Ob rechtsextreme Parteien im Landtag für ihre Positionen Erfolge verbuchen können hängt maßgeblich vom Umgang der nicht-rechten Parteien mit Propaganda-Versuchen von NPD-Vertretern und Co. ab. Die Landtage in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben diesbezüglich Erfahrungen gesammelt.
Von Till Kahnt
Seit dem Einzug der NPD in die Landesparlamente von Sachsen im Jahre 2004 und Mecklenburg-Vorpommern 2006 hat sich die Debatte um dem Umgang der etablierten demokratischen Parteien mit den gewählten Vertretern vom rechtsextremen Rand zu einem der Schlüsselthemen der parlamentarischen Arbeit entwickelt.
Besonders die NPD, welche in ihrem Programm dezidiert antidemokratisch und geschichtsrevisionistisch auftritt, verfolgt das Ziel, sich über die parlamentarische Arbeit ein öffentlichkeitswirksames Profil zu erarbeiten. Dabei versucht die NPD, als engagierte und ganz im Dienst der einfachen Bürger stehenden Partei zu erscheinen, welche von den etablierten Parteien abgelehnt und behindert, letztlich „diskriminiert“ würde. Adressaten der Öffentlichkeitsarbeit sind dabei neben dem eigenen Wählerklientel die politischen Gegner, welche durch die offene Präsenz der Partei eingeschüchtert werden sollen.
Ob eine extrem rechte Kraft sich dauerhaft auf Landesebene etablieren kann hängt stark von der Haltung der demokratischen Parteien ab. Diese müssen nach einem geeigneten und angemessenen Umgang etwa mit der NPD in den Parlamenten suchen. Oberstes Ziel ist dabei immer, eine schleichende Normalisierung rechtsextremer Positionen zu verhindern, wie sie durch andauernde politische Präsenz entsteht, und damit letztendlich der Etablierung der NPD in der bundesdeutschen Parteienlandschaft entgegenzutreten.
Konkrete Strategien
Am Beispiel des sächsischen Landtags lässt sich exemplarisch verfolgen, wie die anderen Parteien auf die für sie neue Situation reagierten und wie sich das Verhalten gegenüber der extremen Rechten im Laufe der Zeit veränderte.
Die ersten Reaktionen nach der Wahl und die darauf folgenden Auseinandersetzungen mit der NPD im Landtag waren zwar von einem grundsätzlichen Problembewusstsein, aber auch großer Ratlosigkeit in Bezug auf einen angemessenen Umgang mit der extremen Rechten gekennzeichnet. Die Politiker waren verunsichert, weil die Vorgänge im sächsischen Landtag plötzlich mit gesteigerter Aufmerksamkeit verfolgt wurden, ihnen aber Erfahrung im parlamentarischen Umgang mit Rechtsextremen fehlte.
Unter dem Eindruck der gezielten Provokationspolitik der NPD, welche sich insbesondere an der demonstrativen Nichtteilnahme an der Schweigeminute für die Opfer der Shoah sowie einem Eklat durch einen Antrag zu den Luftangriffen der Alliierten auf Dresden zeigte, gelang es Ende Januar 2005, alle im sächsischen Landtag vertretenen demokratischen Fraktionen unter einer gemeinsamen Erklärung („Demokratischer Konsens“) zu vereinen.
Die Eckpunkte der darin vorgestellten Strategie sahen insbesondere vor:
- der NPD möglichst wenig Raum zur Darstellung ihrer Ansichten zu bieten und sich deshalb auf keinerlei längere Diskussionen einzulassen.
- Rechtsextreme Aussagen und Argumente nie unkommentiert zu lassen, aber immer nur einen Vertreter der demokratischen Parteien auf den jeweiligen Antrag antworten zu lassen. Damit sollte möglichst versucht werden, geschlossen als demokratische Fraktionen der NPD entgegen zu treten.
War in Sachsen erst der Eklat um die „Bombenholocaust“-Rede des Abgeordneten Jürgen Werner Gansel nötig, um alle Parteien bis in den rechten Flügel der CDU hinein von einer Abgrenzungspolitik gegenüber der NPD zu überzeugen, war das Vorgehen der demokratischen Fraktionen im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern von Beginn an bedeutend professioneller und damit auch erfolgreicher. Die Strategie des geschlossenen Vorgehens gegen die NPD wurde von Anfang an angewandt, wobei insbesondere die Rolle der in Mecklenburg-Vorpommern oppositionellen CDU von einem größeren Problembewusstsein gegenüber extrem rechten Parteien zeugt, als dies bei ihrer Schwesternfraktion in Sachsen der Fall ist.
Die Haltung der CDU ist es auch, welche ein dauerhaftes, einheitliches und damit letztlich erfolgreiches Vorgehen gegen die NPD im sächsischen Landtag fragwürdig erscheinen lässt. Parteipolitische Winkelzüge und insbesondere die Gleichsetzung der NPD mit der Partei Die Linke vor allem in jüngerer Zeit führen dazu, dass die NPD immer wieder als gleichberechtigte oppositionelle Kraft wahrgenommen wird.
Die Strategien der Abgeordneten in den angesprochenen Landtagen mit NPD-Präsenz müssen im Licht der in diesem Jahr anstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen kritischer denn je betrachtet werden. Es fällt auf, dass trotz aller Bemühungen um Zusammenarbeit der demokratischen Fraktionen die extreme Rechte davon profitiert, dass insbesondere im Angesicht anstehender Wahlen Abgrenzungs– und Profilierungspolitik das Handeln aller Parteien bestimmt und sich so ein demokratische Konsens gegenüber der NPD nur schwer herstellen lässt. Besonders die CDU, die Teile ihrer potentiellen Wählerschaft an die NPD verlieren kann und darüber hinaus mit Blick auf die anstehenden Bundestagswahlen 2009 um einen deutlichen Abgrenzungskurs gegenüber der SPD bemüht ist, scheint eine eindeutige Positionierung gegenüber der extremen Rechten eher zu scheuen.
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Zum Thema:
| Schwerpunkt: Neonazis im "Superwahljahr" 2009
Strategien von und gegen NPD und Co.
Zum Weiterlesen:
Die NPD im Sächsischen Landtag. Analysen und Hintergründe 2008. Herausgeber: NiP (Nazis in Parlamenten) Redaktionskollektiv, Weiterdenken - Heinrich Böll Stiftung Sachsen, Heinrich Böll Stiftung. Dresden, November 2008.
| nip.systemli.org
| www.weiterdenken.de (unter Publikationen)
| www.boell.de
Berliner Erfahrungen. Zwei Jahre demokratischer Auseinandersetzungen mit Rechtsextremen in kommunalen Gremien. Herausgeber: Verein für demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK). Berlin im Dezember 2008.
| www.mbr-berlin.de
Die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. Strategie und Ideologie. Herausgeber: BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Fraktion im Sächsischen Landtag. Bezug über publikationen@gruene-fraktion-sachsen.de