabei

35.000 Menschen gingen am Montag Abend gegen "Legida" auf die Straße. Das ist die höchste Zahl von Gegendemonstrant_innen an einem Wochentag und ein deutlicher Erfolg in Leipzig. Mit mehreren Demonstrationen verschiedener gesellschaftlicher Spektren nahmen sie ihren Weg in das Waldstraßenviertel, dem Aufmarschort der rassistischen "Legida"-Demonstration. "Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Viele Menschen haben heute aktiv gezeigt, dass Rassismus und Islamfeindlichkeit in Leipzig keinen Platz haben. ´Legida´ wartete nur mit zirka einem Zehntel auf." so Juliane Nagel für das Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz". Es gelang es den Leipziger_innen, die "Legida"-Veranstaltung komplett durch lautstarken und sichtbaren Protest zu begleiten. Schon am Ort der Auftaktkundgebung stand eine große Gruppe Menschen und störte die rassistischen Hetzreden durch laute Rufe. Während dem gesamten Demonstrationszug der "Legida" waren die Straßen durch den Protest der Bürger_innen geprägt: aus zahlreichen Wohnungen überschallte die Europa-Hymne "Wir sind das Volk"-Rufe und nahezu jeder Seitenstraßen warteten bereits Gegendemonstrant_innen mit Botschaften wie "Hass hat keine Zukunft", "Haut ab!" oder "Refugees Welcome". Besonders die Gegenproteste von den Balkonen aus wurden von "Legida"-Anhängern wiederholt mit dem Ruf "Springt! Springt!" bedacht – dass sie den Tod ihrer politischen Gegner_innen in Kauf nimmt ist nur ein Zeichen mehr dafür, dass sich hier keine "gewaltfreie" Bewegung aufbaut.

"Wir kommen wieder"

Am letzten Gegendemonstrations-Punkt vor der Abschlusskundgebung brüllen die "Legida"s: "Wir kommen wieder! Wir kommen wieder!" Die Straßen sind engt, es hallt hier sehr laut, wenn so viele bullige Männer brüllen. Es ist furchterregend.

"Legida" hat für die nächsten vier Wochen weitere Proteste angekündigt. Juliane Nagel vom Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz" erklärte dazu: "Wir dürfen nicht dulden, dass rassistische Stimmungsmache auf den Leipziger Straßen zum selbstverständlichen Ritual wird." Man werde über weitere Gegenproteste für die kommenden Wochen beraten.

"Legida" im Alltag

Wir stehen am Rand. Plötzlich kommt eine ältere Dame auf uns zu, mit Filzblume am Hut, schwarze Wildlederjacke. Sie sagt: "Ich will jetzt gehen. Ich wollte mir das hier mal angucken, aber jetzt habe ich Angst, dass gleich etwas passiert." Das verstehen wir. Allerdings meint sie nicht die brüllenden Männer, die gerade in Fußball-Hool-Manier mit ausgebreiteten Armen auf die Gegendemonstrant_innen einbrüllen. "Nein, hier bei uns ist alles friedlich, ganz friedlich! Die Gegendemonstranten, ich habe Angst, das die mich verprügeln!" Möchte sie sich wirklich mit diesen Männern gemein machen, den grölenden, brutalen Islamfeinden? Sie redet sich in Rage: "Die Linken, die zünden ständig was an! Und die Türken in der Eisenbahnstraße, die beschimpfen mich als Nazi! Deshalb bin ich hier. Bei uns sind nette Jungs, ganz friedlich!" Zur Abschlusskundgebung möchte sie aber nicht mehr, sie verschwindet in einer Seitenstraße.

Mehr im Netz:

"Legida" - Der Hass von Leipzig (Zeit Online)

Legida-Organisatoren aus rechter Fußballszene - Breite Gegenproteste geplant (Fussball-gegen-Nazis.de

drucken