Gedenken an die Opfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland +++ Helfer der Zwickauer Terrorzelle NSU: Ex-NPD-Funktionär gesteht Waffenbeschaffung +++ Kamenz: Anschlag auf Asylbewerberheim +++ Konstanz: "Unsterbliche" im Karnevalsumzug.
Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de
Gedenken an die Opfer rechtsextremer Gewalt
Gedenken in Berlin: Elf Kerzen für die Trauer, eine für die Zuversicht (Zeit Online)
Staatsakt für Nazi-Opfer: Merkels verpasste Chance (Kommentar) (ZEIT online)
Report: Stilles Gedenken: Schweigen in Zwickau (ZEIT online).
Neonazi-Opfer: Bewegender Auftritt eines Vaters (ksta.de)
Report: Alle Räder standen still (mut-gegen-rechte-gewalt.de)
Helfer der Zwickauer Terrorzelle NSU: Ex-NPD-Funktionär gesteht Waffenbeschaffung
Der vor wenigen Wochen verhaftete mutmaßliche Helfer der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle, Carsten S., hat ein Geständnis abgelegt. Er lieferte offenbar die Waffe für die Morde. Bereits vor seiner Verhaftung hatte der frühere NPD-Funktionär Carsten S., der zuletzt bei der Aidshilfe in Düsseldorf arbeitete und sich für die Rechte von Schwulen engagierte, verbreiten lassen, dass er bereits 2000 aus der rechten (Spiegel online, Tagesspiegel.de).
"Wir müssen die Verbindung zu den V-Leuten kappen"
Der Vorsitzende des Bundestagsuntersuchungsausschusses "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund", Sebastian Edathy (SPD), fordert für ein neues NPD-Verbotsverfahren einen Verzicht auf V-Leute (DerWesten).
Kamenz: Anschlag auf Asylbewerberheim
SPD und Grüne im Bautzener Kreistag haben sich entsetzt über den jüngsten Anschlag auf das Kamenzer Asylbewerberheim geäußert. Fraktionschef Gerhard Lemm (SPD) sagte am gestrigen Donnerstag: „Hier offenbaren sich die Folgen der unverantwortlichen Hetze der NPD, insbesondere ihres Kamenzer Vorturners Mario Ertel." (Lausitzer Rundschau) Drei Vermummte haben am frühen Mittwochmorgen im Asylbewerberheim Kamenz Fenster eingeschlagen. Mit Ästen zertrümmerten sie insgesamt 24 Scheiben. Bewohner wurden nicht verletzt. Die Polizei schließt einen extremistischen Hintergrund nicht aus. Deshalb hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. Kriminaltechniker sicherten Spuren. Der Schaden wird auf 1.500 Euro geschätzt (Radio Lausitz, MDR (Video).
Berlin: Schulklasse rassistisch beschimpft
In einer Berliner S-Bahn wurden Schüler als "Türkenpack" beschimpft. Niemand griff ein - auch nicht der Fahrer, als die Klasse ihn um Hilfe bat. Warum Mut wichtiger ist als Schweigeminuten (taz, Tagesspiegel.de).
Konstanz: Neonazis mit "Unsterblichen"-Masken laufen in Karnevalsumzug mit
Das Video lässt sich problemlos im Internet bei Youtube herunterladen. Es steht in einer Reihe mit anderen Aufnahmen zum Konstanzer Fasnachtsumzug vom vergangenen Sonntag. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Ansammlung von Sensenmännern, wie sie bei Umzügen dieser Art zu sehen sind. Von den 25 000 Zuschauern des fasnachtlichen Spektakels fällt kaum jemand etwas Besonderes an dem Häufchen auf. Nur, dass die Gruppe, die dort untermalt von dramatischer Musik defiliert, Narren der ganz anderen Art sind. Zehn Personen war es gelungen, sich unter die knapp 90 Gruppen des traditionellen Umzugs zu mischen. Sie trugen schwarze Umhänge, weiße Masken und ein Transparent mit der Aufschrift „Narri Narro – Der Untergang naht, seid Ihr froh?“ Sie sind Mitglieder des rechtsextremen Bundes „Freie Kräfte Hegau Bodensee“, viele polizeibekannt. Ihre Internetadresse geben sie gleich mit an (Stuttgarter Zeitung, see-online.info).
Porträt: Nivedita Prasad hilft Opfern von Rassismus in Diplomaten-Kreisen
Nirgendwo ist man so froh darüber, dass Nivedita Prasad mit 18 Jahren doch nicht aus Deutschland abgeschoben wurde, wie in der Protokollabteilung des Auswärtigen Amtes. Ohne die Beratungsstelle „Ban Ying“, die Nivedita Prasad seit 1997 leitet, hätte das Auswärtige Amt nämlich nahezu keine Möglichkeit, zu erfahren, wie es den meistens philippinischen oder indonesischen Hausangestellten vieler Diplomaten in Berlin ergeht. Die Beratungsstelle setzt sich für Frauen ein, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, oder eben auch für Menschen, die in Botschaften eher als Sklaven denn als Arbeitskräfte mit Rechten gesehen werden (Tagesspiegel.de).
Grünow: NPD Brandenburg hielt im Dezember heimlich ihren Landesparteitag ab
Klammheimlich haben sich die Brandenburger NPDler/innen bereits im Dezember in der Uckermark zum Parteitag getroffen. Innenministerium und Verfassungsschutz sehen darin eine neue Strategie der Rechten, die zunehmend den öffentlichen Protest der Bürger scheuen. Der Kreistag erfuhr diese Tatsache erst im Februar vom Innenministerium, auch die zuständige Polizeidirektion wusste von nichts. Ingo Decker, Pressesprecher im Potsdamer Ministerium des Innern, erläutert gegenüber dem Uckermark Kurier, dass die NPD nach den Erfahrungen mit ihrem Bundesparteitag in Neuruppin, der im November 2011 von erheblichen Protesten von Bürgern und gesellschaftlichen Kräften begleitet wurde, solche umfänglichen Gegenmaßnahmen unbedingt vermeiden wolle. „Daher werden Parteiveranstaltungen noch konspirativer als bisher und möglichst abseits von Ballungsräumen durchführt. So will die NPD Gegenaktivitäten von Zivilgesellschaft und Staat erschweren. Das Ausweichen in private Räumlichkeiten wie Gasthöfe nutzt die NPD dabei insofern aus, als dass dann lediglich der Vermieter von einer Veranstaltung im Vorfeld Kenntnis erhält und Auflagen im Sinne der Anfrage nicht möglich sind“, schildert Decker. Auch private Kontakte von Funktionären zu Gastwirten nutze die NPD. Selbst den Teilnehmern des Parteitages werde der Veranstaltungsort erst kurzfristig bekannt gegeben (Nordkurier.de).
Hitler als Lehrbeispiel – Pädagoge suspendiert
Ein Arbeitsblatt, mit dem er seinen Schülern Adolf Hitler als glänzenden Rhetoriker präsentierte, hat jetzt Folgen für einen Lehrer der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule in Borgholzhausen: Die Bezirksregierung Detmold hat den Pädagogen suspendiert (Osnabrücker Zeitung).
Rechtsextremismus-Opfer aus Brandenburg in England überfallen
Im Sommer 1996 hatte der rechtsextreme Anschlag auf den dunkelhäutigen Briten Noel Martin im brandenburgischen Mahlow Deutschland geschockt - jetzt ist der seitdem querschnittsgelähmte Mann im englischen Birmingham überfallen worden. Drei Männer seien am späten Montagabend in sein Haus eingedrungen und hätten ihn und zwei seiner Pfleger mit vorgehaltener Waffe gezwungen, den Safe zu öffnen, berichtete der britische Sender BBC (BILD.de, Tagesspiegel).
Priginitz: Nazis kleben Plakate
Rechtsradikale haben in der Nacht zu gestern in der Prignitz Plakate geklebt. Nach Angaben der Polizei wurden im Stadtgebiet von Perleberg etwa 30 und in Karstädt 20 solcher Plakate an Hauswänden, Buswartehallen oder Verteilerkästen aufgehängt. Der Text sei bereits geprüft worden, er weise keinen strafrechtlich relevanten Inhalt auf, sagte Sprecherin Dörte Röhrs, einen Verfasser gibt es auch nicht. Die Plakate feiern SA-Sturmführer Horst Wessel (Märkische Allgemeine).
„Schule ohne Rassismus“: Jugendliche diskutierten in Oranienburg
Was tun, wenn an der eigenen Schule plötzlich Hakenkreuz-Schmierereien auftauchen? Wie reagieren, wenn Achtklässler andere als „schwul“ beschimpfen? Schüler von neun „Schulen ohne Rassismus – Schulen mit Courage“ aus dem Schulamtsbezirk Perleberg trafen sich gestern in Oranienburg, um sich zu vernetzen und zu beraten. Viele Schulen seien im Kleinen sehr aktiv, sagte die Landeskoordinatorin der Schulen ohne Rassismus Andrea Rauch. Doch wüssten die Schüler mitunter zu wenig voneinander. Das von der RAA, den Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie, organisierte Treffen ist deshalb als Pilotprojekt gedacht. Weitere Treffen in anderen Schulamtsbezirken sollen folgen (Märkische Allgemeine).
München: Mehr Personal gegen Rechtsextremismus
Das rot-grüne Rathausbündnis will das Engagement der Stadt München gegen Rechtsextremismus verstärken. In einem gemeinsamen Stadtratsantrag fordern SPD und Grüne, mehr Geld und mehr Personal für den Kampf gegen Rechts einzusetzen. Konkret solle die direkt von Miriam Heigl geleitete Fachstelle gegen Rechtsextremismus im Rathaus um eine halbe juristische Stelle und eine halbe Stelle für einen Assistenten aufgestockt werden. In München gibt es zudem eine Fachinformationsstelle gegen Rechtsextremismus beim Verein Feierwerk, deren Etat Rot-Grün um 5000 Euro aufstocken will. Zusätzlich 30000 Euro soll das Stadtjugendamt im Bereich des Jugendkulturwerks bekommen (Sueddeutsche.de).
Gedenken an Opfer der Mordserie an Roma in Ungarn
Der Kalender wollte es so, dass das offizielle Gedenken an die Mordserie an Zuwanderern durch Neonazis in Deutschland mit dem 3. Jahrestag eines ebenfalls rassistisch motivierten Doppelmordes an Roma in Ungarn zusammenfällt. Am 23. Februar 2009 wurden Róbert Csorba und sein fünfjähriger Sohn Robika (Foto) bei der Flucht aus ihrem brennenden Haus in Tatárszentgyörgy erschossen. Kurz zuvor marschierte die neofaschistische "Magyar Gárda" aus dem Umfeld der seit 2010 im Parlament vertretenen Partei Jobbik durch diesen und andere Orte, um auf die "Zigeunerkriminalität" aufmerksam zu machen und die Belange der "Magyaren" zu schützen. Die Mordserie an ungarischen Roma in den Jahren 2008/09 forderte sechst Tote und rund ein Dutzend Verletzte. Jetzt haben mehrere hundert Menschen haben in Budapest der Ermordung von sechs Roma durch Rechtsextremisten in den Jahren 2008 und 2009 gedacht. Die Teilnehmer sprachen am Donnerstagabend auf dem Matyas-Platz Gebete und entzündeten Kerzen (Pester Lloyd, Europe Online Magazin).
Black History Month: Musik hat keine Hautfarbe
Unbeachtet von der Mehrheitsgesellschaft wird im Februar schwarze Kultur auch in Deutschland zelebriert. Zum Beispiel von dem Sänger Arenor Anuku. Früher verband schwarze Deutsche vor allem die Erfahrung des Rassismus. Heute formulieren sie ihr positives Selbstverständnis so: "Wir kommen aus der Wiege der Menschheit - das verbindet uns", sagt etwa der afrodeutsche Sänger und Gitarrist Arenor Anuku. "Empowerment - die Stärkung der eigenen Identität - das ist der künftige Weg der Black Community in Deutschland", bestätigt auch Nigel Asher. Er ist einer der Organisatoren des Black History Month (BHM) in Hamburg und Berlin, der wichtigsten Plattform für das wachsende schwarze Selbstverständnis (taz).