31.10.2012 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Urteil: Polizisten dürfen Menschen nicht allein wegen ihrer Hautfarbe unter Verdacht stellen +++ Verfassungsschutz: Starke Veränderungen in der rechtsextremen Szene +++ NSU-Ausschuss soll nach Bundestagswahl weiterarbeiten.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Urteil: Polizisten dürfen Menschen nicht allein wegen ihrer Hautfarbe unter Verdacht stellen

Der Rechtsstreit um die Kontrolle eines Deutschen dunklerer Hautfarbe durch Beamte der Bundespolizei ist durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet worden, nachdem Vertreter der Bundespolizei sich für die Kontrolle im Zug entschuldigt haben. Damit ist klar: Polizeikontrollen nur aufgrund der Hautfarbe verstoßen gegen das Grundgesetz. Der Kläger, ein 26-jähriger Deutscher, wurde auf einer Zugfahrt von Kassel nach Frankfurt am Main von zwei Bundespolizisten angesprochen und aufgefordert, sich auszuweisen. Dies verweigerte er. Daraufhin durchsuchten die Polizisten seinen Rucksack vergeblich nach Ausweispapieren und nahmen ihn mit zu ihrer Dienststelle nach Kassel, wo seine Personalien festgestellt werden konnten. Die Beamten beriefen sich auf eine Vorschrift des Bundespolizeigesetzes, wonach die Bundespolizei zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet in Zügen jede Person kurzfristig anhalten, befragen und von ihr die Aushändigung mitgeführter Ausweispapiere verlangen kann, soweit aufgrund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, dass der Zug zur unerlaubten Einreise genutzt werde. "Dieses Ergebnis ist ein Meilenstein für die juristische Einordnung des so genannten Racial Profiling als rechtswidrig. Dieses Verfahren hat weitreichende Signalwirkung für die Praxis der Bundespolizei", so der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der den Kläger vertritt. (Publikative.org, taz, Tagesspiegel)

Verfassungsschutz: Starke Veränderungen in der rechtsextremen Szene

Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet ein Jahr nach der Entdeckung der Terrorzelle des Nationalsozialistischen Untergunds (NSU) starke Veränderungen in der rechtsextremen Szene. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sagte dem Sender SWRinfo am Dienstag, die Nazi-Szene sei verunsichert, viele Mitglieder hätten resigniert. "Von daher denke ich, dass wir schon einen Teil unseres Ziels erreicht haben", sagte Maaßen. Die Entdeckung der Terrorzelle habe bei den Sicherheitsbehörden zu spürbaren Veränderungen geführt, sagte Maaßen weiter. Sie hätten "den Rechtsextremismus als ein zentrales Problem, als ein zentrales Thema" erkannt. Dies hab zur Folge, dass die deutschen Neonazis vorsichtiger agierten oder sich Gruppen auflösten. (Focus Online) Unterdessen meint "Die Welt"“, die Macht der Rechtsextremen ein Jahr nach Auffliegen des NSU sei "überschätzt": "Sie haben weder eine Idee noch ein Programm, und ihr Sympathisantenkreis bewegt sich, von regionalen Ausnahmen abgesehen, im Promille-Bereich. Sie haben keine Chance, auch wenn sie versuchen, sie zu nutzen. Sie sind geborene Verlierer, und das ist freilich das Einzige, was sie gefährlich macht." (Welt Online)

NSU-Ausschuss soll nach Bundestagswahl weiterarbeiten

FDP und Linke machen sich für eine Fortsetzung der parlamentarischen Aufklärung des NSU-Falls nach der Bundestagswahl 2013 stark. "Ich bin der Überzeugung, dass der neu gewählte Bundestag den Untersuchungsausschuss in der kommenden Legislaturperiode wieder einsetzen sollte", sagte der Obmann der FDP in dem Gremium, Hartfrid Wolff, der Nachrichtenagentur dapd. Der bisherige Ausschuss solle daher eine entsprechende Empfehlung an den nächsten Bundestag aussprechen. Die SPD ist jedoch dagegen. So erklärte der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD): "Der Untersuchungsausschuss hat die Aufgabe, seine Arbeit in dieser Wahlperiode zum Abschluss zu bringen. Ich halte das für machbar." (Welt Online) Unterdessen hat die Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses, Charlotte Knobloch, eine zu schleppende politische Aufarbeitung der Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle NSU beklagt. "Es dauert sehr lang", sagte sie der Nachrichtenagentur dapd in München. "Da haben natürlich diejenigen, die diese Banden mindestens geistig unterstützen, viel mehr Optionen, neue Interessenten und Handlungsfelder zu finden." (Welt Online)

NSU: SPD sieht "multiples Versagen" des Staates

Ein Jahr nach der Aufdeckung der rechtsextremen NSU-Mordserie hält die SPD eine grundlegende Reform der deutschen Sicherheitsbehörden für notwendig. Die bisherige Aufarbeitung habe ein "multiples Versagen" des Staates offenbart, hieß es am Dienstag in Potsdam nach einer zweitägigen Konferenz der SPD-Fraktionen des Bundestags und der Länderparlamente. "In unserer Sicherheitsarchitektur stimmt vieles nicht", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann. Der Verfassungsschutz habe versagt, auch Staatsanwälte und Länderpolizeien hätten schwere Fehler gemacht. (Handelsblatt.com)

Video: Zwickau kämpft gegen braunes Image

Am 4. November 2011 explodierte in Zwickau das Wohnhaus der mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos. Auch wenn die rechtsextremistische Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" bundesweit aktiv war, ist der Name der Stadt Zwickau besonders mit ihr verbunden. (Sueddeutsche.de)

Wolgast: NPD plant rassistischen Fackelmarsch am 9. November

In Wolgast machen Neonazis seit Monaten Stimmung gegen ein neues Flüchtlingsheim. Nachts werden rechtsextreme Parolen geschmiert, tagsüber verteilen NPD-Mitglieder rassistische Flugblätter. Jetzt geht die Partei mit ihren Provokationen noch einen Schritt weiter. Ausgerechnet am 9. November, dem Tag der "Reichspogromnacht" der Nationalsozialisten, wollen sie mit einem Fackelmarsch vor dem Gebäude protestieren. Der "Störungsmelder" dokumentiert den Blockade-Aufruf des Bündnisses: "Rassisten Stoppen – Solidarität mit Flüchtlingen!". (Störungsmelder)

Mölln: Die Erinnerung zurück erkämpfen

Im November jähren sich die rassistischen Brandanschläge von Mölln, bei denen drei Menschen starben zum 20. Mal. Die überlebenden Familienmitglieder und ein neu gegründeter Freundeskreis haben deshalb verschiedene Gedenkveranstaltungen realisiert, darunter auch ein großes Konzert unter anderem mit dem Musiker Jan Delay. Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt das Projekt. (Mut gegen rechte Gewalt)

NPD-Demos: Gegenproteste in Chemnitz und Plauen, Eilanträge in Leipzig

Rund 250 Menschen haben am Dienstag in Chemnitz bei zwei Kundgebungen unter dem Motto "Asyl und Religionsfreiheit sind Menschenrecht" gegen Aktionen der NPD protestiert. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vertreten, um die beiden Lager vor der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber am Adalbert-Stifter-Weg sowie am Türkischen Kulturzentrum auf der Zieschestraße voneinander zu trennen. Sie hielt die Kundgebungen etwa 200 Meter auf Abstand. Am gleichen Tag demonstrierten auch in Plauen rund 150 Menschen gegen eine Kundgebung der NPD vor dem Asylbewerberheim. (Freie Presse, MDR Online, Endstation Rechts) Unterdessen hat die rechtsextreme Partei das Verwaltungsgericht wegen der für Donnerstag geplanten Demo in Leipzig eingeschaltet: Mit zwei Eilanträgen will sich die NPD gegen die von der Stadt erteilten Auflagen wehren. Mit den Eilverfahren am Verwaltungsgericht will die NPD laut einer Gerichtssprecherin erreichen, dass Lautsprecher und Megaphone während der beiden Demonstrationen in Wahren und unweit der Al-Rahman-Moschee in der Roscherstraße ohne Einschränkungen eingesetzt werden dürfen. Das hatte die Stadt in ihren am Montag erteilten Auflagen untersagt. Elektronische Schallverstärker sind demnach nur dann zugelassen, wenn mehr als 30 Personen an den Kundgebungen teilnehmen. Die NPD rechnet offenbar jedoch nur mit der Hälfte. (Leipziger Volkszeitung)

Bayern: Wunsiedel verbietet Nazi-Versammlung

Das Landratsamt Wunsiedel hat eine für den 17. November geplante Veranstaltung des rechtsextremen "Freien Netzes Süd" verboten. Der Aufmarsch in Wunsiedel am Vortag des Volkstrauertags sollte unter dem Motto stehen "Tot sind nur die, die vergessen werden". In dem Aufruf zu der Versammlung, der im Internet veröffentlicht wurde, werde ein "deutlicher Bezug zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft und sogar konkret zu der Person Rudolf Heß hergestellt", erklärte das Landratsamt am Dienstag. (Sueddeutsche.de)

NPD in Vorpommern hat keinen Anspruch auf Sparkassen-Konto

Die NPD-Kreisverbände Uecker-Randow und Ostvorpommern haben keinen Anspruch auf die Eröffnung eines Girokontos bei der Sparkasse. Das entschied das Oberverwaltungsgericht in Greifswald. Danach seien die beiden Kreisverbände nicht rechtswirksam gegründet worden, begründete das Gericht am Dienstag seine Entscheidung. Es fehle an einem entsprechenden Beschluss des Landesvorstandes. (Focus Online)

Göppingen: Die Kleinstadt bietet den Nährboden

Was ist da eigentlich in Göppingen los? Selbst bei der Tageszeitung "taz" im fernen Berlin stellt man sich mittlerweile diese Frage und hat einen Reporter mit Recherchen beauftragt. Die schwäbische Arbeiterstadt mit ihren 55.000 Einwohnern hat in manchen Straßenzügen ein Stadtbild, wie man es aus der ehemaligen DDR kennt. Doch als Hochburg des Rechtsextremismus, wie es sie heute in Orten im Osten der Republik gibt, war sie bislang nicht bekannt. Das hat sich dieses Jahr gründlich geändert. An Schulen tauchten Plakate und Flugblätter mit rechtsextremen Parolen auf. Es folgten fünf Kundgebungen und Demonstrationen. Warum ausgerechnet Göppingen zum Aufmarschgebiet geworden ist, darüber sei es müßig, zu spekulieren, sagt die Sozialbürgermeisterin Gabriele Zull (parteilos). "Als Stadt setzen wir keinen Grund. Aber wir müssen damit umgehen." Gerade mal auf ein Dutzend Beteiligte schätzt der Staatsschutz die örtliche Naziszene. Doch diese wenigen, sie sind gut vernetzt. (Stuttgarter Zeitung) Das zeigte sich nicht zuletzt bei der vergangenen und auch bislang größten Demo Anfang Oktober: Da marschierten 150 Neonazis, beschützt durch 2.000 Polizeibeamte, durch die Innenstadt. Der Polizeieinsatz hatte heftige Kritik hervorgerufen. Mit Hinblick darauf forderte der örtliche CDU-Kreisvorstand nun mehr Respekt vor der Polizei und fügte hinzu: "Die CDU ist die einzige Partei in Deutschland, die den über lange Jahre gültigen antitotalitären Konsens nicht aufgekündigt hat. SPD und Grüne dagegen rollen antifaschistischen Schlägerbanden den roten Teppich aus, indem sie Kooperationen eingehen und Bündnisse mit linksextremen Gruppierungen schließen. Die verheerenden Folgen dieser falschen Toleranz konnte man in Göppingen erleben." (Südwest Presse)

Harsche Kritik an den Westfalenhallen wegen Frei.Wild-Konzert

Harsche Kritik hagelt es in Richtung Westfalenhallen, nachdem die umstrittene Band "Frei.Wild" aus Südtirol in der großen Halle am Donnerstag, 1. November, auftritt. "Keine städtischen Hallen für rechte Bands", fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie wollen das Konzert der Band Frei.Wild in der nächsten Sitzung des Aufsichtsrats der Westfalenhallen thematisieren. "Viele Menschen in Dortmund wehren sich zunehmend mit Erfolg gegen die hiesige Nazi-Szene", so Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin der Grünen. "Die Stadt ist an vielen Stellen eindeutig und unmissverständlich gegen Rassismus und Nationalismus aktiv." Umso unverständlicher sei es, dass eine städtische Halle an eine Gruppe vermietet wird, die dafür kritisiert wird, dass sie in ihren Texten völkisch-nationalistische Botschaften verstecke. Es sei unerträglich, so Ratsmitglied Ulrike Märkel, "wenn in der Stadt, in der Mehmet Kubasik , der Punker Thomas Schulz und Polizisten von Nazis ermordet wurden, ungehindert Songs der CD 'Feinde deiner Feinde' laut gegrölt werden." (Der Westen)

"Lausitzer Rundschau" erhält Zivilcourage-Preis für Recherchen über Nazis

Die "Lausitzer Rundschau" hatte mehrfach kritisch über die Nazi-Szene in Spremberg berichtet. Auch als Redaktionsräume mit Parolen und Tier-Eingeweiden beschmiert wurden, gab das Blatt nicht klein bei. Dafür wurde Chefredakteur Johannes M. Fischer nun mit dem "Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus" geehrt. Fischer hatte nach den Einschüchterungsversuchen angekündigt, noch intensiver im rechtsradikalen Milieu zu recherchieren. Verliehen wird der Preis von der Jüdischen Gemeinde Berlin und dem Förderkreis für das Holocaust-Denkmal. (Tagesspiegel, Lausitzer Rundschau)

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