Nach den Rechten sehen: Prozess vor Berliner Landgericht: Neonazi greift wahllos Leute an +++ Ex-Verfassungsrichter Grimm warnt vor NPD-Verbotsantrag +++ Die Presseschau verabschiedet sich in die Weihnachtspause.
Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de
Prozess vor Berliner Landgericht: Neonazi greift wahllos Leute an
Der Fall weckt schlimme Erinnerungen an den Terror der NSU. Ein 25-jähriger Berliner aus Schöneweide wollte offenbar wahllos Ausländer töten. Stefan H. stach auf einen Pizzabäcker in seiner Nachbarschaft ein, Monate später ging er auf einen Mitgefangenen mit vietnamesischen Wurzeln los. Beide überlebten nur knapp. Am Donnerstag hat das Landgericht den Prozess gegen ihn eröffnet. Dem Mann wird versuchter Mord in zwei Fällen vorgeworfen. Sein Verteidiger erklärte, der Angeklagte glaube, dass es keine Straftaten sind, wenn man gegen Nichtdeutsche vorgehe. (taz, Tagesspiegel, blick nach rechts)
Ex-Verfassungsrichter Grimm warnt vor NPD-Verbotsantrag
Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Dieter Grimm, warnt vor einem neuen NPD-Verbotsverfahren. "Ich kann Sie in Ihrem Zögern, einem NPD-Verbotsverfahren näher zu treten, nur nachdrücklich bestärken", heißt es in einem Schreiben Grimms an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), das der "Passauer Neuen Presse" vorliegt. Entscheidend sei, "ob man der NPD den Willen nachweisen kann, die verfassungsrechtliche Grundordnung zu beseitigen, also nicht nur Rassenhass, Ausländerfeindlichkeit etc." (Welt Online)
War NPD-Funktionär Mitglied beim Ku Klux Klan?
So sieht er sich gern selbst: dunkles Sakko, schickes Hemd. Seriös. Freundlich. Verbindlich. Der Schwiegersohn-Typ. So eilt er zum Kreistag in Halberstadt, wo er den engagierten Kommunalpolitiker gibt. So steht er am Stand der rechtsextremen NPD im Dresdner Landtag und verteilt Postkarten, Zeitungen und CDs rechter Liedermacher - ein braver Parteifunktionär. Doch das Bürgerliche ist nur Fassade. Nun ist der Name von Michael Schäfer, 30, Chef der NPD-Kreistagsfraktion im Harz, auf einer Liste von Mitgliedern und Ehemaligen eines deutschen Ablegers des Ku Klux Klan aufgetaucht. Der rassistische Geheimbund "European White Knights of the Ku Klux Klan" (EWK) hatte erst im Sommer Schlagzeilen gemacht, weil ihm auch zwei Polizisten aus Baden-Württemberg angehört hatten - beide Kollegen der 2007 mutmaßlich von den Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter. Nach Recherchen des Antifa-Blogs Gamma soll der Ableger bis mindestens 2003 existiert haben. (Mitteldeutsche Zeitung)
Lehrerverband: Schulsystem produziert Rechtsextremismus
Heftiger Zoff vor dem Start in die Weihnachtsferien: Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hat einen Zusammenhang zwischen dem gegliederten Schulsystem und der Zunahme rechtsextremer Gruppierungen in Bayern beklagt - und damit das Kultusministerium verärgert. Mit dieser "Entgleisung" habe sich Verbandspräsident Klaus Wenzel als seriöser Gesprächspartner zu Bildungsfragen selbst ins Abseits gestellt, kritisierte das Ministerium am Donnerstag in München. Das gegliederte Schulsystem verstärkt laut Wenzel soziale Spaltungsprozesse. "Wenn Schule Bildungsverlierer produziert, ist dies nicht nur in hohem Maße kinderfeindlich und unpädagogisch, es ist auch kurzsichtig und gefährlich", warnte der BLLV-Präsident. Schulen bräuchten Reformen, die Integration statt Ausgrenzung beförderten und modernes Lernen ermöglichten. Dies sei ein Weg, um politischen Radikalismen entgegenzuwirken. (Sueddeutsche.de, Welt Online)
Göttinger CDU-Politiker im Visier des NSU
Zehn Morde gehen nach bisherigen Ermittlungen auf das Konto des vor etwa einem Jahr aufgeflogenen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Die Mitglieder der als Zwickauer Terrorzelle bekannten Vereinigung sollen neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin umgebracht haben. Auch Banküberfälle und Sprengstoffanschläge sollen Mitglieder des NSU verübt haben. Möglicherweise hatten sie auch noch weitere Anschläge geplant. Zumindest hatten sie Listen mit Namen und Institutionen erstellt. Darauf standen auch Göttinger Landtagsabgeordnete der CDU, wie jetzt bekannt wurde. (NDR Online) Das sorgt für Unruhe: In einem Bericht des Göttinger Tageblatts wird der Umgang mit den drei heimischen CDU-Politikern Harald Noack, Hartwig Fischer und Ilse Hansen, die in der Liste vermerkt sind, durch die Ermittlungsbehörden kritisiert. Sie hätten erst jetzt und nicht durch die Staatsschützer erfahren, warum sie befragt worden waren. Auch hätten die Behörden die mögliche Bedrohung nicht ernstgenommen, heißt es unter anderem in dem Bericht. Das wiederum grämt die Polizei, die diese Kritik dementiert. (Hessische/Niedersächsische Allgemeine)
Berliner Bands: Neonazi-Musik für Jugendliche
Der Berliner Verfassungsschutz warnt vor dem Einfluss von Neonazi-Musik auf Jugendliche. Zurzeit sind in Berlin sechs rechtsextreme Bands aktiv. Das geht aus einer Broschüre hervor, die der Verfassungsschutz erstellt hat und am Freitag unter www.verfassungsschutz-berlin.de veröffentlichen will. Die Broschüre ist auch eine Antwort auf die Ankündigung der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten", im Januar kommenden Jahres eine neue sogenannte Schulhof-CD zu veröffentlichen. Sie soll 14 Musiktitel enthalten. In den vergangenen Jahren haben NPD-Aktivisten bereits solche CDs vor Schulen verteilt, um Jugendliche für die nationalsozialistische Ideologie zu interessieren. In ganz Deutschland ist die Zahl der Nazi-Bands kontinuierlich gestiegen: von 90 im Jahr 2002 auf 178 im Jahr 2011. Neben den sechs Musikgruppen in Berlin, zu denen ein Netzwerk aus etwa 180 Personen gehört, gibt es in der Stadt auch drei rechtsextreme Liedermacher. (Berliner Zeitung)
Nachspiel nach Neonazi-Protest: Pfarrer König muss in Dresden vor Gericht
Der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König muss vor Gericht. Ein Sprecher des Amtsgerichts Dresden sagte, der Pfarrer müsse sich im Zusammenhang mit Protesten gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden im Februar 2011 verantworten. Die Anklage war im Dezember 2011 erhoben worden. Die Staatsanwaltschaft wirft König schweren Landfriedensbruch, versuchte Strafverteilung, Beihilfe zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und versuchte Nötigung vor. Der Pfarrer soll während der Demonstration aus seinem Lautsprecherwagen heraus zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben. Zunächst war gegen König auch wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" ermittelt worden. Dieser Vorwurf wurde jedoch im August 2011 fallengelassen. (MDR Online) Der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) drückte gegenüber der "taz" seine "ganze Solidarität" für König aus. Schröter hat die Sorge, dass im Fall Lothar König ein Exempel statuiert werden soll. Er befürchtet, dass mit einem politischen Prozess Menschen abgeschreckt werden sollen, die sich gegen rechts engagieren. "Ich hoffe, dass dieser Prozess mit einem Freispruch endet", sagt Schröter. (taz)
Nordenham: Streit um rechte Lautsprecherparolen
Trägt die Stadt Nordenham eine Mitschuld an der Verbreitung von faschistischem Gedankengut, wenn sie der NPD eine Lautsprecherwerbung auf öffentlichen Straßen gestattet? Diese heikle Frage hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) aufgebracht und für sich auch schon beantwortet. Der DGB-Kreisverband Wesermarsch wirft der Stadt Nordenham einen Mangel an Courage vor, weil sie sich "den Nazis nicht entgegenstellt". Anstatt sich zu wehren und die Propaganda-Aktionen zu untersagen, verstecken sich die Nordenhamer Ordnungsbehörden nach Meinung der Gewerkschaft hinter "formaljuristischen Argumenten". Das sieht die Stadtverwaltung allerdings ganz anders. (Nordwest Zeitung)
Argumente gegen grassierende Polenfeindlichkeit
Ressentiments gegenüber Polen in Mecklenburg-Vorpommern abbauen - das war das Anliegen des bundesweit einmaligen Projekts perspektywa der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie e.V. (RAA). Eine Bilanz nach zwei Jahren intensiver Arbeit. (Nordkurier)
Judenhass hat türkischen Schulunterricht erreicht
Antisemitismus ist in der Türkei ein Alltagsphänomen geworden: Auch im demokratischen und toleranten Izmir wird die Stimmung gegen Israel immer feindlicher. Dass nun sogar Lehrer ihre Schüler weiter zum Hass anstacheln ist erschreckend. Wo führt das noch hin? (Welt Online)
Berlin-Neukölln: Lichterketten gegen Neonazi-Angriffe
Mit einer Lichterkette in der Hufeisensiedlung im Stadtteil Britz haben am Donnerstag rund 700 Menschen in Berlin gegen Neonazis protestieret. Dazu aufgerufen hatte breites Bündnis von politischen Parteien und Gewerkschaften. Der Protest richtete sich gegen Brandanschläge, Gewalttaten, Schmierereien und Drohanrufe, sagte ein Sprecher der Partei. "In Britz hat sich Rechtsextremismus leider zu einem akuten Problem entwickelt." Unterstützt wurde die Menschenkette vom neu gegründeten "Aktionsbündnis Britz gegen Neonazis". Darin sind Anwohner der Großsiedlung, Bündnis 90/Die Grünen, die Neuköllner Falken, die Fritz-Karsen-Gemeinschaftsschule sowie weitere Neuköllner Parteien organisiert. Ebenfalls dazu zählen die Kirchen, das Museum Neukölln und Gewerkschaften. (rbb online, Berliner Zeitung)
Wenn Aktenzeichen ein Gesicht bekommen
Für die Ausländerbehörde sind es Aktenzeichen und Verwaltungsvorgänge; für immer mehr Menschen sind es Mitschüler und Teamkollegen. Für die betroffenen Menschen geht es um ihr Leben – und noch sind es vor allem Einzelfälle, die an eine breitere Öffentlichkeit kommen. In Hamburg gehen wieder Schülerinnen und Schüler für einen ihrer Mitschüler der von Abschiebung bedroht ist auf die Straße. (Publikative.org)
Offener Brief der Aussteigerorganisation EXIT
Die Aussteigerorganisation EXIT nimmt Stellung zu dem Interview der Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger in "Die Welt" vom 07.12.2012. In diesem forderte Frau Leutheusser-Schnarrenberger ein "gemeinsames Exit-Programm von Bund und Ländern". Ein derartiges Programm gibt es jedoch bereits – EXIT-Deutschland leistet seit nunmehr zwölf Jahren erfolgreiche Arbeit für Aussteiger aus der rechten Szene. (Mut gegen rechte Gewalt)
Das war 2012 - der AAS Jahresrückblick
Die Amadeu Antonio Stiftung blickt auf ein ereignisreiches Jahr 2012 zurück: Zwölf Monate voller bewegender Nachrichten und erschütternder Skandale. Neben zahlreichen gewalttätigen Übergriffen durch Rechtsextreme auf Parteibüros, Migranten und engagierten Demokraten waren es auch die scheinbar nicht enden wollenden Skandale und Pannen rund um die NSU-Aufklärung. Aber auch die zahlreichen Fälle von "Racial Profiling" und Alltagsrassismus haben die Stiftung beschäftigt. Dennoch sind die vielen demokratischen Projekte, Gespräche und Begegnungen mit mutigen Menschen sowie Initiativen, die sich gegen rechte Umtriebe wehren, bestärkend darin, auch im nächsten Jahr weiter zu Ermutigen, Beraten und zu Fördern. (Amadeu Antonio Stiftung)
Die Presseschau verabschiedet sich in die Weihnachtspause
Das war die letzte Ausgabe der Presseschau in diesem Jahr. Wir wünschen allen Leserinnen und Leser erholsame Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Die nächste Presseschau gibt es dann am 2. Januar 2013.