Monatsüberblick September 2015: Steigende Flüchtlingszahlen führen zu ansteigenden Umfragewerten der AfD und wieder mehr Demonstrant_inen bei PEGIDA. Auch im Rest von Europa findet ein verstärkter Zulauf zu rechtspopulistischen Parteien statt. Die Mittwochsdemonstrationen der AfD in Erfurt wachsen von Woche zu Woche und sind stets von Übergriffen begeleitet.
Von Miro Dittrich
„Steigende Flüchtlingszahlen könnten für die AfD zur Erfolgsstory werden“
Der Berliner Politikwissenschaftler Funke sieht dabei eine starke Rolle in der CSU, die als rechtspopulistischer Teil der Union es der AfD derzeit besonders leicht mache, zu neuer Stärke zu finden. (Handelsblatt)
In Sachsen ist die AfD im September in Umfragen mit der SPD gleichauf gezogen, auch die NPD legt zu. Beide kamen in einer Umfrage, veröffentlicht am 16.09., für den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) von Infratest dimap, auf je 13 Prozent der Wähler_innen-Stimmen. Bei der Landtagswahl im August 2014 hatte die AfD noch 9,7 Prozent der Stimmen bekommen und war erstmals in den Dresdner Landtag eingezogen. Die rechtsextreme NPD stünde mit fünf Prozent wieder vor dem Einzug in den Landtag. (L-IZ)
In Rheinland-Pfalz probieren sich Alfa und AfD im beginnenden Wahlkampf um die gleichen Wähler_innen gegenseitig im Niveau zu unterbieten.
Ihre Positionen zu Flüchtlingen im Vergleich:
Alfa (neue Lucke-Partei): Nur noch ein Drittel der Flüchtlinge sollen nach Deutschland kommen, Schutzzonen in Bürgerkriegsländern, "Zurückweisung" von Schleuserbooten durch Marineeinheiten, Asylanträge nicht mehr in Europa stellen, sondern in deutschen Auslandsvertretungen und Erstaufnahmezentren in Nordafrika. Alle ohne Pass ablehnen, und bitte keine "Willkommenskultur" - höchstens "Hilfskultur" (Oberpfalznet, Ad-Hoc-News, Die ZEIT).
AfD: Grenzkontrollen wieder einführen, Grenzen für Flüchtlinge dicht machen, Flüchtlinge dürfen in Deutschland keine Anträge mehr stellen, Zahlen sollen die anderen Länder, durch die die Flüchtlinge einreisen (Petry). Asylrecht ganz aussetzen (Gauland) (tagesschau, Handelsblatt)
In Österreich führte der scharfe Ton der FPÖ in der Asylpolitik wohl zum Erfolg, sie verdoppelte ihren Stimmanteil und wurde mit 30,4 Prozent zweitstärkste Kraft bei der Landtagswahl in Oberösterreich. (FR)
Auch in anderen Ländern der EU konnten die Rechtspopulisten dank der steigenden Flüchtlingszahlen an Zulauf gewinnen. In der Bevölkerung scheint das Vertrauen in die politische Mitte verloren gegangen zu sein. Ein Überblick über die Situation in Frankreich, Italien, Großbritannien, Griechenland, Skandinavien, Ungarn und Polen gibt es hier: Die Presse
Die AfD setzte ihre Mittwochsdemos in Erfurt im September mit steigenden Teilnehmer_innenzahlen fort:
16.09.2015 „Thüringen und Deutschland dienen Asylchaos beenden!“
Es demonstrierten etwa 1.200 Menschen gegen die Flüchtlingspolitik von Bund und Land. Ein Polizeisprecher sagte, unter den Demonstranten seien viele Rechtsextreme sowie Anhänger der Hooligan-Szene. (MDR)
23.09.2015 „Wirklich Verfolgte schützen, Asylmissbrauch und ungesteuerte Einwanderung beenden“
Beim zweiten Termin kamen dann bereits zwischen 2.000 und 3.000 Menschen, darunter noch mehr Rechtsextreme .Sie tragen die Fahne des Holocaustleugner-Netzwerks „Europäische Aktion“, eine Fahne mit dem Neonazi-Slogan „Klagt nicht, kämpft“, die „Identitäre Bewegung Thüringen“ führt gleich ein eigenes Transparent mit und Vertreter_innen der NPD und der „Identitären Bewegung“ verteilen ihre Flyer. AfD-Landeschef Björn Höcke sagte in seiner Rede unter anderem: "Erfurt ist schön deutsch und Erfurt soll schön deutsch bleiben."
Das die AfD-Demo von Gegendemonstrant_innen schon nach 500 Metern von einer Blockade gestoppt wurde, motivierte wohl 40 Neonazis und rechte Hooligans, rund 30 Gegendemonstrant_innen anzugreifen: sie schlugen ihre Opfer gegen die Köpfe, traten sie in den Rücken und entwendeten eine Tasche mit persönlichen Papieren. Weitere gewalttätige Übergriffe werden von drei weiteren Orten in Erfurt berichtet. (MDR, Störungsmelder)
30.09.2015 „Demo gegen Politikversagen"
Die Initiative Crowdcounting zählt zwischen 3.500 und 3.800 Teilnehmer (die AfD spricht von 8.000), und es waren auch wieder Hunderte Rechtsextreme dabei. „Ich würde sagen, da waren so 500 Neonazis—die auch bereit sind, Gewalt anzuwenden", berichtet der Vorsitzender des DGB Thüringen, Sandro Witt.
Die rund 500 Gegendemonstrant_innen wurden von der AfD Demo unter anderem als „Judenpack" bezeichneten. Auf ihrem Weg vorbei am jüdischen Friedhof und einem Auffanglager für unbegleitete jugendlich Flüchtlinge, kam es immer wieder vermehrten zu Gruppen-Hitlergrüßen.
Die AfD behauptet ihre Teilnehmer_innen seien klar dem bürgerlichen Lager zuzuordnen und extremistischer Trittbrettfahrer_innen würden ausgeschlossen. Die Thüringer NPD veröffentlicht jedoch auf ihrer Facebookseite ein Foto, das den Landesvorsitzende der NPD, Tobias Kammler, und Mitglieder des Landesvorstandes mit dem Banner "Asylbetrug macht uns arm!" tragend zeigt. (MDR, Vice, Crowdcounting)
AfD Demo in Dresden am 24.09.2015
Die Veranstalter_innen sprachen von knapp 1000 Teilnehmer_innen, die Initiative „Durchgezählt“ kam auf 450 bis 550 Teilnehmer_innen.
Frauke Petry hielt eine Rede. Sie warf der Bundesregierung unter anderem vor, in der Flüchtlingspolitik die Kontrolle komplett verloren zu haben. Es gehe nun darum, auf der Straße mehr politischen Druck auf die Regierenden zu erzeugen. Der Generalsekretär der sächsischen AfD, Uwe Wurlitzer, kündigte regelmäßige Demonstrationen seiner Partei ab sofort überall im Freistaat an. (Sächsische Zeitung)
Aber die AfD kann aber nicht nur Flüchtlingshetze: Beim sexistischen und homofeindlichen „Marsch für das Leben“ lief die christlich-fundamentalistische AfD-Europaabgeordente Beatrix von Storch in der ersten Reihe. Mehr dazu im „Monatsüberblick September 2015: Homofeindlichkeit und Sexismus“.
Pegida-Demonstrationen
gab es leider auch noch:
07.09.2015
- Dresden, Pegida 4600 bis 5000 (SZ)
- Leipzig, Legida 500 vs. 1100 Gegendemo (LVZ)
- Berlin, Bärgida unter 100 (TS)
14.09.2015
- Dresden, Pegida 5700 bis 6200 (Durchgezählt)
- Leipzig, Legida 700 bis 900 vs. 1450 Gegendemo (ND)
- Berlin, Bärgida 100 vs. 300 Gegendemo (TS)
- Schwarzwald-Baar-Heuberg, SBH-Gida 100 vs. 500 Gegendemo (SK)
19.09.2015
- Gera, Thügida 330 vs. 650 Gegendemo (ND)
21.09.2015
- Dresden, Pegida 6400 bis 7000 (Durchgezählt)
- Leipzig, Legida 700 bis 900 vs. 1500 nach 500m blockiert (LVZ)
- Berlin, Bärgida
- Bielefeld, Biegida 20 vs 3500 Gegendemo (NOZ)
- Boizenburg (Elbe), MVGida 200 (Endstation-Rechts)
23.09.2015
- Leipzig, Legida 400 (LVZ)
28.09.2015
- Dresden, Pegida 7100 bis 7500 (Durchgezählt)
- Leipzig, Legida 700 vs. mehrere Hundert (MZ)
- Ronneburg, Thügida 350 vs. 70 Gegendemo (OTZ)
- Berlin, Bärgida
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