18.06.2012 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: München 1972: Deutsche Neonazis halfen Olympia-Attentätern +++ 17. Juni: 170 Neonazis demonstrieren in Dresden, 30 in Berlin +++ Geheime Geheimdienst-Operation "Rennsteig": NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen fordert Namen der V-Leute.

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München 1972: Deutsche Neonazis halfen Olympia-Attentätern

Sie nannten sich "Schwarzer September": Palästinensische Attentäter entführten während der Olympischen Spiele 1972 in München israelische Sportler und ermordeten sie. Nach Informationen des SPIEGEL bekamen sie dabei tatkräftige Unterstützung - aus der deutschen Neonazi-Szene. Das geht aus Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) hervor, die der Inlandsgeheimdienst auf Antrag des SPIEGEL jüngst freigegeben hat. Demnach wurden damals bei den Neonazis Wolfgang Abramowski und Willi Pohl Waffen des gleiches Typs wie bei den Palästinensern gefunden. Bisher hatten viele Experten eher eine Verbindung der Palästinenser zu deutschen Linksextremisten vermutet. Der Neonazi Willi Pohl chauffierte damals den Strippenzieher des Attentats, Abu Daud, zudem zur Vorbereitung durch Deutschland - angeblich, ohne den Zweck zu wissen (Spiegel online).

17. Juni in Dresden: 170 Neonazis demonstrieren

Sonntag wurde auf dem Postplatz in Dresden der Opfer des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 gedacht. Das Bild aber, was vom gestrigen Tage in Erinnerung bleiben wird, ist widerlich. Geprägt von Neonazis, die den Feiertag okkupierten. Zur offiziellen Gedenkstunde um 9.30 Uhr kamen gerade mal 25 Dresdner, Stadträte und Landtagsabgeordnete. Aber mindestens genauso viele Rechte. Die NPD legte dreist am Denkmal zwei großen Kränze ab. Gegen Mittag versammelten sich auf dem gleichen Platz nach Polizeiangaben 170 Neonazis. Darunter NPD-Chef Holger Apfel und Thomas S., der Mitbegründer der verbotenen Nazi-Vereinigung SSS. 120 Gegendemonstrant*innen protestierten (BILD, DNN online, Endstation rechts).

17. Juni in Berlin: Wenig Nazis und Protest

Aus Protest gegen Kundgebungen der rechtsextremen NPD und der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Deutschland haben sich am Sonntagvormittag nach Polizeiangaben mehr als 100 Menschen am Strausberger Platz in Friedrichshain versammelt. Aufgerufen hatte dazu eine Kampagne "Zusammen handeln gegen rassistische Hetze und soziale Ausgrenzung". Die Aktion stand unter dem Motto "Nazis und Rassisten stoppen - Gegen Geschichtsrevisionismus und nationalsozialistische Hetze". NPD und Pro Deutschland wollten dort anlässlich des Jahrestages des DDR-Volkaufstandes demonstrieren. Doch zur "Pro"-Kundgebung kamen nur ein Dutzend Demonstrierende. Bei der NPD waren es mittags 30 Nazis (WELT online).

Operation "Rennsteig": NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen fordert Namen der V-Leute

Nach den Enthüllungen um eine Operation mehrerer deutscher Geheimdienste in der Thüringer Neonazi-Szene hat die Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Dorothea Marx, die Nennung der Namen der beteiligten V-Leute gefordert. Selbst wenn es keine Akten mehr geben sollte, müsse es möglich sein, die Beteiligten an der Operation "Rennsteig" ausfindig zu machen. Am 16. Juni hatte die "Frankfurter Rundschau" aus internen Dokumenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zitiert, in denen von einer Geheimdienstoperation "Rennsteig" berichtet wird. Demnach führten der Bundesverfassungsschutz, der Thüringer Geheimdienst und der Militärische Abschirmdienst zwischen 1997 und 2003 bis zu zehn V-Leute im rechtsextremen Thüringer Heimatschutz. Ein großer Teil der Akten sei aber bereits vernichtet worden. Die Linke-Innenexpertin Martina Renner forderte umfangreiche Aufklärung. Wenn die Berichte stimmten, stehe die Frage im Raum, "inwieweit der Thüringer Heimatschutz mit Spitzeln so durchsetzt war, dass die Geheimdienste eine steuernde Funktion in der Neonazi-Organisation ausgeübt haben", sagte Renner. Im Untersuchungsausschuss zur Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) müsse zudem geklärt werden, wer die V-Leute waren, ob sie an Waffentrainings teilnahmen und ob sie sich bei Gewaltdelikten strafbar gemacht hätten. Eine weitere Frage ist, warum die Operation nicht im offiziellen "Schäfer-Bericht" auftauchte (mdr, publikative.org, DNN online).

Nach NSU-Pannen: Verfassungsschützer wollen ihre Zentrale stärken

Als Konsequenz aus den Pannen bei der Aufklärung der Neonazi-Morde möchte der Verfassungsschutz die Ermittlungskompetenzen grundlegend ändern. Vorbild der Reform sind die Polizei-Strukturen – mit einer starken Zentrale parallel zum Bundeskriminalamtl (Focus online)

Demo gegen Neonazis in Eschede

Rund 30 Personen haben am Samstagnachmittag in Eschede spontan gegen ein Treffen von Anhänger der Jungen Nationaldemokraten auf dem Hof vom Joachim Nahtz protestiert. An der Zufahrt zum Finkenberg zeigten die Demonstranten mit Plakaten und Bannern zwei Stunden lang Präsenz (Cellesche Zeitung).

NPD demonstriert sich in die Bedeutungslosigkeit

Die Stadt Wiesloch hat sich am Samstag mit rund 120 Unterstützergruppen gegen einen geplanten NPD-Aufmarsch gewehrt. Rund 3000 Gegendemonstranten blockierten 28 Nazis aus dem Kameradschaftsspektrum. Innerhalb weniger Jahre führte eine Strategie von beständiger Präventionsarbeit und politisch unterstützten Sitzblockaden die regionale Naziszene in die politische Bedeutungslosigkeit (publikative.org).

Schwarzach protestiert bunt und energisch

Demonstration Die Bürger von Schwarzach im Landkreis Kulmbach wollen die NPD nicht in ihrem Dorf haben. Das zeigten sie Samstagnachmittag mit einem bunten Demonstrationszug mit rund 300 Teilnehmer*innen. Anlass war der Bayerntag der NPD auf einer Wiese unweit des Ortes. Zusammen mit dem Aktionsbündnis "Kunterbunt" hatten Schwarzacher Bürger die Protestveranstaltung vorbereitet (inFranken.de, Stoerungsmelder.org).

Uefa prüft Rassismus-Vorfälle kroatischer Fans

Die Uefa hat ein Disziplinarverfahren gegen den kroatischen Verband HNS eröffnet - zum zweiten Mal bei der Fußball-EM: Kroatische Fans sollen den dunkelhäutigen italienischen Stürmer Mario Balotelli beim Vorrundenspiel mit Bananen beworfen sowie Gebärden und Geräusche von Affen imitiert haben (Spiegel online).

EM 2012: Fans und Faschisten

Rassismus, Homophobie und Chauvinismus – Das Fußballfest Europameisterschaft hat viele Schattenseiten (mut-gegen-rechte-gewalt.de).

EM: Hooligans in Polen: Haftstrafen für die „Dummköpfe“

Nach den Krawallen in Warschau kämpft Polen gegen Hooligans und um sein Image als Gastgeber. Die ersten Urteile wurden bereits gefällt. Doch der Kampf geht auch nach der EM weiter. Im Stadion haben die Fans Banner enthüllt, sie tragen kryptische Zeichen, die an keltische Kreuze und Hakenkreuze erinnern, und Aufschriften wie „White Legion“ oder „Nieznani Sprawcy“ - unbekannte Täter. Kein Zufall, dass die Initialien eine doppelte Bedeutung haben: „NS“ prangt auf einer überdimensionierten Rasierklinge. Daneben hängt das Symbol einer bekannten Hooligan-Gruppe, der Teddy Boys. Solche Szenen sind im polnischen Fußball an der Tagesordnung (faz.net).

Berlin: Nazi-Schmierer verliert bei Flucht vor Polizei Portemonnaie - und ist NPD-Abgeordneter in MV

Haken- und Keltenkreuze sowie der Schriftzug „NW Berlin“ (Nationaler Widerstand) – vermehrt tauchten in den letzten Tagen wieder rechtsextreme Schmierereien an Gedenktafeln und Kultureinrichtungen in der ganzen Stadt auf. Auch das Haus der Jugend Köpenick (HdJK) wurde beschmiert - allerdings stellte sich einer der Täter dort dumm an. Nachdem Nazi-Parolen an die Außenwand gesprüht wurden und ein Böller explodierte, flüchteten die rechtsextremen Schmierer über einen Zaun. Beim Überklettern verlor einer sein Portemonnaie. Nach Informationen des Berliner Kurier handelt es sich dabei um den Geldbeutel samt Dokumenten des NPD-Politikers Alf B., seines Zeichens Abgeordneter im Kreis Nordwestmecklenburg an der Ostseeküste und Vorsitzender der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Mecklenburg-Vorpommern.

Konkurrenz unter Nazis: Auf den Trümmern der DVU

Der Neonazi Christian Worch gründet eine neue rechtsextreme Partei. Für den Namen hat er sich etwas ganz Besonderes ausgedacht: Sie heißt: "Die Rechte". Der Name sei nicht so verbrannt wie der der NPD (taz, bnr.de).

„Anonymous“ schlägt wieder zu: „Rock O Rama“-Webseite gehackt

In den letzten Wochen war es relativ still um die Hacker des „Anonymous“-Netzwerkes. Doch gestern meldeten sich die Aktivisten des „FuckNaziFriday“ mit einem Paukenschlag zurück und legten die Webseite des Rechtsrock-Labels „Rock O Rama“ lahm. Auch Daten mutmaßlicher Kunden wurden zum Download bereitgestellt (Endstation rechts).

Diskussion: Identitäts-Suche "Zwischen den Polen"

Im Rahmen des Festivals "48 Stunden Neukölln" wurde am Freitag über das "Polnisch sein in Berlin" diskutiert. Alice Bota, die seit ihrem 8. Lebensjahr in Deutschland ist, stellte fest, dass sie sich häufig "nicht deutsch, nicht polnisch, sondern wie etwas Drittes fühle". Wie es sich in der weiteren Diskussion herauskristallisierte, soll ebendieses Dritte - eine Art liquider Identität, wie es später treffend aus dem Publikum verlautete - das herausragende Moment polnischer Migranten und vermutlich auch Einwanderer aus anderen Ländern sein (B.Z.).

Prozess gegen Neonazi in Freiburg: „Notwehr“ mit Ansage

Ein Neonazi fantasiert, linke „Zecken“ in Notwehr töten zu wollen. Tage später fährt er einen Antifaschisten um – angeblich in Notwehr. Am Montag steht er in Freiburg vor Gericht (taz).

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