Wissen Sie, was Bremerinnen und Bremer und die Ureinwohner Amerikas gemeinsam haben? Die NPD weiß es und hat deshalb zur Bürgerschaftwahl am Sonntag ein aufrüttelndes Video gedreht. Es ist nicht das einzige absurde Wahlkampfmittel der rechtsextremen Partei, die sich im Moment auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit nur noch durch Aufmerksamkeitsheischen zu helfen weiß.
Von Simone Rafael
Am Sonntag wird in Bremen eine neue Bürgerschaftsvertretung gewählt. Für die NPD ist es mal wieder eine Wahl mit Symbolcharakter: Erstens für die Sinnhaftigkeit der – rechtlich noch nicht vollzogenen - Vereinigung von NPD und DVU: Schließlich war die DVU in Bremerhaven bisher durchaus erfolgreich. Zweitens, weil seit vierzig Jahren die NPD in keinem westdeutschen Landtag mehr vertreten war. Und dann könnte die NPD auch nach der Wahlschlappe in Sachsen-Anhalt im März mal wieder einen Erfolg gebrauchen. Problem: Die NPD ist in Bremen nicht gerade beliebt. Ihre Lösung: Provokationen aller - auch der einfältigsten - Art.
Die Aufräumer
Sauberkeit und Ordnung sind für die NPD argumentati v von zentraler Bedeutung - auch wenn ihre Mitglieder gemeinhin eher als politische Schmuddelkinder wahrgenommen werden und dazu nicht nur durch ihre hetzerischen Argumentationen, sondern auch durch die Straftaten diverser nicht immer gesetzestreuer Funktionäre aktiv beiträgt. Nichts desto trotz liebt die NPD die „Räumt auf“-Metapher so sehr, dass sie sie – Erfolglosigkeit zum Trotz – wieder und wieder verwendet.
Zur Wahl in Sachsen-Anhalt hieß es etwa in einem Computerspiel „Heyder räumt auf“ – hier machte sich der Spieler oder die Spielerin mit dem dortigen NPD-Spitzenkandidat Matthias Heyder mit einem Besen daran, die „Altparteien“ aus dem Landtag zu fegen und in Level 2 mit einem Gewehr auf bösen Genmais und den bösen Euro (vs. D-Mark) zu schießen.
Den Bremern scheint diese Variante nicht provokativ genug gewesen zu sein – immerhin hatte die NPD in Sachsen-Anhalt ja auch mit 4,6 Prozent der Stimmen den Einzug in den Landtag nicht geschafft. Deshalb legte die NPD Bremen im ähnlich benannten Spiel „Faust räumt auf“ eine Hetzstufe drauf: Matthias Faust, ehemaliger DVU-Chef und aktueller NPD-Spitzenkandidat in Bremen, kämpft unter Verwendung unterster rassistischer Klischees gegen böse MigrantInnen und "SozialschmarotzerInnen". Volksverhetzend, sagte da die Bremer Staatsanwaltschaft, und die NPD war mit dieser erneuten Provokation offenbar hinreichend befriedigt, so dass sie ohne Murren Spiel und Fanseiten in sozialen Netzwerken auf der Stelle wieder entfernte.
Die nationale Indianerpartei
Doch das Spiel ist bei weitem nicht das einzige Mittel, mit dem Matthias Faust potenzielle Wählerinnen und Wähler überzeugen will. Wer seine Website besucht, kann sich auch einen zauberhaften Film namens „Multi-Kulti-Wahn beenden“ ansehen, in dem sich die NPD quasi als „Nationale Indianerpartei“ präsentiert: Denn der Animationsfilm erzählt, Geschichte lässt sich ja verbiegen , dass die Ureinwohner Amerikas zu den ersten Einwanderern zu freundlich gewesen seien, bis es so viele geworden waren, dass sie im Reservat leben müssen – und so, so die bange NPD-Vision der Zukunft, wird es den Bremerinnen und Bremern auc h bald gehen – weshalb am Ende auch eine Indianerfamilie Bremer Opas empfiehlt, doch die NPD zu wählen. Wer so viel Wahnsinn am Ende zumindest Kreativpunkte gegen möchte, dem sei gesagt: Die schräge Metapher ist keine NPD-Idee, die rechtspopulistische „Lega Nord“ in Italien argumentiert schon länger so.
Alles Linke außer ...
Für die Ansprache von Erst- und Jungwählern und –wählerinnen entschied sich die NPD – diesmal unter Federführung von Wahlkampfleiter Jens Pühse - dann allerdings für eine eher altmodische Anspracheform, nämlich den Brief. Und was erfahren die jungen Menschen im Anschreiben der NPD? Pühse drückt auf die Tränendrüse: „Wir seien ausländerfeindlich, antisemitisch, undemokratisch, neonazistisch, rassistisch, gewaltverherrlichend, ewiggestrig und militaristisch, behaupten die oben Genannten [gemeint ist das Anti-Nazi-Bündnis „Keinen Meter!“] und die etablierten Medien gleichermaßen. Sie sprechen bei unserem Gedankengut von „geistigem Unrat“ und „brauner Soße“, was im Ergebnis zu Krieg und Gewaltherrschaft führen würde. Belegt haben sie dies freilich nie (…)“. Gemein! Aber hat das nicht bereits das NS-Regime getan?
Aber was ist die NPD denn nun, wenn das alles nicht? Dazu verliert Pühse leider keine inhaltlichen Anmerkungen. Einziges „Argument“: Die NPD sei die einzige „Auswahlmöglichkeit“, alle anderen Parteien seine „verkappte Linksparteien“. Auf alle Fälle ist in der NPD Bremen offenbar ein schlechter Dichter versteckt, denn der Brief ist übertitelt mit: „Ihr werdet’s nicht vermuten, wir sind die Guten!“ Ein Flugblatt im Wahlkampf ist, im Versmaß besser, im Inhalt schlimmer, betitelt mit: „Ist der Ali kriminell, in die Heimat, aber schnell!“
Pühse versus Werder
NPD-Wahlkampfleiter Jens Pühse wiederum nutzt seit Monaten seine Mitgliedschaft im Fußballbundesligaverein Werder Bremen, um zunächst seine Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit zu demonstrieren und zu suggerieren, der Verein habe kein Problem mit rechtsextremen Anhängern. Dann mokierte er sich über den Ausschluss, den der Verein ihm androhte. Und freute sich auf eine neue Propaganda-Möglichkeit, weil im Ausschluss-Verfahren vorgesehen ist, dass der Betroffene in einer öffentlichen Anhörung dazu Stellung nehmen dürfe. Auf Facebook spottet Pühse am 16. Mai: „Ich bin erfreut, daß das Präsidium ganz offensichtlich meinen Argumenten gefolgt ist und vom Vereinsausschluß Abstand genommen hat.“ Er sei nicht, wie angekündigt, zum 03. Mai ausgeschlossen worden, der Mitgliedsbeitrag sei abgebucht worden und es habe auch keine Einladung zu einer Anhörung, „wie dies für den Fall eines Ausschlußverfahrens gemäß § 10 Abs. 4 der Satzung vorgesehen ist“. Dies tat der Verein allerdings mit Bedacht, wie Endstation rechts berichtet: Er will Jens Pühse kein weiteres Wahlkampfpodium bieten und hört ihn erst nach dem Wahlsonntag an.
Zum Glück keine guten Aussichten
In Bremen, so sagen aktuelle Prognosen, wird die NPD mit all dieser Propaganda zum Trotz nicht über 3 Prozent der Stimmen kommen. Allerdings reichen rund 2.000 Stimmen, um in Bremerhaven die Fünfprozenthürde zu überwinden – und damit wäre ein Platz in der Bürgerschaft sicher. Dies war bisher der auch der Weg, über den die DVU 1999, 2003 und 2007 einen ihrer Kandidaten, nämlich Siegfried Tittmann, in die Bremer Bürgerschaft bekam. Allerdings trat Siegfried Tittmann 2007 aus der DVU aus, saß dann als unabhängiger Rechtspopulist in der Bürgerschaft. Er gründete 2007 eine neue Kleinstvereinigung: „Protest der Bürger“. Als Vertreter dieser Vereinigung tritt Tittmann auch zur Bürgerschaftswahl 2011 an. Der NPD-Herausforderer im Rechtsaußen-Spektrum ist nun der altgediente Kameradschaftsvertreter und NPD-Kader Jens Pühse. Matthias Faust nützt es dagegen nichts, dass er seit der – rechtlich noch nicht abgeschlossenen – Fusion von NPD und DVU NPD-Vizechef ist. Er kandidiert auf Platz 1 der NPD-Liste in Bremen - einem ziemlich aussichtslosen Posten.
Ergänzung 23.05.2011:
Genutzt hat der NPD der Wirbel nicht - sie haben sich in Bremen ordentlich blamiert. Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen am Wochenende kam die NPD nur auf 1,9 Prozent der Stimmen. Selbst in Bremerhaven waren es nur 2,3 Prozent - sie ist damit nicht in der neuen Bürgerschaft vertreten. Erfolgreicher war die rechtspopulistische Vereinigung "Bürger in Wut". Sie kam in Bremerhaven auf 7,1 Prozent, im Land Bremen auf 3,7 Prozent) und sitzt damit in der Bremer Bürgerschaft (Alle Ergebnisse bei Landeswahlleiter).
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