19.10.2012 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: NSU-Untersuchungsausschuss: Der umstrittene Auftritt von Staatssekretär Fritsche +++ Vernichtete Akten: Was landete im Reißwolf? +++ NPD plant "Brandstifter-Tour" durch Sachsen.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

NSU-Untersuchungsausschuss: Der umstrittene Auftritt von Staatssekretär Fritsche

Der Aufritt des Staatssekretärs im Bundesinnenministerium Klaus-Dieter Fritsche vor dem NSU-Untersuchungsausschuss am Donnerstag hat für ein großes mediales Echo gesorgt – am häufigsten war das Stichwort vom "Eklat" zu lesen. Fritsche hatte die Ausschussmitglieder beschimpft und Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden mit scharfen Worten zurückgewiesen. Außerdem beklagte der Staatssekretär eine "Skandalisierung" im Zuge der NSU-Ermittlungen. Dazu weigerte er sich, Zwischenfragen zu beantworten. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) unterbrach daraufhin vorübergehend die Sitzung. "Es gibt Grenzen dessen, was man hier hinnehmen muss", sagte Edathy. Nach einer kurzen Pause wurde die Befragung schließlich fortgesetzt. Fritsche war von 1996 bis 2005 Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz und anschließend Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt. Seit dem Jahr 2009 ist er Staatssekretär im Bundesinnenministerium. (Sueddeutsche.de, Faz.net, taz) In einem Kommentar nennt die "Frankfurter Rundschau" den Auftritt Fritsches "entlarvend". Sie schreibt: "Fritsche ist augenscheinlich nicht bereit, sich kritisch den eigenen Versäumnissen zu stellen und nichts als die Wahrheit zu sagen. Wie es mit solchen Leuten besser werden soll, ist schleierhaft." (Frankfurter Rundschau)

Vernichtete Akten: Was landete im Reißwolf?

Für die Öffentlichkeit sind Berichte über vernichtete Akten beim Verfassgungsschutz oft nur noch verwirrend: Zu unklar ist, welche Akten wo und warum verschwunden sind und was dies mit der NSU-Mordserie zu tun hat. "Tagesschau.de" gibt einen Überblick der bislang bekannten Fälle. (tagesschau.de)

NPD plant "Brandstifter-Tour" durch Sachsen

Die NPD wird in Kürze in einem Abklatsch ihrer "Deutschlandtour" durch Sachsen ziehen. Genauer: vor sächsische Flüchtlingsheime und muslimische Kultur- und Gebetshäuser. Das hat der Holger Apfel, Bundes-und Landtagsfraktionsvorsitzender der rechtsextremen Partei, am Mittwoch im Sächsischen Landtag erklärt.  (Endstation Rechts) Apfels Rede im Landtag sorgte für Empörung: Flüchtlinge bezeichnete er als "Asylschmarotzer" und den Ausländerbeauftragten als "unterwürfigen Schnorrer und Toleranzapostel". Dafür erhielt er einen Ordnungsruf. (Endstation Rechts)

Antisemitismus: Das Ressentiment der Mitte

Am Mittwoch hat die Bundesregierung im Bundestag einen Expertenbericht zum Antisemitismus in Deutschland vorgestellt. Der Bericht lag bereits seit November vergangenen Jahres vor – erst jetzt wird nun darüber diskutiert. Bei der Debatte im Parlament zitierte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) einen erschreckenden Satz: "Ich bin kein Rechtsradikaler, aber irgendwann muss mal Schluss sein mit dem ewigen Ducken vor den Juden." Er entstammt einer der vielen Zuschriften, die Thierse zur Debatte über die Beschneidung jüdischer und muslimischer Kinder in Deutschland erhielt. Für Thierse ein prototypischer Satz: Denn laut dem Bericht denkt ein Fünftel der deutschen Bevölkerung antisemitisch. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, bedauerte, dass mit so großer Verspätung über den Bericht diskutiert werde. "Wenn wir aber schon so spät darüber diskutieren, dann hätte ich mir eine Antwort der Bundesregierung darauf erwartet, welche Empfehlungen der Expertenkommission sie nun wie umsetzen will." Stattdessen kündige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) lediglich an, man werde sie prüfen und vielleicht sei manches davon auch finanzierbar. (Frankfurter Rundschau) Einen Tag nach der Debatte im Bundestag wurde bei einer Gedenkstunde am 71. Jahrestag des  Beginns der Deportationen von Juden aus Berlin dazu aufgerufen, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit nie wieder zuzulassen. (Tagesspiegel, blick nach rechts)

Flüchtlinge: Gemeinsam gegen alles Fremde

Im Berliner Bezirk Neukölln organisiert die CDU die Wut auf ein geplantes Containerdorf für Asylbewerber*innen – unter dem Beifall der NPD. Es ist das erste Mal seit der Wende, dass eine demokratische Partei in Berlin Stimmung gegen eine Asylbewerberunterkunft macht. Bislang ist mehr als fraglich, ob es eine solche Unterkunft in Neukölln  überhaupt geben wird. Aber weil Plätze für Asylbewerber*innen äußerst knapp sind, suchen Senat und Bezirke derzeit neue Standorte – nicht nur leere Immobilien, sondern auch Grundstücke, wo "Fertigbauten wie Wohncontainer" aufgestellt werden können, sagt Regina Kneiding, Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU). Flüchtlingsrat und Linke in Neukölln lehnen Containerunterkünfte prinzipiell ab. "Damit würde man der Mehrheitsbevölkerung signalisieren, Asylbewerber gehörten an den Rand der Gesellschaft", sagt Martina Mauer vom Flüchtlingsrat. Zu einer von der CDU organisierten Bürgerversammlung kamen 150 Menschen, die sich teilweise lautstark und rassistisch gegen die Unterbringung der Flüchtlinge wandten. Zu der Versammlung kamen auch NPD-Mitglieder. (taz)

Ruderin Drygalla wird Sportsoldatin

Ihre Beziehung zu einem ehemaligen NPD-Funktionär hatte während der Olympischen Spiele in London für Schlagzeilen gesorgt, nun wird Nadja Drygalla zum 1. November als Sportsoldatin in die Bundeswehr aufgenommen. Das teilte ein Sprecher der Streitkräftebasis mit. Die Entscheidung sei nach Prüfung der Stellungnahmen des Deutschen Olympischen Sportbundes und des Deutschen Ruderverbandes (DVR) getroffen worden, sagte der Sprecher. Der Fall Drygalla hatte in Sport und Politik für heftige Diskussionen gesorgt. So wurde etwa gefordert, dass Spitzensportler ein Bekenntnis zur Demokratie ablegen sollten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) lehnte das ab. (Zeit Online)

Kreuz.net-Hetze gegen Dirk Bach ist keine Ausnahme

Nach der Veröffentlichung eines Artikels zum Tode des Entertainers Dirk Bach auf der Hetzseite "kreuz.net" ging eine Welle der Empörung durchs Internet: Entsetzen mischte sich mit Wut und ungläubigem Staunen. Viele Menschen konnten nicht glauben, dass es sich bei den menschenverachtenden Beiträgen der übelsten Sorte nicht um Satire handelte. Die Aufregung rückte das Portal in den medialen Fokus, Strafanzeigen wurden gestellt und eine Belohnung ausgesetzt, um den Machern*innen der Seite auf die Spur zu kommen. Doch "kreuz.net" ist nicht die Ausnahme. (Publikative.org)

Wunsiedel: Gemeinsam gegen Rechtsextreme

Im oberfränkischen Wunsiedel treffen sich heute rund 50 Vertreter*innen von Bürgerinitiativen und Netzwerke gegen Rechtsextremismus. Ziel ist es, Kommunen im Kampf gegen Nazis besser untereinander zu vernetzen. Die Teilnehmer*innen des fünften "Wunsiedler Forums" wollen Erfahrungen austauschen und gemeinsame Strategien im Umgang mit Rechtsextremen erarbeiten. (BR-Online)

Sachsen: Grüne Fragen zum rechtsextremen Sumpf ärgern CDU

477 Fragen stellten die Grünen in einer Großen Anfrage zu Nazis in Sachsen, speziell zur rechtsextremen NPD. Das spannende Thema stieß bei den Regierungsfraktionen auf Kritik: Sie meinen, viele Antworten hätten die Grünen im Verfassungsschutzbericht allein finden können. So umfasst die Antwort des Innenministeriums 138 Seiten. CDU-Innenexperte Christian Hartmann: "Ich danke den Mitarbeitern, die in der Sommerpause alles abschreiben mussten." Die Beobachtung rechtsextremer Strukturen sei Aufgabe des Verfassungsschutzes (LfV), "aber eben nur eine". Dem entgegnete Miro Jennerjahn (Grüne): "Wir wollen mit der Anfrage herausfinden, ob es mehr als im Verfassungsschutzbericht gibt." Außerdem wolle man eine "gesamtgesellschaftliche Debatte". (Sächsische Zeitung)

Wuppertal: Anklage gegen vier Nazis

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat Anklage gegen vier Nazis erhoben, die vermeintliche politische Gegner zusammengeschlagen haben sollen. Vor rund einem Jahr sollen die Rechtsextremen mit Schlagstöcken bewaffnet bei einem Flohmarkt im Wuppertaler Stadtteil Vohwinkel Jagd auf mutmaßliche Linke gemacht haben. Dabei schlugen die Täter offenbar gezielt auf die Köpfe der Opfer ein, die dadurch Platzwunden erlitten. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal erhob inzwischen Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung. (blick nach rechts)

Sinti-und-Roma-Mahnmal: "Die Erinnerung ist jung"

Kommenden Mittwoch wird in Berlin ein Sinti-und-Roma-Mahnmal eingeweiht. Marian Luca vom Roma-Zentralrat fordert im Interview mit der Tageszeitung "taz", die NS-Erinnerung mit aktueller Unterstützung für Europas Roma zu verbinden. (taz)

Ungarn: Nazis marschieren gegen Roma

In Ungarn sind mehr als tausend Nazis gegen die Roma-Bevölkerung aufmarschiert. Mit Fackeln zogen sie durch deren Siedlung in der Stadt Miskolc. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die rechtsextreme Parlamentspartei Jobbik (Die Besseren). Vor dem Nazi-Aufmarsch hatten mehrere hundert Roma gegen den Rassismus und gegen die Diskriminierung der Roma in Ungarn demonstriert. Sie riefen "Nieder mit Jobbik!" und "Wir sind hier zuhause!" Es war eine der größten Demonstrationen der diskriminierten Roma-Minderheit in Ungarn seit Jahren. (Spiegel Online, taz)

Der Pseudo-Anti-Antisemitismus religionskritischer Think-Tanks

Beobachter*innen der antimuslimischen Hetzseite "Politically Incorrect" (PI) sind während der Beschneidungsdebatte mehrfach mit der "Giordano-Bruno-Stiftung" (GBS) konfrontiert worden, einem Think-Tank für "evolutionären Humanismus" und der größten atheistisch-religionskritische Organisation im deutschsprachigen Raum. Alles nur Zufall – oder gibt es ideologische Verbindungen? (Publikative.org)

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