Warum ich das nicht mehr hören will: "Neger"

Wer kennt das nicht: "Das meinte ich doch nicht soo..." oder "Sei doch nicht so empfindlich...". Gerade unter Jugendlichen - aber nicht nur dort - ist der Umgang mit Sprache oft unachtsam. Da werden Schimpfwörter über den Schulhof geschmettert und in Redewendungen rassistische Stereotypen bedient, ohne darüber nachzudenken. Oft ist den Betreffenden auch nicht klar, wo das Wort eigentlich herkommt. Oder Beschimpfungen werden gezielt ausgesprochen, um dem Gegenüber klar zu machen, dass man ihn für minderwertig hält. Von dort ist es oft nur noch ein kleiner Schritt zu konkreten Taten.

Netz gegen Nazis hat zu diesem Thema eine Serie erstellt: "Warum ich das nicht mehr hören will!" Hier geht es nicht darum, Schimpfwörter zur Diskussion zu stellen, sondern Menschen, die nicht darüber hinweg hören wollen, die Gelegenheit zu geben, zu erklären warum. Denn wie der deutsche Schriftsteller Victor Klemperer in seinen "Notizen eines Philologen" schrieb: "Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da."

Abini Zöllner, Journalistin und Feuilletonredakteurin der "Berliner Zeitung"

"Der Begriff "Neger" kommt von "niger", was auf Latein "Schwarz" bedeutet und erstmal nichts Anstößiges ist, im Gegenteil. Nur hat er im Laufe seiner Verwendung eine ganz andere Konnotation bekommen: Er wurde von Kolonialisten geprägt und dementsprechend bis heute verwendet. Selbst der Duden schreibt, dass der Begriff heute noch als diskriminierende Bezeichnung empfunden wird. "Neger" ist ein Begriff, der durch seine Verwendung also längst seine Unschuld verloren hat.

In der HipHop-Kultur benutzen ihn Schwarze untereinander auch, die reden dann von "Niggers" - also noch verächtlicher, als ohnehin schon. Ich denke, das ist das einzige Privileg der schwarzen Jugendlichen, den Weißen in bestimmten Sachen zuvorzukommen und es als Code unter Schwarzen, und zwar nur untereinander, zu verwenden. Oft ist es so, dass Bezeichnungen irgendwann eine gewisse Belanglosigkeit erreichen oder ironisiert werden. Das ist hier merkwürdigerweise nicht so, es ist ein Schimpfwort geblieben.

Die Diskriminierung von Weißen gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe fängt mit der Farbe Schwarz an: Die steht vor allem hier in Europa als Farbe des Todes, für den Teufel, für Gesetzeswidrigkeit. Man spricht vom "Schwarzmarkt", von der "schwarzen Messe". In dem Kinderspiel "Wer hat Angst vorm..." ist der schwarze Mann das Symbol des Bösen. Ganz im Gegensatz zu Weiß, als der Farbe des Lichts, der Reinheit – der puren Unschuld. Die Menschen heiraten in Weiß und Gott ist wahrscheinlich auch ein Weißer. Das überträgt sich auf die Hautfarbe, ob man will oder nicht. So kann man mit einer dunklen Hautfarbe schon als Provokation wahrgenommen werden, ohne dass man etwas gesagt hat oder eine falsche Handbewegung gemacht hat.

Das fängt im Kindesalter an, wenn man eine dunkle Hautfarbe hat in einer weißen Umgebung und gefragt wird: "Wo kommst du her? Wie lange möchtest du noch bleiben?" Ich bin in Berlin-Lichtenberg geboren und natürlich bleibe ich in Berlin bis an mein Lebensende. Das Problem ist, dass man sich zu seiner Hautfarbe verhalten muss. Aber warum? Die Hautfarbe ist selbstverständlich, genauso wie alle Menschen eine Nase im Gesicht haben. Aber nein, man hat das ganze Leben lang damit zu tun, nicht in eine Rolle gedrängt zu werden.

Wenn andere "Neger" sagen, empfinde ich das als armselig. Meine Hautfarbe dagegen empfinde ich als großen Reichtum. Ich bin zuerst mal Berlinerin, Journalistin, Falschparkerin und meine Hautfarbe werde ich nicht thematisieren, nur weil andere sie thematisieren. Ich bin mehr als meine Hautfarbe und ich möchte von anderen nicht darauf reduziert werden und reduziere mich selbst auch nicht darauf.

Wenn das Wort "Neger" nicht mehr benutzt wird, ist natürlich nicht das Problem gelöst. Hinter dem Wort lauert eben eine unheilvolle Geschichte. Ganz schlimm finde ich es, wenn Nichtbetroffene den Betroffenen erklären, sie sollen nicht so betroffen sein. Wann und wie ich mich betroffen fühle, entscheide ich immer noch selbst. Ich bin kein Sensibelchen, aber ich wehre mich absolut dagegen, dass mir ein Außenstehender sagt, ab wann ich mich verletzt oder gedemütigt sehen darf. Jemand kann mir zwar erklären, wie es gemeint war, aber er muss auch akzeptieren, wie es beim Adressaten ankommt. Das entscheidet nicht der Absender."

Hintergrund: Wo kommt das Wort eigentlich her?

Das "Moderne Lexikon" von Bertelsmann stellt 1972 noch völlig unreflektiert fest: "Neger, die ‚Schwarzen’, der Hauptteil der farbigen Bevölkerung Afrikas, die kennzeichnende Gruppe des negriden Rassenkreises." Und fährt rassentheoretisch fort: "Die Neger gelten als lebenstüchtig, außerordentlich anpassungsfähig, geschickt im Lernen und bei körperlicher Arbeit."

Auch das etymologische Wörterbuch des Dudenverlags von 1989 beschäftigt sich unprofessionell mit der Wortgeschichte. Angemerkt werden hier zwar die Wurzeln aus dem Lateinischen ‚niger’ (schwarz) und die verächtlich gemeinte Bezeichnung "Nigger" seit dem 19. Jahrhundert. Es fehlt jedoch völlig der Hinweis auf den diskriminierenden Gebrauch seit der Kolonialisierung Afrikas im 17. Jahrhundert. Immerhin wird im Duden Wörterbuch darauf hingewiesen, dass man ihn nicht mehr verwenden sollte - allerdings "im öffentlichen Sprachgebrauch" - da er "zunehmend als Diskriminierung" empfunden wird: "In Deutschland lebende Schwarze haben als Eigenbezeichnung Afrodeutscher, Afrodeutsche vorgeschlagen." Daran sollte man sich orientieren, ob es nun im privaten oder im öffentlichen Bereich ist.

Während der Kolonialisierung wurde die Bezeichnung "Neger" in einem abwertenden und rassistischen Kontext benutzt, der eine Überlegenheit der ‚weißen Rasse’ konstruieren sollte. Die Autorin und Musikerin Noah Sow hat in ihrem Buch "Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus" eine sehr eindeutige und weitreichende Definition von Rassismus vorgenommen: "Rassismus ist nicht erst die negative Reaktion auf einen angeblichen Unterschied, sondern bereits die Behauptung des Unterschieds." Warum sollten Menschen wegen ihrer genetisch bedingten ethnischen Merkmale irgendwelche speziellen Eigenschaften haben? Ebenso gut kann man Menschen mit blauen Augen irgendwelche Eigenschaften andichten – sind sie alle per se blauäugig oder besonders misstrauisch? Sow bringt die Irrelevanz genetischer Merkmale auf den Punkt mit dem sprechenden Beispiel: "Der Unterschied zwischen ABBA untereinander ist wahrscheinlich größer als der genetische Unterschied zwischen ABBA und jeder beliebigen Eingeborenentanzgruppe."

Aufgezeichnet und erstellt von Pamo Roth.

NgN-Serie: Warum ich das nicht mehr hören will!"

Teil 1 - Petra Rosenberg zu "Zigeuner"

Zum Thema:

| Abini Zöllner: "Don’t call me Neger"

| Initiative für Schwarze Menschen in Deutschland zu "Besondere Kennzeichen: Neger"


| Grada Kilomba Ferreira: Don't You Call Me Neger

| Mediawatch-Initiative "Brauner Mob": "Bin ich ein Rassist?"

| Mediawatch-Initiative "Brauner Mob": Warum nicht N..."

| Exil-Club zu "Afrodeutscher" oder "Neger"?

| Susan Arndt: "Kolonialismus, Rassismus und Sprache: Kritische Betrachtung der deutschen Afrikaterminologie"

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