18.01.2012 ... Nach den Rechten sehen

Kein Freund und Helfer: Niedersächsischer Kriminaloberkommissar lebt rechtsextreme Einstellungen im Dienst +++ Dresden: Panikmache vor Gegendemonstrant/innen +++ Homophobie und Fußball: Wie sollten Vorbilder agieren?

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Kein Freund und Helfer: Kriminaloberkommissar lebt rechtsextreme Einstellungen im Dienst
Ein verdeckter Ermittler des Landeskriminalamts Niedersachsen steht im Verdacht, starke Sympathien für die rechte Szene zu hegen – genau diese Szene allerdings sollte der Kriminaloberkommissar überwachen. Nun läuft ein internes Disziplinarverfahren gegen den Mann, der unter anderem durch seinen rassistischen und abwertenden Sprachgebrauch auffiel - und auch schon mal im Dienst Rechtsrock-CDs abspielte und Kollegen mit der Dienstwaffe bedrohte. Beim LKA arbeitet er allerdings immer noch (HAZ).

Dresden: Panikmache
Die Grünen kritisieren die Warnungen von Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos und Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann vor einer Mobilisierung der linksextremen Szene angesichts der im Februar geplanten Neonazi-Aufmärsche in Dresden. Diese Warnungen seien "einseitige Panikmache", sagte der Grünen-Rechtsexperte Johannes Lichdi am Dienstag in Dresden. Dies bediene unnötige Ängste. Es gehe doch darum, dass viele Bürger auf die Straße gingen, um gegen die Naziaufmärsche zu demonstrieren (Freie Presse). Ob das auf offene Ohren stößt, ist die Frage: Von Innenminister Markus Ulbig (CDU) kursiert derzeit ein Video im Internet, indem er sich gegen Antifaschismus ausspricht und meint, der sei keine Lösung gegen Neonazis ("Dialog Sachsen", auf Youtube).

Homophobie und Fußball: Lahm rät von Outings ab
Nationalmannschafts-Kapitän Philipp Lahm rät von Outings von Homosexuellen ab: Die Gesellschaft sei noch nicht so weit, schwule Fußballer als selbstverständlich zu akzeptieren. Dagegen wehren sich schwule Sportler wie der NBA-Basketballer John Amaechi: Als Vorbild müsse Lahm kämpferischer agieren, um die Gesellschaft positiv zu beeinflussen (kicker.de-Video).

Neonazi-Zentralregister: Kein Allheilmittel
Löst ein Zentralregister aller gefährlichen Neonazis das Problem mit dem Rechtsextremismus in Deutschland? Natürlich nicht, sagt Wissenschaftler Alexander Häusler, und warnt: "Eine Verbunddatei kann helfen, einen genaueren Lageblick zu bekommen. Aber es gibt eine klare politisch-juristische Grenze: Diese Datei darf sich nicht zu einer Gesinnungsdatei entwickeln. Die historisch begründete Trennung von Verfassungsschutz und Polizei muss aufrechterhalten werden." (WDR.de)

Gegenwind von den Länderinnenministern - sie wollen den Bund bei der Aufklärung nicht im Boot haben
Noch ehe der Bundestag die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses und einer Bund-Länder-Expertenkommission zur Aufklärung der Begleitumstände der jüngsten neonazistischen Mordserie in Deutschland beschlossen hat, hat die Spitze der Länderinnenministerkonferenz die Entschlossenheit zum Informationsboykott gegenüber Bundesgremien bekräftigt. Die parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit der Exekutive in den Ländern obliege ausschließlich den Landesparlamenten und keinem Bundesgremium (Boulevard Baden.

Starke Frau über alltäglichen Antiziganismus
"Meinen ersten Job im Plattenladen habe ich zum Beispiel nur bekommen, weil ich mich als Italienerin ausgegeben habe." Dotschy Reinhardt, 33, ist Jazz-Sängerin und Sinteza. Sie entstammt der Sinti-Familie, zu der auch der Gitarrist Django Reinhardt gehört. Nächste Woche erscheint ihr Buch „Gypsy“ (Scherz), am 12.9. singt sie im Babylon. Sie lebt mit ihrem Mann, dem Swing-Musiker David Rose, in Berlin-Pankow. Das Interview mit ihr im Tagesspiegel ist berührend, weil sie so offen über erlebte Diskriminierung berichtet und dabei so ein positiver Mensch ist.

Nazi schlägt "Kamerad" - Bewährungsstrafe
Vor einem Jahr war der 22-Jährige noch Anführer der rechtsextremen „Deutschen Hilfsorganisation“ (DHO) gewesen – einer Neonazi-Kameradschaft aus dem Umfeld des sogenannten Freien Widerstands Kassel (FWKS). Gegründet hatte er sie zusammen mit eben jenem Mann, den er im Februar 2011 niederschlug. Heute engagiert er sich dagegen bei den Adventisten. Und will mit der rechten Szene nichts mehr zu tun haben. Das Gericht verhängte eine Bewährungsstrafe (hna.de).

Rechtsextremer Bombenbauer in Haft - für Raub
Einer der beiden Aachener Neonazis, die im Februar 2011 wegen des Bauens von Sprengkörpern verurteilt wurde, ist nun vor dem Amtsgericht Aachen wegen Raub und Körperverletzung verurteilt worden. Das Gericht sah es am heutigen Montag als erwiesen an, dass Falko W. (21) im August 2011 seinem 45 Jahre alten Onkel bei einem Raubüberfall auf eine 56-Jährige geholfen hat. W. selbst war langjähriger Anhänger der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL). Im Februar 2011 war W. wegen der Vorbereitung von Explosionsverbrechen, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung verurteilt worden. W. und Daniel T. hatten Sprengkörper aus pyrotechnischen Gegenständen und Glasscherben gebaut hatten, die am 1. Mai 2010 in Berlin bei einem Neonazi-Aufmarsch gegen Polizisten und Gegendemonstranten eingesetzt werden sollten (bnr.de).

Friedberg: NPD-Mann im Bürgerbüro
Im Friedberger Bürgerbüro arbeitet ein Angestellter, der allem Anschein nach Kontakte zu Neonazis unterhält. Der Stadt sei die Gesinnung des Mitarbeiters bekannt, sagt Bürgermeister Michael Keller, doch "man kann nicht mit Mitteln des Arbeitsrechts politische Fragen lösen" (Frankfurter Rundschau, Wetterauer Zeitung).

Ferdinandshof: Eltern-Klage gegen NPD kommt voran
Auf den NPD-Fraktionschef im Landtag, Udo Pastörs, und seine Anhänger könnten Schadenersatzforderungen von mehr als 25.000 Euro zukommen. Für eine Klage von Eltern aus Ferdinandshof (Vorpommern-Greifswald) gegen die NPD zeichnet sich in kommenden Tagen eine Vorentscheidung ab. Der Zivilrechtsstreit um die im Landtagswahlkampf der Rechtsextremisten verletzten Persönlichkeitsrechte von Kindern wird am Amtsgericht Schwerin bearbeitet (svz.de).

Köln: Rechter Ratsherr muss für Hetze zahlen
Gegen den rechtsextremen Ratsherren Jörg Uckermann ("Pro Köln") ist ein Strafbefehl erlassen worden. Grund dafür sind seine Äußerungen während einer gescheiterten „Pro Köln“-Demo in Kalk im November 2011. Er soll 5400 Euro zahlen - aber er will nicht (ksta.de).

Barbara John: Polizei-Schulungen für Arbeit in der Einwanderungsgesellschaft vernachlässigt
Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer-Angehörigen der rechtsextremen Mordserie, Barbara John (74), fordert eine Reform der Polizeiausbildung in Deutschland. Dem Tagesspiegel sagte die CDU-Politikerin und frühere Ausländerbeauftragte des Berliner Senats: „Die Haltung der Polizei muss sich grundlegend ändern, um bei fremdenfeindlichen Verbrechen aufmerksamer und kompetenter zu sein. Das kann man durch Training lernen. Leider ist die Polizeiarbeit in einer Einwanderungsgesellschaft in dieser Hinsicht nie als grundlegende Aufgabe angesehen worden (Tagesspiegel.de).

Moers gegen Intoleranz
Am 28. Januar um 11.30 Uhr setzen Bürger/innen und Initiativen ein Zeichen gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Intoleranz: Mit einer Menschenkette in der Innenstadt. Über 80 Schulen, Vereine und Organisationen wollen sie unterstützen (DerWesten).

Brauner Spuk mit weißen Masken
Mit ihrer „Unsterblichen“-Kampagne wollen Neonazis durch spektakuläre Aktionen für Aufmerksamkeit sorgen und den Kampf gegen einen angeblichen „Volkstod“ führen – in der Szene ist das Konzept allerdings umstritten (bnr.de)

Immobilienkäufe der NPD: Rückzugsgebiet ländlicher Raum
Aktuell versuchen Neonazis wieder einmal vermehrt, Immobilien oder Grundstücke im ländlichen Raum zu erwerben - weil sie hoffen, dort auf weniger Widerstand aus der Bevölkerung zu stoßen. Das ist aber zum Glück nicht unbedingt der Fall, wie der MDR-Bericht aus Nerkewitz bei Jena zeigt.

Das eigene Kind in braunen Fängen
Was können Eltern tun, wenn das eigene Kind plötzlich den Holocaust leugnet und gegen Ausländer hetzt? Die "Onlineberatung gegen Rechtsextremismus" berät bundesweit Familien, deren Angehörige in die Neonazi-Szene geraten sind (Märkische Oderzeitung).

Und schon wieder der "CSU-Innenexperte" Uhl
Diesmal spricht sich Hans-Peter Uhl gegen einen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Neonazi-Morde aus. Kein Wunder, gestern meinte er ja noch, die Opfer seien selbst daran Schuld, dass sie umgebracht werden, wenn sie nach Deutschland kommen (Main-Post)

NSU hatte Hausverbot in KZ-Gedenkstätte Buchenwald
Das Neonazi-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, auch bekannt als "NSU", hatte in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar seit 1996 Hausverbot - weil ihnen ihre Gesinnung anzusehen war: "Von solchen Leuten ist nicht anzunehmen, dass sie der Opfer des Nationalsozialismus gedenken wollen - im Gegenteil", so der Direktor der Gedenkstätte (BILD).

Zehn Wochen nach der NSU-Entdeckung: Schweigen
Zehn Wochen nach dem Ende der Nazi-Terrorgruppe wird jenseits von Politik, Behörden und Medien vor allem – geschwiegen. Doch es gibt noch viel zu tun (Kommentar, Tagesspiegel).

Darf Kunst rassistische Bücher unschädlich machen?
Der tschechische Künstler Martin Zet will aus Sarrazin-Büchern zur Berlin-Biennale eine Skulptur schaffen und sie hinterher recyceln. Was für ihn ein überlegter Umgang mit rassistischem Gedankengut ist, wird in Teilen der deutschen Öffentlichkeit aufgeregt als "Bücherverbrennung" diskutiert. Ein Internview in der Welt.

Pfarrer erhält Schreibverbot für die "Junge Freiheit"
Der Stadtpfarrer von Ichenhausen, Georg Alois Oblinger, hat vom Bistum Augsburg einen Maulkorb bekommen. Das berichtet die Günzburger Zeitung. Der Theologe hatte jahrelang für die neurechte Wochenzeitung "Junge Freiheit" geschrieben. Nun habe man Oblinger aufgefordert, nicht mehr für die Junge Freiheit zu schreiben, so das Bistum Augsburg (dona3fm)

Chemnitzer/innen machen mobil gegen Nazis
Chemnitz nazifrei - ein großes Bündnis aus Stadt und Institutionen will dieses Jahr einen erneuten Aufmarsch der NPD am 5. März verhindern. Ziel ist es, ab 16 Uhr durch Demos und Aktionen im Zentrum den Rechten den Platz zum Marschieren zu nehmen. Superintendent Andreas Conzendorf zur Strategie: „Wo ein Mensch ist, kann kein anderer sein!“ (Sächsische Zeitung).

Berlin: Ausstellung in der Topographie des Terros zur Kinder-Euthaniasie in der NS-Zeit
Mit einer neuen Sonderausstellung wird ab Mittwoch in der Berliner Stiftung Topographie des Terrors an die systematische Ermordung von über 10.000 behinderten Kindern im Nationalsozialismus erinnert. Beleuchtet wird in der Ausstellung unter dem Titel "Im Gedenken der Kinder. Die Kinderärzte und die Verbrechen an Kindern in der NS-Zeit" insbesondere die Rolle der Kinderärzte zwischen 1933 und 1945, die sich in großer Zahl an den Tötungen der im NS-Jargon "lebensunwerten“ Kinder direkt oder indirekt beteiligten oder an ihnen im Namen der Wissenschaft experimentierten. Die Ausstelung ist bis zum 20.05. in Berlin zu sehen (rbb, pnp)

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