Beim Aktionstag gegen Rassismus des europäischen Fannetzwerkes FARE (2013) sagt eine Oldenburger Faninitiative: Flüchtlinge sind hier Willkommen!
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Refugees are Welcome here – Fußball verbindet

Es ist nicht überall Freital. Seit Jahren engagieren sich Fußballvereine und Fans für und mit Flüchtlingen. Asylsuchende bereichern Amateurvereine als MitspielerInnen und lösen besonders in ländlichen Räumen das Nachwuchsproblem. Profivereine laden Flüchtlinge zum kostenlosen Spielbesuch. Und in der Regionalliga hat der SV Babelsberg 03 eine 3. Mannschaft gegründet, die nur aus Geflüchteten besteht.

Von Karl Groß

"39 Millionen Menschen interessieren sich allein in Deutschland für den Fußball. Diese Strahlkraft gibt uns die Möglichkeit, in die Gesellschaft hinein zu wirken", erklärte der Präsident des deutschen Ligaverbandes Reinhard Rauball in Berlin. "1. FC Nürnberg verschenkt 3500 Eintrittskarten an Flüchtlinge" oder "Gladbacher Fans laden Flüchtlinge ein" lauten seit einigen Monaten die passenden Schlagzeilen. Profivereine stellen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und laden gemeinsam mit Fangruppen und Flüchtlingsorganisationen immer wieder Asylsuchende zum Stadionbesuch ein. So auch in Dresden. Die antirassistische Faninitiative 1953international lebt Willkommenskultur und empfängt seit 2012 immer wieder Flüchtlinge aus der Region Dresden im Stadion. Dabei ist es ihnen wichtig, Geflüchtete zu erreichen, die kleinen Orten wie Schmiedeberg oder Radebeul untergebracht sind. Der Verein unterstützt sie dabei tatkräftig, indem Tickets gesponsert werden oder in den vereinseigenen Medien berichtet wird. Während in der sächsischen Hauptstadt PEGIDA seine Hochzeit hatte und bundesweit über die tragende Rolle der Dynamo Dresden Hooligans berichtet wurde, sammelten andere Dynamo Fans Spenden für Flüchtlinge und übergaben diese öffentlich an eine Willkommensinitiative in Radebeul bei Dresden. Mit dieser und mit anderen Aktionen soll ein Zeichen gegen menschenverachtende Asylpolitik gesetzt werden, den Fußballaktivisten ist aber auch der Kontakt zu den Flüchtlingen wichtig. "Wir wollen den Menschen eine Freude mit dem Spielbesuch machen. Außerdem möchten wir den Dresdnern Wissen über das Leben von Flüchtlingen hier vermitteln und Kontakte herstellen", erklärt Gerd* von 1953international.

Welcome United 03 in Babelsberg

Beim SV Babelsberg gibt es mit "Welcome United 03" eine eigene Flüchtlingsmannschaft. Das Team hat sich inzwischen konsolidiert, seit dem Sommer 2014 dribbeln und kicken die jungen Männer im Potsdamer Karl-Liebknecht Stadion, das liebevoll Karli genannt wird. Auf Initiative von Manja Thieme, die ehrenamtlich für Asylsuchende in Potsdam aktiv ist, wurde diese neue 3. Mannschaft beim SV Babelsberg 03 ins Leben gerufen. "Eigentlich wollte ich nur fragen, ob einige Flüchtlinge, die nach Möglichkeiten zum Fußballspielen gefragt hatten, immer mal im Karli trainieren können", erzählt Thieme am Spielfeldrand. Der Verein setzte sich damals mit ihr zusammen und schlug vor, man könnte eine Mannschaft für die Flüchtlinge öffnen. Thoralf Höntze, zuständig fürs Marketing beim Verein, war von Anfang an dabei: "Flüchtlingsarbeit hat beim Verein seit über zehn Jahren Normalität, fast Tradition. Und weil uns aus der Erfahrung und als Fußballliebhaber klar war, dass es auf Dauer nicht reicht, nur ab und an Trainingszeiten anzubieten, haben wir das Angebot mit der eigenen Mannschaft gemacht." Das Ziel ist eine Integration in den regulären Spielbetrieb. Drei Tage nach Gründung der Mannschaft absolvierten die Jungs das erste Testspiel gegen die "Champions ohne Grenzen", ein Flüchtlingsteam aus Berlin. Das Training wird von Hassan geleitet, er ist selbst aus Mazedonien geflüchtet. Seine Spieler teilen vor allem die Liebe zum Fußball, so wie Abihadif Ahmed. Er hat eine lange Flucht hinter sich, bevor er es schaffte nach Deutschland zu gelangen. In Somalia und vor dem Krieg spielte er in der Jugendnationalmannschaft Fußball. "Bei uns spielen so einige talentierte Jungs, denen wir mit ´Welcome United 03´ auch den Einstieg in höhere Spielklassen der deutschen Vereine ermöglichen wollen", meint Höntze dazu.

Flüchtlinge lösen bei Amateurvereinen Nachwuchsprobleme

Aber auch in den Amateurligen sind neue Mitspieler gern gesehen. Krumpa ist ein kleiner Ort in Sachsen-Anhalt, ein typisches ostdeutsches Dorf. Knapp 1.000 BürgerInnen leben hier, seit über zehn Jahren teilen sie sich das Dorf mit 280 Asylsuchenden, die zentral in einem Heim wohnen, so lange das Asylverfahren dauert. Ausländer werden in Krumpa schräg angesehen, nicht allen sind die Flüchtlinge willkommen. Der heimische Fußballklub KSV Lützkendorf aus der 2. Kreisklasse bildet die Ausnahme und kann als positives Beispiel für gelungene Integrationsarbeit gelten. Ein Drittel der Spieler sind Flüchtlinge, sie stammen aus Syrien, Irak und verschiedenen afrikanischen Ländern, vor allem Mali. "Die Heimbewohner haben hier ein zweites Zuhause gefunden", sagt Vereinschef und Trainer Marco Brandt. "Sie bereichern uns und helfen uns auch fußballerisch weiter." 2012 waren Bewohner des Flüchtlingsheims auf den Bolzplatz gekommen und hatten gefragt, ob sie mitspielen dürften. Für Marco Brandt war das kein Problem, einige Mitspieler und auch die Fans aus dem Dorf waren anderer Meinung. Über die Zeit kamen trotzdem mehr Flüchtlinge zum Training, man lernte sich gegenseitig kennen und schätzen. Heute ist es für den Verein keine Frage mehr, die internationalen Mitspieler gehören dazu. Ein paar mussten sie inzwischen an bessere Vereine abgeben. Shaibu Ulana zum Beispiel spielt mittlerweile sechs Klassen höher beim Verbandsligisten BSV Halle-Ammendorf.

Auch die Fußballverbände fördern Integration von Flüchtlingen in den Spielbetrieb

Auch die deutschen Fußballverbände DFB und DFL wollen mehr für Flüchtlinge machen. Gemeinsam mit der Bundesregierung haben sie ein Maßnahmenpaket geschnürt, von dem besonders die Vereine der niedrigen Spielklassen profitieren. "Wir wollen für eine echte Willkommenskultur in Deutschland eintreten und sprechen uns gegen jede Art von Rassismus und Diskriminierung aus", erklärte Reinhard Rauball bei der Vorstellung der Willkommensinitiative. So sollen bis zu 600 Fußballvereine, die sich für Flüchtlinge engagieren, finanziell unterstützt werden. Sie können offene Sportangebote oder die Bereitstellung von Trainingskleidung damit bezahlen. Das zweite Projekt zielt unter dem Titel "Willkommen im Fußball" auf die bundesweite Schaffung von Fußball- und Bildungsangeboten für junge Flüchtlinge. Vor Ort sollen Willkommensbündnisse zwischen Fußballvereinen und Zivilgesellschaft aufgebaut werden. Um die Vereine zu unterstützen, gibt der DFB außerdem gemeinsam mit der Bundesregierung die Broschüre "Willkommen im Verein! Fußball mit Flüchtlingen" heraus. Auf 24 Seiten werden Grundlagen über Flucht, Asylrecht, Versicherungsfragen bis hin zu Beratungsangeboten vermittelt.

Diese Beispiele zeigen, wie der Fußball Pionierarbeit leistet und die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Die Integration ausländischer Spieler ist in den Vereinen alltäglich, die Fans haben sich schon lange daran gewöhnt, dass ihre Idole nicht nur Max Müller, sondern auch Jerome Boateng heißen können. Folgerichtig kommt dem Fußball bei der Gestaltung der deutschen Willkommensgesellschaft eine maßgebliche Rolle zu. Dieser wird er in allen Spielklassen gerecht.

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