25.06.2012 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen:Berlin: Rechtsextreme spionieren geheime Personendaten aus +++München: Neonazi bedroht Italiener und attackiert Wachmann +++Dortmund: Sonnenwendfeuer und „Fackeleinzug“.

Die tägliche Pressesschau von netz-gegen-nazis.de

Berlin: Rechtsextreme spionieren geheime Personendaten aus

Der Pädagoge Hagen Bonnemann (Name geändert) engagierte sich jahrelang gegen Neonazis – auf Demonstrationen, in Initiativen und in seiner Gewerkschaft. Bonnemann, Anfang 30, lebt mit seiner Freundin und Tochter in Friedrichshain. Seine Anschrift hat er sperren lassen, seit sein Name im Internet auf einer Liste auftauchte, auf der Neonazis ihre „Feinde“ platzieren. Doch obwohl Bonnemann seine Meldedaten sperren ließ, wurden 2011 Morddrohungen in seinen Hausflur gesprüht. Vor einigen Tagen schmierten Unbekannte erneut Nazisymbole in den Aufgang. Wegen der „Feindesliste“ hat es kürzlich auch bei Sebastian Schmidtke, dem 26-jährigen NPD-Landeschef, eine Razzia gegeben. Bei ihm gefundene Computerdaten wertet die Polizei derzeit aus. Mehrfach waren Berliner, die auf dieser Liste stehen, Opfer rechtsextremer Schläger geworden. Die Opposition hatte von Innensenator Frank Henkel (CDU) im Januar mehr Schutz für Nazi-Gegner verlangt (Tagesspiegel).

München: Neonazi bedroht Italiener und attackiert Wachmann

Ein Rechtsextremist hat in der Münchner U-Bahn einen Fahrgast bedroht und später in der S-Bahn einen Wachmann attackiert. Der 45 Jahre alte Neonazi zückte ein Messer und forderte den Passagier zum Verlassen der Bahn auf. Der Italiener wechselte das Abteil, der Neonazi stieg in die S 2, wo er von Sicherheitsleuten kontrolliert wurde. Der Mann zog wieder ein Messer hervor und versuchte, es einem Wachmann gezielt in den Kopf zu rammen. Reflexartig konnte dieser den Angriff abwehren. Der Angreifer wurde festgenommen. Auf dem Polizeirevier grölte er rechtsextreme Parolen. (Welt online; Münchner Abenzeitung)

Berlin: Unbekannte beschmieren Häuserwände mit Hakenkreuzen

Unbekannte haben am Wochenende zahlreiche Häuser in Rummelsburg mit Hakenkreuzen und rechten Schriftzügen beschmiert. Bereits am Samstag entdeckte der Hausmeister einer Wohnanlage in der Sophienstraße insgesamt 44 Hakenkreuze an den Hauswänden, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Die Schmierereien waren den Angaben zufolge teilweise bis zu sechs Quadratmeter groß und in blauer oder brauner Farbe an die Wände gemalt worden. Der Staatsschutz des Landeskriminalamtes hat die Ermittlungen übernommen. (Welt online)

Dortmund: Sonnenwendfeuer und „Fackeleinzug“

Rund 150 Teilnehmer sollen über den Tag verteilt bei einer Feier von Neonazis zur Sommersonnenwende am Samstag in Dortmund mit von der Partie gewesen sein. Mit einem Infostand wurde während der Veranstaltung für die Neonazi-Demonstration Anfang August im niedersächsischen Bad Nenndorf geworben. Werbematerial gab es außerdem für den vier Wochen später folgenden Aufmarsch zum „Nationalen Antikriegstag“ in Dortmund. An der Veranstaltung teilgenommen hätten auch „die Mitglieder eines Naturschutzvereines“, behaupten die Dortmunder Neonazis. Beweise dafür gibt es nicht. (bnr.de)

Danzig: Nazis bei der EM

Nach dem Spiel der DFB-Elf gegen Griechenland in Danzig haben 50 bis 60 deutsche Fans im Zentrum am Neptunbrunnen rechtsradikale Parolen skandiert – nicht zum ersten Mal. Beim Spiel gegen Dänemark in der Vorrunde wurde ein Banner mit der Fraktur-Aufschrift „Gott mit uns“ gezeigt, das im Zweiten Weltkrieg auf den Gürtelschnallen der Wehrmachtssoldaten prangte, berichtet Schubert. Es soll sich um eine Zwickauer Gruppierung gehandelt haben. Entspannter Partypatriotismus sieht anders aus. In den Bussen, die die Fans in die Ukraine gebracht haben, soll es hoch her gegangen sein. In einem Bus soll nach dem Bericht eines Werder-Bremen-Fans das Lied angestimmt worden sein: „Wir bauen ein U-Bahn von Lemberg bis nach Auschwitz.“ Weiteres zweifelhaftes Liedgut: „Ha, ho, he, Faschisten SGD“ (SG Dynamo Dresden). Vor dem Auftaktspiel in Lemberg war auffällig, wie deutsche Fantrupps in kleinen Demonstrationszügen durch die Innenstadt liefen und immer wieder „Sieg!“ riefen – sowie: „Hurra, Hurra, die Deutschen, die sind da!“ – Sprechchöre, die zuletzt sogar Innenminister Hans-Peter Friedrich verurteilte. Die Rufe stehen vor allem in der Kritik, weil für viele Beobachter und Fans auf das laute „Sieg“ ein stummes „Heil“ folgt. In der Ukraine und Polen können solche Parolen auch nicht reiner Selbstzweck sein, denn der Bezug zu den Verbrechen der Nazis ist unmittelbar vorhanden. (taz)

Versicherung lässt linken Jugendtreff im Stich

Zweimal wurde das Haus der „Falken“ in Britz von Neonazis angesteckt, der Schaden belief sich auf 400.000 Euro. Jetzt hat die Versicherung der linken Jugendorganisation gekündigt. „Die zwei Brandstiftungsschäden im Abstand von nur fünf Monaten, bei denen die Täter nicht gefasst worden sind, bergen ein nicht kalkulierbares Risiko weiterer ähnlicher Schäden“, teilte die Versicherung dem Tagesspiegel auf Anfrage mit. Die Falken und auch das Landeskriminalamt vermuten Neonazis hinter den Attacken. Racheakte nach Angriffen auf NPD-Politiker, so wurde spekuliert. Wenn bis Jahresende keine neue Versicherung gefunden sei, hätten die Nazis ihr Ziel erreicht, sagt die ehrenamtliche Leiterin Mirjam Blumenthal. „Wenn die wissen, dass wir keine Versicherung haben, brennen die uns doch am 2. Januar nieder.“ Die Falken wollen sich nun mit einem 190 Meter langen Zaun schützen. Für die Kosten von 100 000 Euro sind sie auf Spenden angewiesen. Offenbar will der Bezirk Neukölln 30 000 Euro für den Zaun geben. Gerade erst bekamen die Falken und das Bündnis Neukölln das „Band für Mut und Verständigung“ verliehen. (Tagesspiegel)

Naziaufmarsch in Finsterwalde

Am vergangenen Samstag demonstrierten in der Mittagsstunde etwa 30 Anhänger der rechtsextremen NPD auf dem Marktplatz in Finsterwalde. Ebenso versammelten sich daraufhin etwa 50 Gegendemonstranten der linken Szene. Passanten zeigten sich sowohl erstaunt als auch erschüttert über diesen Aufmarsch. Im Voraus wurde keine Ankündigung für diese Demo veröffentlicht. Laut Polizeiangaben war die Demonstration ordentlich angemeldet und genehmigt. (Lausitzer Rundschau)

Berlin: 3000 Menschen protestieren beim CSD gegen Zweigeschlechterordnung, Rassismus und Sexismus

Zum 15. Mal zog die politische Variante des zeitgleich stattfindenden »großen« CSD nach Kreuzberg. Unter dem Motto »Lasst es glitzern: Antifaschistisch - Queerfeministisch - Antirassistisch - Solidarisch« waren am Nachmittag fast 3000 Menschen in Treptow gestartet, um gegen die Diskriminierung von Schwulen, Lesben und Menschen, die jenseits der Zweigeschlechterordnung leben, gegen Rassismus und Nationalismus zu demonstrieren. Dass auch der Kreuzberger CSD kein gewaltfreies Paradies inmitten einer diskriminierenden Gesellschaft ist, wurde erst 2011 auf schockierende Weise deutlich. Am Rande der Veranstaltung war eine Person vergewaltigt worden. Deshalb gibt es diesmal eine Gruppe, der Grenzüberschreitungen gemeldet werden. »Rassismus, klassistische Einlasspolitik und Grenzüberschreitungen gehören zum Alltag der vermeintlich glitzernden Queer-Community« sagt Saideh Saadat-Lendle von der Initiative LesMigraS (Lesbische/bisexuelle MigrantInnen und Schwarze Lesben und TransMenschen). Auch in der Szene müsse darum immer wieder über Diskriminierung gesprochen werden. Rund 80 Menschen haben in Berlin vor Beginn der Christopher Street Day Parade an die im Faschismus ermordeten Homosexuellen erinnert. An der Veranstaltung am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Schwulen und Lesben im Berliner Tiergarten gegenüber vom Holocaust-Mahnmal nahmen auch führende Bundespolitiker teil.  (ND)

Freiburg: Auftakt bringt kein Licht ins Dunkel

Hat der Ortenauer Neonazi Florian S. (29) im Oktober 2011 einen Menschen umbringen wollen? Oder hatte er Angst und fuhr deshalb einen vermummten Antifaschisten auf einem Parkplatz bei Riegel (Kreis Emmendingen) über den Haufen? Diese Fragen sind auch nach drei Verhandlungstagen und einer umfassenden Beweisaufnahme im Prozess vor dem Freiburger Landgericht noch ungeklärt. Dem Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft versuchten Totschlag in drei Fällen vor, weil er Anfang Oktober 2011 im Zusammenhang mit der Organisation einer Neonazifeier im Kaiserstuhl mit seinem Auto auf eine Gruppe von mehreren Mitgliedern der "Antifaschistischen Aktion" losgerast sein soll. Zwei junge Menschen konnten dem Auto im letzten Moment ausweichen, ein 21-jähriger Lehrling aus Stuttgart jedoch wurde erfasst und schwer am Kopf verletzt. Er hat immer noch Sprachstörungen und ist traumatisiert. Die linke Szene in Südbaden hat den Angriff von Anfang als Mordversuch gewertet. Auch der Anwalt des Verletzten, der als Nebenkläger auftritt, bringt diese Variante ins Spiel, zumal der Angeklagte im Internet vor dem Vorfall bereits fantasiert hatte, wie es ihm gefallen würde, eine "Zecke", so der Sprachgebrauch der Naziszene für Linke und Autonome, "die Klinge fressen zu lassen". Der Prozess wird am 2. Juli fortgesetzt. Dann sollen auch Freunde des Angeklagten aus der Neonaziszene verhört werden. Das Urteil wird für Mitte Juli erwartet. (Schwarzwälder Bote)

NSU: Jeder zehnte Neonazi war offenbar ein V-Mann

Im "Thüringer Heimatschutz", dem auch die Mitglieder der Neonazi-Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) angehörten, waren einem Medienbericht zufolge von 1997 bis 2003 zwölf V-Leute von deutschen Geheimdiensten aktiv. Wie die "Berliner Zeitung" am Samstag berichtete, bestätigte der Erfurter Verfassungsschutz jetzt erstmals die Unterwanderung des "Thüringer Heimatschutzes". Demnach war fast jeder zehnte Aktivist in der damaligen Neonazi-Vereinigung ein Spitzel des Verfassungsschutzes. (Rheinische Post)

Verbürgerlichung faschistischer Ideologie: Geschichtsrevisionismus in Ungarn

In Ungarn herrscht ein Klima historischer Ignoranz. Miklós Horthy erlebt unter der Regierung von Viktor Orbán eine erstaunliche Renaissance. Horthy war Reichsverweser der Zwischenkriegszeit, Befehlshaber in der Zeit des Weißen Terrors, Anhänger des Ständestaats und Gegner jeder Form von Liberalismus, Initiator der ersten Judengesetze in Ungarn, anfangs auch mitverantwortlich für Judendeportationen. Vor allem ist er Stein des Anstoßes in Ungarn. Plätze werden nach ihm benannt, Statuen für ihn aufgestellt, Gedenkplaketten für ihn aufgehängt, Lesungen über seine Verdienste veranstaltet. Die Begeisterung für Horthy mischt sich mit der neuen Liebe für alte, antisemitische und völkische Dichter wie Albert Wass und Jószef Nyirö, die in den nationalen Lehrplan für Schulen aufgenommen wurden. Israel hat nun den ungarischen Parlamentspräsidenten Laszlo Köver ausgeladen, weil dieser jüngst offen seine Sympathie für Jozsef Nyirö bekundet hat. (sueddeutsche.de, Der Standard, europeonline-magazine.eu)

Fernseh-Tipp: NSU-Dokumentation „Das Offensichtliche wird übersehen“

In der ZDF-Doku zur Mordserie der NSU kommen die Eltern von Uwe Böhnhardt zu Wort. Hätten sie von den Morden gewusst, hätten sie "mit der Polizei zusammengearbeitet". „Dank der Blindheit der Ermittler“ konnten sich die beiden mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mehr als ein Jahrzehnt lang im Untergrund sicher fühlen. Das ist die zentrale These der ersten ZDF-Dokumentation zur Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds, die am Dienstag (26.06., 21.00 Uhr) ausgestrahlt wird. Staatsanwälte, Polizisten, Verfassungsschützer: Wie eine rote Linie ziehen sich deren Versäumnisse und Pannen bei den Ermittlungen zum Abtauchen des Terror-Trios und den zehn brutalen Morden durch den Film. (Berliner Zeitung; Thüringer Allgemeine)

Rathenow: Jugendmusikfestival „Laut & Bunt“

Neun Jugendliche aus Rathenow und Umgebung organisierten im Optikpark das 5. Laut & Bunt-Musikfestival – ein musikalisches Statement gegen Gewalt, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und für Toleranz und Demokratie. Acht Bands zählte das Line-Up 2012. Zwei Tage vor dem Festival fand am Alten Hafen im Rahmen der 1. Fête de la Musique in Rathenow zwischen fünf Bands aus der Region der Ausscheid um die Teilnahme statt. Maria Beyer wurde im Vorfeld von Laut & Bunt vom Berliner Radiosender flux.fm interviewt. „Die jungen Leute sind über die Jahre selbständiger in der Organisation geworden“, fügte Rathenows Jugendkoordinator Thilo Windt hinzu. An Ständen zeigten die Initiative „Tolerantes Rathenow“ Flagge sowie die Jungen Liberalen und die Linke Jugend solid. Finanziell wurde das Festival unter anderem durch „Jugend für Europa“, den Lokalen Aktionsplan Westhavelland und die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt. (Märkische Allgemeine)

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