Nach den Rechten sehen: Bonner Burschenschaft wirft Rechtsextremismus-Kritiker raus +++ NSU-Skandal: Berliner Ex-Senator Körting verlässt Rechtsterrorismus-Kommission +++ Recht auf Hass? Was tun mit dem islamfeindlichen Video?
Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de
Bonner Burschenschaft wirft Rechtsextremismus-Kritiker raus
Der Gründer der Initiative "Burschenschafter gegen Neonazis", Christian Becker, ist aus seiner Studentenverbindung ausgeschlossen worden. Die Bonner Burschenschaft Raczek habe ihn und ein weiteres Mitglied am Wochenende mit großer Mehrheit wegen "bundschädigenden Verhaltens" ausgeschlossen, sagte Becker. Die beiden Mitglieder hätten die Raczeks als rechtsextrem in der Öffentlichkeit dargestellt, was nicht zuträfe, habe die Begründung der Burschenschaft zum Ausschluss gelautet. Der "Dachverband der Deutschen Burschenschaften" bezeichnete den 46-jährigen Becker als "Hetzblog-Betreiber". Becker hatte die Initiative "Burschenschaftler gegen Neonazis" gegründet, nachdem seine Burschenschaft die Einführung eines "Arier-Nachweises" diskutiert hatte (Welt online, Sueddeutsche.de, Endstation rechts).
NSU-Skandal: Berliner Ex-Senator Körting verlässt Rechtsterrorismus-Kommission
Der ehemalige Innensenator Berlins, Ehrhart Körting (SPD), verlässt die Bund-Länder-Kommission "Rechtsterrorismus". Sein Schritt hängt zusammen mit den jüngsten Enthüllungen rund um einen V-Mann des Berliner Landeskriminalamts, die in seine Amtszeit fielen (Tagesspiegel). Auch der aktuelle Berliner Innensenator Frank Henkel steht unter Druck: Hat er im Berliner Abgeordnetenhaus gelogen, als er am vergangenen Donnerstag angab, nichts von V-Mann Thomas S. gewusst zu haben? (taz) Derweil versuchte der NSU-Untersuchungsausschuss in Sachsen durch Expert*innen-Befragungen, den Wurzeln des NSU-Terrors auf die Spur zu kommen (T-Online-News, DAZ).
Friedrich glaubt an den Nutzen der Neonazi-Zentraldatei
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht in der am Mittwoch startenden Zentraldatei Rechtsextremismus "einen Schlüssel für die Informations-Vernetzung im Bereich des Rechtsextremismus". Na, das wäre ja mal etwas (Welt online, Tagesspiegel).
Missachtung parlamentarischer Arbeit? – Edathy zieht Zwischenbilanz aus NSU-Untersuchungsausschuss
Mitte des kommenden Jahres werden voraussichtlich die Ergebnisse des NSU-Untersuchungsausschusses auf Bundesebene erwartet. Auf einer Veranstaltung im niedersächsischen Stadthagen zog der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy jetzt eine Zwischenbilanz. Neben personellen Konsequenzen aus den Ermittlungspannen forderte er eine Änderung der Behördenstrukturen (Störungsmelder, publikative.org; eine weitere Bilanz: publikative.org).
Der tiefe Staat
Die bisherige Aufarbeitung des NSU-Komplexes läuft unter dem Label „Behördenversagen“. Die betroffenen Institutionen stellen die persönliche Schuld einzelner heraus, aber die täglich neuen Nachrichten über das Versagen, werfen die Frage nach dem System und dem Motiv dahinter auf (mut-gegen-rechte-gewalt.de).
Recht auf Hass? Was tun mit dem islamfeindlichen Video?
Soll das islamfeindliche Hassvideo "The innocence of Muslims" in Deutschland gezeigt werden oder nicht? Ist das Kunst, die die Meinungsfreiheit schützen muss, oder ist das als Kunst getarnte Hasspropaganda, die diesen Schutz nicht verdient? Das, so kommentiert der Kölner Stadtanzeiger höchst ausgewogen, müsse wohl ein Gericht entscheiden. Allerdings sollte man den Hintergrund nicht aus den Augen verlieren: "Pro Deutschland" will den Film ja nicht zeigen, um damit die Freiheit der Kunst sicherzustellen, sondern um Muslime und Muslimas zu unüberlegten (Gewalt-)Reaktionen zu provozieren, die wiederum ihre islamfeindlichen Thesen rechtfertigen. Die FAZ kommentiert: "Es muss nicht jeder Unsinn in die Welt." und begründet: "Auf der anderen Seite muss sich aber auch jeder fragen, der auf dem Boden eines Rechtsstaats steht, sei er Politiker oder „Medienmensch“, ob hetzerische Machwerke gegen Religionen auch noch geadelt werden müssen. Es ist das eine, klar für die Meinungs- und Kunstfreiheit sowie gegen jede Form von Gewalt einzutreten. Das heißt aber nicht, dazu aufzufordern, die Freiheiten auf provozierende Weise auszunutzen - nämlich so, dass andere sich verletzt fühlen." Gleichzeitig wirbt der Autor für ein selbstbewusstes Ignorieren der Provokation. SPD- und Grüne-Politiker sind gegen ein Verbot der Aufführung, der Innenminister allerdings dafür (ZEIT online, sueddeutsche.de). Ansonsten könnte man natürlich noch an die Vernunft der Gesellschaft appelieren: Einerseits die Provokation verpuffen zu lassen, den Schmähfilm zu ignorieren, und andererseits, etwa als Kinobetreiber*in, die Aufführung schlicht abzulehnen - was bereits passiert (Frankfurter Rundschau, Tagesspiegel).
Nach Störung einer SPD-Veranstaltung: Zweiter „Abschiebär“ „hinter Gittern“
Nur wenige rechtsextremistische Aktionen hatten in den letzten Monaten so viel Aufmerksamkeit erhalten, wie die Kunstfigur „Abschiebär“. Womöglich sind seine Tage aber endgültig gezählt, denn die Polizei beschlagnahmte ein zweites Bärenkostüm der Kameradschaft "Besseres Hannover". Ein Kameradschaftsmitglied in diesem Kostüm hatte versucht, in Hannover eine SPD-Veranstaltung zu stören (Endstation rechts, BILD).
Abteilung Attacke? Islamfeind*innen gründen parteiübergreifenden Jugendverband
Vertreter der PRO-Bewegung, der Republikanischen Jugend, der „German Defence League“ sowie Mitglieder einiger weiterer, politisch bedeutungsloser Organisationen haben einen parteiübergreifenden Jugendverband ins Leben gerufen. Der „Ring freiheitlicher Jugend Deutschlands“ (RFJ) wird geführt von Tony Fiedler, dem Jugendbeauftragten von PRO NRW. Fiedler hatte vor einigen Jahren erfolglos versucht, eine Parteijugend der mittlerweile aufgelösten DVU aufzubauen. Nach Eigenauskunft sei es das Ziel der Jugendorganisation, „die Einigung im freiheitlichen Spektrum voranzutreiben und die nächste Generation freiheitlicher Politiker in Deutschland auf ihre Aufgaben vorzubereiten.“ (Endstation rechts, Störungsmelder)
Dortmund gedenkt Opfer der Neonazi-Mordserie mit Gedenkstein
Nach der Neonazi-Mordserie will die Stadt Dortmund mit einem Gedenkstein an den am 4. April 2006 erschossenen Kioskbesitzer Mehmet Kubasik erinnern. Die feierliche Enthüllung in der Dortmunder Nordstadt sei am 24. September geplant, teilte die Stadt am Montag mit (BILD).
“Döner-Killer” von der NPD im Oktober vor Gericht
Am 15. Oktober 2012 findet in Meppen der Prozess gegen den Neonazi Daniel Giese statt. Er ist wegen Volksverhetzung angeklagt, da er mit seiner Band “Gigi und die braunen Stadtmusikanten” das Lied “Döner-Killer” veröffentlicht hatte. Ein Prozess, der auch für das NPD-Verbot eine Rolle spielen könnte (Publikative.org).
Kurz kommentiert: Die bittere Wahrheit über Heinz Buschkowsky?
Zugegebenermaßen hat man es als Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln sicherlich nicht leicht - was aber nicht ursächlich an einer Migrant*innenquote von 41 Prozent liegen muss, sondern vor allem an den sozialen Problemlagen etlicher Bezirksbewohner*innen. Aber das sieht Heinz Buschkowsky (SPD!) jetzt offenbar anders, wie der erste Auszug aus seinem neuen Buch zeigt, mit dem er sich offenbar anschickt, es mit Sarrazins islamfeindlichen Werken aufzunehmen. Der Auszug erscheint - wo sonst? - in der BILD. Beschreibt dieser Auszug ("Die bittere Wahrheit über Multikulti") am Anfang noch möglicherweise reale Probleme (auch wenn ich die in Neukölln auch noch nicht hatte, obwohl ich dort seit Jahren tags und nachts viel unterwegs bin), kommt es dann am Ende des Textes richtig dicke: "Gutmenschen"-Schelte, Deutschenfeindlichkeit und schließlich der Aufruf, Bio-Deutsche würden ihre Kinder ja zu Gewaltlosigkeit erziehen und Migrant*innen ihre zu "Kampfesmut" und damit sei "die Ausgangssituation ungleich." Was soll das werden? Streetfightin' Neukölln? BILD schreibt also mal wieder für ihr Rechtsaußen-Publikum und gegen den sozialen Frieden. Natürlich im Namen der schonungslosen Aufdeckung von Sachverhalten, über die man sonst NIE reden darf (wir können in den nächsten Tagen ja mal die Buschkowsky-bezogenen Berichte und Interviews zählen, "spaßeshalber"). Es ist schade, dass Buschkowsky sich dafür hergibt. Bisher machte er immer einen realistisch-besonneneren Eindruck und kam ohne Rechtspopulist*innen-Vokabular aus.