Die Reichsbürgerbewegung entlockt vielen Menschen zunächst ein Schmunzeln: Da stellen sich deren Mitglieder Ausweise und Führerscheine aus, gründen Fantasiekönigreiche oder schwadronieren auf einem der zahllosen Blogs über die scheinbare Nicht-Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch sollte diese Nische rechtsextremer Weltanschauung ernst genommen werden – auch von den Behörden.
Von Johannes Baldauf
Nachdem die rassistischen Drohbriefe, die Anfang 2012 an verschiedene Institutionen und Privatpersonen verschickt wurden und Ausländer zur Ausreise aufforderten, die Reichsbürger-Bewegung aus den Meldungen unter "Vermischtes" herausholten und Behörden und Medien zu einer ernsthaften Beschäftigung mit der Problematik und dem rechtsextremen Potential dieser Szene zwang, sorgt nun das Erscheinen einer weiteren Gruppierung für Beunruhigung. Das "Deutsche Polizei Hilfswerk" (DPHW) stellt die neueste Entwicklung in der Szene der Reichbürger dar. Als einer vermeintlichen Mischung aus Technischem Hilfswerk und Freiwilliger Feuerwehr wird versucht, eine Art selbstorganisierter Bürgerwehr mit offiziellem Anstrich zu mimen. Die Selbstbeschreibung des DPHW macht deutlich, dass man sich als Ordnungshüter versteht, ohne dass es sich dabei um ausgebildete Polizistinnen oder Polizisten handelt. Selbsternannte Hilfssheriffs in Uniform, die die Bürgerinnen und Bürger schützen wollen.
Selbstjustiz im Namen der Ordnung
Die Frage ist nur: Vor wem? Beim DPHW spricht man von "Behördenkriminalität", vor der die Menschen geschützt werden sollen. Für die Bewegung der Reichsdeutschen ist die BRD eine Firma und kein Staat, weshalb die Polizei als Exekutive des Staates in ihren Augen auch keine Legitimation besitzt. Und da es dennoch eine Ordnungsmacht geben muss, sieht sich das DPHW als Hüter, Schaffer und Wahrer der Ordnung. Das klingt nach Selbstjustiz.
Was die selbsternannten Hilfssheriffs damit meinen, zeigte sich zum Beispiel Ende November in Bärwalde in Sachsen. Dort hinderten mindestens 15 Hobbypolizisten des DPHW einen Gerichtsvollzieher an seiner Arbeit und fesselten diesen mit Kabelbindern. Die hinzugerufene (echte) Polizei musste den Mann befreien.
Der Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi (Grüne) stellte wegen dieses Vorfalls eine parlamentarische Anfrage bezüglich des rechtsextremen Potentials des DPHW an die sächsische Regierung. Als Reaktion erfolgte in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember ein Anschlag mit Farbbeuteln auf sein Büro in Meißen.
Der Vorfall in Bärwalde ist dabei nur eine Episode unter den vielen Umtrieben des DPHW. Eigene Pressemitteilungen verweisen auch auf Aktionen in Berlin und Sachsen-Anhalt. Und meistens geht es darum Gerichtsvollzieher an ihrer Arbeit zu hindern. Denn nach Auffassung des DPHW setzen diese nicht die Forderungen des Staates durch, sondern seien "Plünderer".
Exekutive für einen Scheinstaat
Doch wer steckt eigentlich dahinter? Wie viele Menschen sich zum DPHW zugehörig zählen, ist nicht bekannt. Auch ist unklar, wie viele lokale Gruppierungen es deutschlandweit gibt. Die Homepage des DPHW weist kein Impressum auf. Registriert ist die Seite auf Keven Olschero, der auch die Seite "polizei-shop.eu" betreibt. Dort prangt das Logo des DPHW, aber es werden unter anderem Kleidungsstücke mit dem Aufdruck "DPolG" angeboten. "DPolG" ist die offizielle Abkürzung der deutschen Polizeigewerkschaft - nicht der einzige Verweis auf die (echte) Polizei. Zum Vorstand des DPHW gehört Volker Schöne, der früher in der Polizeigewerkschaft Sachsen tätig war. Im Netz findet sich sogar die Behauptung, dass Personen, die im aktiven Polizeidienst tätig sind, zum DPHW gehören. Dazu bestehen Verbindungen zu anderen Reichsbürger-Gruppen. So geht aus Dokumenten der Gruppe um den Fantasiestaat "Freies Deutschland" hervor, dass das DPHW als Exekutive dieses Scheinstaates operieren soll. Gleiches gilt für die Reichsbürger-Gruppe um Peter Fitzek und seinen Schein-Staat "NeuDeutschland".
Die Aktionen des DPHW bringen ihnen selbst und auch der Reichsbürger-Bewegung viel Aufmerksamkeit - hoffentlich auch seitens der Behörden. Immerhin hat die Staatsanwaltschaft Dresden schon ein Verfahren unter anderem wegen Amtsanmaßung eröffnet.
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