Die Ultras Braunschweig fordern vom Verein: "Keine Eintracht mit Nazis". Die Gruppe ist immer noch aus dem Stadion ausgeschlossen.
Ultras Braunschweig

Fanarbeit gegen Nazis? Nicht nur im Profifußball!

Die Vorherrschaft von Hooligans und Neonazis in vielen deutschen Fankurven der 1990er Jahre ist im Jahr 2015 an den meisten Standorten der 1. und 2. Bundesliga überwunden. Wie sieht es aber bei Vereinen aus, die in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre aus dem Profisport verschwanden, aber trotzdem noch über eine große Anhängerschaft verfügen?

Von Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Während in den 1980er und 1990er Jahren Hooligans und häufig auch aktive Neonazis die Kurven in vielen Bundesligastadien dominierten, ist das Bild im Jahr 2015 ein Anderes. Die Arbeit von aktiven Fans, Fanprojekten und den Vereinen hat neonazistische Strukturen an vielen Bundesligastandorten weitestgehend aus den Stadien verbannt. Die inzwischen flächendeckend verbreitete Ultra-Bewegung hat den Hooliganismus als dominierende Fankultur abgelöst. Immer mehr Vereine positionieren sich außerdem öffentlich gegen verschiedene Formen der Diskriminierung und unterstützen Integrations- und Flüchtlingsprojekte. Hooligans und Neonazis sind deshalb aber nicht verschwunden. Während sie aktuell in einigen Profivereinen wieder versuchen Fuß zu fassen, ist ihr Auftreten in vielen Vereinen der Regionalligen trauriger Alltag.

Fehlende Strukturen unterhalb der Bundesligen

Die 3. Liga gilt als unterste "Profiliga" im deutschen Fußball. Finanziell bietet die Liga für die meisten Vereine allerdings keine wirkliche Steigerung zur Regionalliga. Das Geld, welches die Clubs durch die Fernsehvermarktung erhalten, ist überschaubar. Weite Reisewege und die erhöhten Anforderungen an Stadien und Sicherheit, erhöhen real die finanziellen Kosten der Clubs. Vereine, die aus der 2. Bundesliga absteigen, stehen häufig vor einem finanziellen Debakel und können wie Hansa Rostock, nur mit Hilfe der Fans die Lizenzauflagen erfüllen. Die vielen Vereine der Regionalligen und auch die Vereine der 3. Liga haben deshalb in den meisten Fällen finanzielle Probleme und müssen an allen Ecken und Enden einsparen. Eine umfangreiche Fanarbeit wie in den Clubs der 1. Bundesliga verpflichtend, können oder wollen sich einige Vereine nicht leisten. Dabei wäre das genau an diesen Standorten besonders wichtig.

Wie funktioniert gute Fanarbeit?

Seit 1993 müssen alle Clubs der 1. und 2. Bundesliga Fanbeauftragte benennen. Auch in der 2008 gegründeten 3. Liga ist ein Fanbeauftragter für die Vereine Teil der Lizenzauflagen. Seit 2011 müssen die Fanbeauftragten der Bundesligavereine außerdem hauptamtlich beim Verein beschäftigt werden. Viele Regionalligaclubs haben zwar Fanbeauftragte, diese sind aber in den meisten Fällen ehrenamtlich tätig und eine umfangreiche Betreuung der teils sehr großen Fangruppen ist nicht möglich. Neben der Fanarbeit der Vereine gibt es außerdem in über 50 deutschen Städten vereinsunabhängige Fanprojekte. Diese werden in den höchsten 4. Spielklassen zu je zur Hälfte durch die Verbände und öffentliche Mittel finanziert. "Die menschenrechtsorientierte Arbeit der Fanprojekte ist auch  beim Umgang mit Themen hilfreich, die so manche Vereinsstrukturen überfordern können, z.B. beim Thema Rassismus und Rechtsextremismus“ , sagt Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte. Jedoch: "In den unteren Ligen kommt noch ein wichtiger Faktor hinzu . Oftmals sind dort die Strukturen innerhalb und rund um die Vereine eher schwach ausgeprägt, wichtige Positionen nur ehrenamtlich besetzt. Hier kann eine Institution wie ein Fanprojekt, neben der Arbeit mit den Jugendlichen, auch zu einer Stabilisierung der Kommunikation mit den Institutionen beitragen“

Fanarbeit kann nur langfristig wirken

1981 entstand in Bremen das erste Fanprojekt in Deutschland. Heute haben ehemals tonangebende rechte Gruppen wie die Standarte Bremen im Stadion nichts mehr zu suchen. An ihre Stellen sind junge Fangruppen getreten, die für eine vielfältige und antidiskriminierende Fankultur sorgen. Das Braunschweiger Fanprojekt hingegen wurde erst vor acht Jahren gegründet und konnte die aktive Fanszene im Eintracht-Stadion nur kurz begleiten und unterstützen. Auch in Aachen hat es lange Zeit gedauert, bis 2008 ein Fanprojekt gegründet wurde. In beiden Städten konnten sich die rechten Kräfte innerhalb der Fanszene langfristig etablieren und geben noch heute in den Kurven den Ton an. Außerdem sind sowohl in Braunschweig als auch in Aachen die alten Hooligan Gruppen nicht aus den Stadien verschwunden, sondern bilden mit den großen Ultragruppen eine Allianz gegen linksorientierte Fans.

Klare Statements der Vereine? Leider eine Ausnahme!

Nach den Auseinandersetzungen zwischen linken Ultras und rechtsextremen Hooligans in Bremen distanzierte sich der SV Werder Bremen klar von neonazistischen Fans und Präsident Dr. Hubertus Hess-Grunewald forderte: "Deshalb, liebe Werderfans, zeigt Euch solidarisch, entschlossen, aber gewaltfrei im Einsatz für unsere gemeinsamen Werte". Derart klare Statements sind im Fußballgeschäft leider eine Seltenheit. An anderen Standorten wie beispielsweise in Aachen erhielten linke und antirassistische Gruppen keine Rückendeckung vom Verein und mussten sich aus dem Stadion zurückziehen. In Braunschweig wurden die linken "Ultras Braunschweig" sogar als Gruppe verboten. Die Strukturen der Fanszenen in Aachen und Braunschweig hätten also ein Vorgehen des Vereins gegen einen großen Teil der aktiven Fans gefordert. Die Vereine wählten den wohl "leichteren" Weg und suchten die Schuld an den Auseinandersetzungen zuerst bei den angegriffenen Gruppen, der Minderheit.

Arbeit der Vereine stößt auf Protest

Dass ein Engagement gegen Diskriminierung nicht nur auf positive Resonanz trifft, erfuhr die SG Dynamo Dresden im April dieses Jahres. Die Einladung von 300 Flüchtlingen zu einem Heimspiel sorgte für einen rechten Shitstorm auf der vereinseigenen Facebook-Seite. Dabei engagiert sich Dynamo Dresden schon seit 2006 gegen Rassismus, hat 2012 das erste Mal Flüchtlinge im Stadion zu Gast. Flüchtlings- und Integrationsprojekte werden durch die antirassistische Faninitiative 1953international vorangetrieben . Inzwischen steht ein "Second Fan Shirt"-Sammelpunkt im Dresdner Stadion (eine Übersicht alle Aktivitäten gibt es hier).

Im Gegensatz zu anderen Vereinen, die Probleme mit rechten Zuschauern haben, benennt Dynamo Dresden diese auch in offiziellen Statements. Ebenso schreibt die Faninitiative "1953international" auf der vereinseigenen Homepage: "Die leider immer noch im Stadion vorhandenen rassistischen und antisemitischen Tendenzen machen es notwendig, dass wir auch gegenwärtig diesen Erscheinungen entgegentreten". Es bleibt zu hoffen, dass Dynamo Dresden und andere Vereine ihre Integrationsprojekte weiterführen und sich durch rechte Parolen in den eigenen Reihen nicht davon abbringen lassen.

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