Seit langem ist die politische Haltung des FC St. Pauli in aller Deutlichkeit auf den Tribünen seines Stadions zu lesen. "Kein Fussball den Faschisten" steht in großen Lettern auf der Gegengerade. Doch nun wurde der Schriftzug überdeckt. Der Grund: Die deutsche Nationalelf kam zum Training ans Millerntor. Die Botschaft war den DFB- Offiziellen zu politisch. Fans und Vereinsvertreter des FC St. Pauli reagierten fassungslos.
Von Joschka Fröschner
Antifaschismus gehört zum Selbstverständnis des Vereins und der Fanszene des FC St. Pauli. Entsprechend ungehalten zeigte man sich dort über die Entscheidung des Verbandes, das Millerntor zu "neutralisieren", also jegliche politischen Statements im Stadion zu überdecken, wie es in einer DFB-Stellungnahme heißt. Der Verband zog sich außerdem auf die Position zurück, dass man Fotos hätte vermeiden wollen, auf denen DFB-Spieler vor dem Schriftzug "für Faschisten" zu sehen sind. Ein Versuch, die Wogen zu glätten, welcher aber nicht verfängt. Zum einen wäre "den Faschisten" zu lesen gewesen, zum anderen hat der FC St. Pauli trotz regelmäßiger Auftritte im eigenen Stadion ganz offensichtlich keinerlei solcher Probleme. Es wirkt eher so, als suche der DFB für eine schlecht durchdachte Entscheidung nachträglich nach Argumenten. Auch das Präsidium des FC St. Pauli nahm zu dem Vorfall Stellung: "Mit großem Unverständnis haben wir das Vorgehen des DFB zur Kenntnis genommen. Diesen Schriftzug zum Teil abzukleben steht für uns im deutlichen Widerspruch zu all den Aktionen, die der DFB in der Vergangenheit gegen Fremdenhass, Diskriminierung und Rassismus durchgeführt hat."
Neutralität für Faschisten?
Damit spricht das Präsidium einen wunden Punkt an. Für einen Verband, der sich den Kampf gegen Rassismus medienwirksam auf die Fahnen geschrieben hat, sollte ein Statement wie "Kein Fussball den Faschisten" eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Insofern offenbart die Entscheidung des DFB die Lücke zwischen öffentlichen Hochglanzkampagnen gegen Diskriminierung, wie sie der Verband regelmäßig in Auftrag gibt, und dem gelebtem antifaschistischem Engagement der Fans des FC St. Pauli. Die Haltung des DFB erinnert auf schmerzhafte Weise an die Parole "Keine Politik im Stadion", die in der Vergangenheit oftmals die Ausbreitung diskriminierender Haltungen in deutschen Fußballstadien erleichterte. Mit der Entscheidung, den Slogan zu "neutralisieren", impliziert der Verband zudem, dass eine neutrale Haltung gegenüber Faschismus sowohl möglich als auch wünschenswert wäre. Dabei zeugen die Geschichte Deutschlands und des DFB vom Gegenteil.
Schlechte Gäste
Dementsprechend wütend äußert sich auch der Fanclubsprecherrat des Kiezclubs über die "Gäste" des DFB: "Gerne sind wir Gastgeber bei uns im Stadion. Aber dafür streichen wir unser Wohnzimmer nicht um und rücken Möbel zurecht. "Kein Fußball den Faschisten" gehört zu uns. Das sind wir. Das ist der FC St. Pauli! Sie als Gäste haben nun eigenwillig und ohne einen realen Grund dieses Statement entfernt. Entfernen heißt für uns, die Aussage nicht mit zu tragen. Dies ist ein offener Schlag ins Gesicht nicht nur unserer Fanszene, die im Übrigen für ihre antifaschistische Arbeit ausgezeichnet wurde. Nein, dies ist ein Affront gegenüber allen Fussballfans, die sich tagein und tagaus antifaschistisch und antirassistisch verhalten, entsprechende Choreos erarbeiten, Aufklärungsarbeit verrichten und so dem Rechtsruck in den Stadien entgegenschreiten." Auf St. Pauli wird es künftig aller Wahrscheinlichkeit nach heißen: "Kein Millerntor dem DFB".
Die Alibi-Haltung des DFB
Auch ehemalige St. Pauli-Spieler reagierten mit Unverständnis. Ralph Gunesch, der schon in der Vergangenheit zeigte, was praktischer Antirassismus bedeuten kann, schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Ich wünsche mir eine Welt, in der sich die ganze Mannschaft auf die 3. Stufe unter dem Slogan stellt und der DFB ganz PR-Profi-like das Bild veröffentlicht und klar Stellung bezieht.....ja ich weiß, ich bin ein Träumer ! Oftmals sind es die Gesten, die eine wahnsinnige Strahlkraft haben!" Der Keeper und Derby-Held Benedikt Pliquett ergriff ebenfalls online das Wort: Das Entfernen des Spruchbands zeige "die Alibihaltung des DFB im Kampf um Demokratie und Gleichberechtigung." Diese Meinungen verdeutlichen auch, dass es für den Deutschen Fußballbund um mehr geht als nur einen kleinen Fauxpas im Vorfeld eines unbedeutenden Freundschaftsspiels. Der Verband riskiert durch sein Verhalten am Millerntor, die durch vergangene Anstrengungen mühsam erworbene Glaubwürdigkeit im Kampf gegen Rassismus, Faschismus und andere Formen der Diskriminierung wieder zu verlieren. Das wäre Wasser auf die Mühlen rechtsgerichteter Fußballfans – und für alle anderen eine Katastrophe.
Ergänzung vom 15. Mai
Mittlerweile hat sich der DFB für sein Verhalten entschuldigt. Am Donnerstag, den 14. Mai räumte Präsident Wolfgang Niersbach in einem Schreiben und einem persönlichen Gespräch mit dem Präsidum des FC St. Pauli den Fehler ein. Der Verein begrüßte die "unmissverständliche Erklärung des DFB". Die Blamage selbst kann der Verband allerdings nicht mehr rückgängig machen.