In einer Zeit, in der europaweit rassistische Bewegungen gegen Geflüchtete und Muslime hetzen und vor dem drohenden „Volkstod“ warnen, erhält die Idee eines „bewaffneten Kampfes“ zum Erhalt der „arischen Rasse“ im „Blood & Honour“- und „Combat 18“-Milieu neue Aktualität und auch Aufwind.
Von Samira Alshater
Jahrelang galt die elitäre und ultra-rassistische Neonazi-Organisation „Blood & Honour“ („Blut und Ehre“, B&H) und ihr noch militanterer Flügel „Combat 18“ („Kampfgruppe Adolf Hitler) als eine der bedeutendsten rechten Terrorzellen in Deutschland - bis mit „Blood & Honour“ auch „Combat 18“ im Jahr 2000 verboten wurden. Verschwunden ist das Netzwerk seither allerdings nicht – vielmehr verfolgen die Aktivist_innen ihr Ziel, die Vorherrschaft der „weißen Rasse“ in einem Führerstaat nach nationalsozialistischer Prägung, im Untergrund weiter. In jüngster Zeit sind verstärkt Aktivitäten des Netzwerkes in Deutschland wahrnehmbar. So griff die Bundespolizei mit Hilfe der GSG9 in September 2017 ein Dutzend Neonazis aus dem C18-Umfeld an der Deutsch-Tschechischen-Grenze auf. Sie hatten gerade ein Schießtraining im Nachbarland absolviert.
“Einzelne terroristische Aktionen, Anschläge und Gewalttaten, auch selbstmotivierter Einzeltäter, müssen in Betracht gezogen werden”, so Stephan Kramer, Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, gegenüber Belltower.News.
"Trotz Verbot nicht tot!": Beliebter B&H-Slogan nach dem Verbot 2000. Quelle: Recherche Nord
Der B&H-Gründer: Ian Stuart Donaldson, Sänger der rechtsextremen britischen Band „Skrewdriver“
„Blood & Honour“ entstand in den 80er Jahren in England. Gegründet wurde die Neonazigruppe von Ian Stuart Donaldson, dem Sänger der rechtsextremen Band „Skrewdriver“. Donaldson und „Skrewdriver“ genießen bis heute Kultstatus in der extrem rechten Szene und werden unter anderem im eigenen Versandhandel von NPD-Vize, Thorsten Heise, vertrieben. Mittlerweile verfügt B&H über Sektionen in den meisten europäischen Ländern, sowie in den USA, Kanada und Australien.
Bis zu ihrem Verbot 2000 hatte B&H strikte Regelungen für eine Mitgliedschaft: Bewerber_innen mussten mindestens 21 Jahre alt sein, für sie gab es eine Probezeit von sechs Monaten. Jugendliche konnten sich in der mittlerweile ebenfalls verbotenen Gruppe „White Youth“ einbringen.
Militante Neonazis im bürgerlichen Gewand
Laut bayerischem NSU-Untersuchungsausschuss, wurden Konzepte in B&H-Schulungsveranstaltungen vorgestellt, in denen rechtsextreme Aktivist_innen angeleitet wurden, wie sie sich zu verhalten haben:
„Eine scheinbar bürgerliche Existenz sollte die Basis bilden, um aus dem Verborgenen heraus operieren zu können. Waffen sollten im Ausland beschafft werden und zellenartige Widerstandsgruppen netzartig die BRD überziehen.“
„Blood & Honour“: Hass-Musik und Rechtsrock-Konzerte
„Blood & Honour“ dient dazu, ein profitables Geschäft – Musik, Konzerte, rechtsextreme Erlebniswelt – aufzuziehen und zu dominieren. Obwohl das Netzwerk in Deutschland verboten ist, gibt es bis heute in der Bundesrepublik Bands, Musikproduzenten, Versände und Personen-Zusammenschlüsse, die dem internationalen B&H-Netzwerk angeschlossen sind, beziehungsweise sich in den Zusammenhang von B&H stellen und sich mit dem „Mythos“ von B&H umgeben. Die Einnahmen durch das Musikgeschäft fließen zurück an die Neonazi-Szene. Einer der größten Nutznießer dürfte „Combat 18“ sein.
„Combat 18“: Der militante Flügel
Der bewaffnete Arm von B&H, „Combat 18“, propagiert einen „führerlosen Widerstand“. In dem Artikel „Der politische Soldat“ hieß es in der B&H-Zeitschrift „Totenkopf Magazin“ 2002:
„Combat 18 arbeitet nach der Methode des führungslosen Widerstandes, das bedeutet dass die einzelnen Zellen oder Personen sich nicht kennen und unabhängig voneinander arbeiten und keiner zentralen Führungsstelle Bericht erstatten. Es darf nicht die Struktur einer Befehlskette entstehen, denn es könnte ein Glied dieser Kette schwach sein und somit die ganze Organisation schwächen.“Konspirative und eigenständige C18-Zellen sollen mittels Bombenanschlägen und Exekutionen einen Rassenkrieg auslösen. C18 war vor allem in den 1990er Jahren aktiv und wird für Bombenanschläge, Morde und Mordversuche verantwortlich gemacht. Mit der Aura von Gewalt und Terror wurde C18 zu einem Label, dessen sich unterschiedliche Neonazis bedienten, die ein gewaltsames Vorgehen befürworten.
Im April 1999 erschütterte eine Serie von Bombenanschlägen die britische Hauptstadt London. Durch die Explosion einer Bombe am 30. April 1999 in Soho starben eine Schwangere und zwei weitere Personen. Insgesamt wurden bei der Explosion 79 Personen verletzt, viele davon schwer. Der Täter wird dem C18-Netzwerk zugerechnet. Quelle: Recherche Nord
Szeneinterner Streit
C18 wurde in den 1990er Jahren in England gegründet. Maßgebliche Führungsperson waren damals Paul „Charlie“ Sargent und William James „The Beast“ Browning. Ende der 90er Jahre zerstritten sich die Führungskader. In Folge der Auseinandersetzung tötete ein Gefolgsmann Sargents einen Anhänger Brownings. Dieser szeneinterne blutige Streit lähmte die C18-Strukturen europaweit über Jahre.
Browning (Mitte), Robin Schmiemann (Links)
C18 Reunion
Laut eines Beitrags im „Antifaschistischen Info-Blatt“ Nr. 118 aus diesem Jahr, kamen im März 2012 europäische Führungskader von C18 in Schweden im Rahmen eines Konzertes mit der Dortmunder Band „Oidoxie“ zusammen und beschlossen eine Neustrukturierung. Auch das damals zerrüttelte Verhältnis zur Neonazi-Bruderschaft “Hammerskins” wurde neue geregelt. Diese hatten seit dem Verbot 2000 in Deutschland versucht, die hinterlassene Lücke von B&H zu füllen. Während dieser Neuordnung wurde auch eine gemeinsame internationale Kasse eingerichtet, in das jedes C18-Mitglied im Monat 10 Euro einzahlen müsse. Überwiesen würde das Geld an ein niederländisches Paypal-Konto.
Vorwiegend finanziert sich „Combat 18“ allerdings aus dem Rechtsrock-Musikgeschäft und gilt als Organisator beziehungsweise Nutznießer zahlreicher Rechtsrock-Konzerte aus dem Netzwerk von „Blood & Honour“.
„Oidoxie“ und die C18-Zelle „Oidoxie-Streetfighting-Crew” aus Dortmund
Eine Schlüsselfigur in der deutschen „Combat 18“-Szene kommt der Band „Oidoxie“ (gegründet 1995) und ihrem Sänger Marko Gottschalk zu. Ab 2003 galt Gottschalk als ein C18-Führungskader in Deutschland. Ein Jahr darauf entstand aus dem Umkreis der Band die C18-Zelle „Oidoxie-Streetfighting-Crew“, deren Umfeld Verbindungen zum rechtsterroristischen NSU hatte. Die Crew begleitet die Band zu Konzerten, übernahm den „Saalschutz“ und gilt als Vernetzungs-Organ.
„Oidoxie“ macht in ihren Songs kein Geheimnis aus ihrer Nähe zu C18. In ihrem Song „Terrormachine Combat 18“ heißt es beispielsweise:
“Fighting for our nation, fighting against the scum, if you see the hate in our face you should better run. Fighting for better nations, we want our cities clean. This is the terrormachine, this is combat 18. Terrormachine combat 18 […]. Hail to Combat 18, hail to the Terrormachine.”
Marko Gottschalk (Mitte)
NSU-Terror erinnert an C18
Auch das rechtsterroristische NSU-Trio wurde 1998 vom LKA Thüringen zum „harten Kern“ der „Blood & Honour-Bewegung“ in Jena zugerechnet. Und tatsächlich erinnert das kaltblütige Vorgehen von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos an den bewaffneten Kampf von „Combat 18“. So heißt es in einer Terroranleitung von C18, die Kämpfer_innen sollen „Todeslisten“ führen, in kleinen Zellen operieren, Nagelbomben gegen Migrant_innen einsetzen und keine Bekennerschreiben hinterlassen. All diese Komponenten weist auch das mordende Terrortrio auf: Es hinterließ keine Bekennerschreiben, es führte Listen möglicher Anschlagsopfer, verübte einen Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße.
Internationale Vernetzung
Trotz Verbot kooperieren die deutschen Neonazis von B&H eng mit internationalen Kadern. So war beispielsweise Wiliam Browning, der seit Mitte der 90er Jahre in England als Führungsfigur von C18 galt, 2016 bei Neonazi-Aufmärschen in Dortmund zu Gast – stets an der Seite von Marko Gottschalk und NPD-Vize Thorsten Heise. Heise gilt laut „Lotta Magazin“ in Deutschland als C18-Verbindungsmann.
Brown und Thorsten Heise
Eine Gruppe führender Aktivisten aus dem polnischen „Blood & Honour“-Milieu besuchte im Juli 2017 ein Rechtsrock-Festival im thüringischen Themar. Dieselbe Gruppe sagte jüngst ein B&H-Konzert in Polen ab, offenbar um dem parallel stattfinden (an Adolf Hitlers Geburtstag) Neonazi-Festival in Ostritz von Thorsten Heise keine Konkurrenz zu machen.
Die Anwesenheit internationaler Vertreter_innen von B&H in Deutschland in letzter Zeit zeigt auch die Bedeutung der Bundesrepublik im Bezug auf die strategischen Überlegungen von Combat 18
„Aufrüstung“ durch körperliche Fitness, Disziplin, Kampffähigkeit und Kampfbereitschaft
Mittlerweile gehören nicht nur konspirative Rechtsrock-Konzerte in das Repertoire der extrem rechten Erlebniswelt, immer wichtiger scheinen Kampfsportevents für die Szene zu werden. Ringkämpfe mit Hooligan- und Neonazi-Kämpfern aus unterschiedlichen europäischen Ländern scheinen ideale Orte zum Vernetzen zu sein. Neben ihrer „Waffenaffinität“ rüste sich die gewaltbereite rechtsextreme Szene zusätzlich durch „körperliche Fitness, Disziplin, Kampffähigkeit und Kampfbereitschaft“ aus, so Stephan Kramer, Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, gegenüber Belltower.News.
Auch auf dem zweitägigen Neonazi-Event von Thorsten Heise in Ostritz ist ein Show-Kampf des extrem rechten “Kampf der Nibelungen” geplant. Und auch anhand der eingeladenen Bands (unter anderem „Oidoxie“) kann man bei dem „Schild und Schwert Festival“ von einer „Blood & Honour“- beziehungsweise einer „Combat 18“-nahen Veranstaltung sprechen. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die Einnahmen des rechtsextremen Festivals an die B&H-Strukturen fließen werden.
„Trend zur Radikalisierung“
Nach Erkenntnissen Stephan Kramers, befindet sich die extrem rechte Szene in Deutschland derzeit im Wandel. Zwar nehme das „zurechenbare Personenpotential“ rechtsextremer Organisationen wie der NPD oder der „Europäischen Aktion“ ab, gleichzeitig sei jedoch ein anhaltender Trend zur Radikalisierung der rechten Szene zu beobachten. „Ausdruck dafür ist auch das unverändert hohe Niveau politisch motivierter Gewalttaten.“