Die rassistische und islamfeindliche "Pro"-Bewegung bereitet ihnen Arbeit, aber der Alltag führt die Mitarbeiter der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Köln vor allem in Schulen und Betriebe. Hier helfen sie individuell. Ein Porträt.
Das Interview führte Simone Rafael.
Seit Oktober 2008 gibt es in fünf Regierungsbezirken Nordrhein-Westfalens „Mobile Beratungen“ gegen Rechtsextremismus – in Villigst, Münster, Vlotho, Wuppertal und Köln, koordiniert von der Landeskoordinierungsstelle bei der Landeszentrale für Politische Bildung. Die Mobile Beratung im Regierungsbezirk Köln sitzt bei der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs) im NS-Dokumentationszentrum. Belltower.news sprach mit Michael Trube, einem von zwei Mitarbeitern, über die Erfahrungen der vergangenen anderthalb Jahre.
Wer wendet sich an die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus?
Die Mehrzahl der Anfragen gehört zum Bereich „Rechtsextremismus als Jugendphänomen“. Das heißt, Schulen oder Jugendämter wenden sich an uns, wenn es Probleme gibt und Menschen dagegen aktiv werden wollen, aber nicht genau wissen, wie sie das anfangen sollen.
Wie sieht so etwas konkret aus?
Ein Jugendlicher äußert sich rechtsorientiert. Die Schule fragt sich: Wie gehe ich damit um?
Was machen Sie?
Wir versuchen herauszufinden: Ist das eine Provokation? Ist das ein überzeugter Rechtsextremer? Je nachdem sieht die Strategie unterschiedlich aus.
Wenn es eine „Provokation“ war, soll die Schule darauf eingehen?
Ja, das sollte sie – vor allem, wenn es andere Schüler stört. Aber es geht nicht darum, mit dem Finger auf Täter zu zeigen und sie in eine Nazi-Ecke zu stellen, in der sie vielleicht noch gar nicht sind. Vielmehr muss der Lehrer klarmachen, warum so eine Symbolik nicht vertretbar und nicht hinnehmbar ist.
Was gehört noch zu Ihrer Arbeit?
Wir beraten Bündnisse gegen Rechtsextremismus, die sich in Gründung befinden, wie sie sich gut aufstellen, welche Aktionen sie starten können. Außerdem arbeiten wir anlassbezogen, etwa wenn es Demonstrationen oder Aktionen gibt. Und es wenden sich auch Bürgermeister und Fraktionen an uns, bei denen etwa Abgeordnete von „Pro NRW“ im Stadtrat oder Kreistag sitzen, und fragen, wie sie mit denen umgehen sollen.
Ist in der Auseinandersetzung um die Pro-Bewegung Konsens, dass es sich um eine problematische Partei handelt?
In Köln ist das bekannt, andernorts ist es Überzeugungsarbeit: „Die sind doch nicht die NPD“. „Pro NRW“ wird ja auch nicht müde, zu betonen, dass sie auf dem „Boden des Grundgesetzes“ bliebe, dass es ihnen „nur um integrationsunwillige“ Muslime gehe – eine Haltung, die auch Nicht-Anhänger teilen. Dann geht es darum, klar zu machen, dass „Pro NRW“ eine rassistische Politik verfolgt, die das friedliche Zusammenleben der Menschen stört, damit nicht demokratiekonform ist und zur Recht vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Was raten Sie im Umgang mit „Pro NRW“?
Die Geschäftsordnung im Parlament konsequent anzuwenden, etwa Anträge nach Ende der Debatte oder Redeliste zu stellen, um „Pro“-Vertretern keine unnötig große Bühne zu verschaffen, ihnen keine Avancen um Stimmen zu machen, nicht mit ihren Anträgen mitzustimmen, sondern sie gegebenenfalls neu zu stellen. Wichtig ist aber, dass immer die Gründe dafür transparent gehalten werden. „Pro“-Vertreter propagieren nämlich zu gern, so würden nur „gefährliche Mitbewerber ausgeschaltet“.
Neben „Pro NRW“ - wie sieht Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Köln aus?
Sehr unterschiedlich, denn zu unserem Arbeitsbereich gehören Köln, Aachen, Bonn, Düren als kreisfreie Städte und acht weitere, teilweise sehr großflächige, Kreise. In Köln gibt es zwar auch die „Freien Kräfte Köln“ um den Neonazi Axel Reitz, aber das Hauptthema ist hier „Pro Köln“ bzw. „Pro NRW“ und ihre Anti-Islam-Politik. In Aachen ist die Kameradschaft Aachener Land (KAL) sehr aktiv. Hier gibt es regelmäßige Übergriffe auf ein linkes Wohnprojekt und am Wochenende auf der Kneipenmeile gegen Studierende – die Wirte haben dort noch wenig Problembewusstsein und haben nichts gegen KAL-Leute, die bei ihnen Cocktails trinken. In Stolberg gibt es seit einem Mord an einem deutschen Jugendlichen durch einen russlanddeutschen Täter regelmäßige Aufmärsche Rechtsextremer. In Pulheim gibt es „Autonome Nationalisten“ und die „AG Rheinland“, in Düren ist die NPD um den Kreisvorsitzenden Ingo Haller und René Laube aktiv, der gleichzeitig Anführer der Kameradschaft Aachener Land ist, was die guten Beziehungen zwischen diesen Spektren unterstreicht.
Und wie sieht es mit zivilgesellschaftlichem Widerstand aus?
Wo es aktive Rechtsextreme gibt, gibt es auch zivilgesellschaftliche Bündnisse dagegen, auch viele aufmerksame Einzelpersonen, die wiederum Druck auf die Verwaltung ausüben, etwas zu tun.
Was war in den anderthalb Jahren ihres Bestehens eine Erfolgsgeschichte der „Mobilen Beratung“?
Ein mittelständisches Stahlunternehmen im Bergischen Land hat sich an uns gewandt: Ein Azubi sei Kandidat für „Pro NRW“ und das wäre mit dem Wertekodex der Firma nicht zu vereinbaren – was sollten sie tun? Es stellte sich heraus, dass es sogar 4 Azubis betraf – allerdings war nur einer überzeugt und aktiv, u.a. als stellvertretender Landesvorsitzender von „Pro NRW“, die anderen waren über ihre Kandidatur gar nicht informiert gewesen und distanzierten sich. Im Unternehmen gab es Aufklärungsveranstaltungen mit viel Zuspruch, obwohl das Unternehmen auch viel Gegenwind erhielt.
Wie ging es mit dem überzeugten „Pro NRW“-Kader weiter?
Weil er auch Firmeninterna ausgeplaudert hatte, konnte die Firma argumentieren, dass er arbeitsrechtlich nicht mehr tragbar sei. Sie hat ihn allerdings nicht sofort gekündigt, sondern ihm nahegelegt, die Ausbildung bei einem externen Bildungswerk zu beenden. Ein ebenso konsequenter wie konstruktiver Umgang, wie ich finde.
Wie schätzen Sie die Situation vor den Landtagswahlen 2010 ein: Können die Populisten weiter punkten?
Es ist das erste Mal, dass „Pro NRW“ zu einer landesweiten Wahl antritt, und sie hat bisher mehr Kandidatenlisten eingereicht, als zu erwarten war. „Pro NRW“ verkauft sich hierzulande als „einzige rechtsdemokratische Alternative“ – die CDU gilt ja in Nordrhein-Westfalen als links im Vergleich zur Bundesposition. Die Kommunalwahlen 2009 haben nach unserer Beobachtung „Pro NRW“ personell und finanziell ziemlich ausgelaugt – allerdings haben sie durch Millionär Patrik Brinkmann offenbar genug Geld für einen landesweiten Wahlkampf. Bei den Neonazis ist „Pro NRW“ allerdings weiterhin umstritten. Ich glaube nicht, dass Stimmen von der NPD zu „Pro“ gehen.
Wie halten Sie dagegen?
Seit der Kommunalwahl 2004 und dem ersten Erfolg von pro Köln haben wir es noch mit Aufklärung versucht – das ist keine demokratische Partei, führende Mitglieder haben Neonazi-Vergangenheit. Aber das wissen hier alle, und Menschen wählen sie trotzdem. Deshalb wird es nur so funktionieren, dass wir uns an Sachfragen abarbeiten und die Themen, die „Pro NRW“ populistisch aufzumachen versucht, auf die Sachebenen zurückführen und Ängste beruhigen. Oder auf Taktiken hinzuweisen: Geht es bei diesem Streit wirklich um Politik, oder wird ein Nachbarschaftsstreit mit unfairen Mitteln ausgetragen?
Mehr Informationen:
| www.politische-bildung.nrw.de
Beratungsnetzwerk NRW gegen Rechtsextremismus
Regierungsbezirk Arnsberg
Ralf-Erik Posselt
Haus Villigst (Träger: Evangelische Kirche von Westfalen)
58239 Schwerte
Telefon: 02304 -75 51 90
| www.gewaltakademie.de
netzwerk@afj-ekvw.de
Regierungsbezirk Münster
Heiko Schreckenberg und Michael Sturm
Geschichtsort Villa ten Hompel (Träger: Stadtverwaltung)
Kaiser-Wilhelm-Ring 28, 48145 Münster
Telefon: 0251- 4 92 71 09
| www.mobim.info
kontakt@mobim.info
Regierungsbezirk Detmold
Rouven Schäfer
AKE-Bildungswerk e.V.
Südfeldstraße 4, 32602 Vlotho
Telefon: 05733 - 9 57 37
| www.ake-bildungswerk.de
rouven.schaefer@ake-bildungswerk.de
Regierungsbezirk Düsseldorf
Sebastian Goecke und Nora Sejdijaj
Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz
(Träger: Stadtverwaltung)
Am Clef 58-62, 42275 Wuppertal
Telefon: 0202- 5 63 27 59
| www.wuppertaler-initiative.de
sebastian.goecke@stadt.wuppertal.de
leonore.sejdijaj@stadt.wuppertal.de
Regierungsbezirk Köln
Hans-Peter Killguss und Michael Trube
NS-Dokumentationszentrum. Info- und Bildungsstelle
gegen Rechtsextremismus (Träger: Stadtverwaltung)
Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln
Telefon: 0221- 22 12 63 32
| www.nsdok.de/ibs
ibs@stadt-koeln.de