17.01.2012 ... Nach den Rechten sehen

Unfassbare Argumentation von Hans-Peter Uhl (CSU): NSU-Opfer selbst schuld +++ Zentralregister für Neonazis soll am Mittwoch beschlossen werden: Auch Drahtzieher werden erfasst +++ Neonazi-Konzert in der Schweiz: Mutmaßlicher NSU-Unterstützer zu Besuch.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Unfassbare Argumentation von Hans-Peter Uhl (CSU): NSU-Opfer selbst schuld
Wären die von den Neonazi-Terroristen ermordeten Opfer gar nicht erst nach Deutschland gekommen, wären sie heute am Leben. So argumentierte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl nach einer Meldung der Katholischen Nachrichtenagentur am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion Jesuiten-Hochschule in München. „Eine gute und vernünftige Einwanderungspolitik muss zum Ziel haben, dass keine Kampfgruppen am rechten Rand entstehen“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion. Der soziale Frieden dürfe nicht gefährdet werden, habe Uhl gewarnt. Es nütze nichts, wenn man die ganze Welt umarme, dabei aber die eigenen Bürger aus den Augen verliere. Eine "klassische" Schuldumkehr-Argumentation, die den Opfern die Schuld zuweist, die die Täter trifft - die aber angesichts von neun toten Mordopfern mit Migrationshintergrund an Zynismus kaum zu überbieten ist (Migazin).

Zentralregister für Neonazis soll am Mittwoch beschlossen werden: Auch Drahtzieher werden erfasst
Union und FDP haben sich auf ein neues nationales Neonaziregister geeinigt. Dort sollen auch Hintermänner und Finanziers gespeichert werden (taz, Spiegel).

München: Rechtsextreme greifen Punks an
Am Samstag, 14.01.2012, gegen 00.40 Uhr, hielten sich ein 23-jähriger Angestellter und ein 17-jähriger Schüler am Hauptbahnhof auf. Am Ausgang zur Arnulfstraße trafen sie auf einen 29-Jährigen und einen 22-Jährigen. Zunächst beleidigten die beiden Männer den 23-Jährigen und den 17-Jährigen, welche aufgrund ihres Aussehens als Punker zu erkennen waren, mit den Worten „Was wollt ihr Zecken“. Anschließend schlugen sie gemeinsam auf den 23-jährigen Angestellten ein und verletzten diesen mit einem Faustschlag im Gesicht. Danach griffen sie gemeinsam den 17- jährigen Schüler an. Dieser erlitt durch die Schläge eine stark blutende Nase (Abendzeitung).

Neonazi-Konzert in der Schweiz: Mutmaßlicher NSU-Unterstützer zu Besuch
Die Schweizer Rechtsrockband "Indiziert" mit szenebekannten Mitgliedern aus Burgdorf und dem Oberaargau machte in den letzten Jahren immer wieder Schlagzeilen mit unerwünschten Auftritten und Musik mit unverhohlen rassistischem Inhalt. Nachdem man von der Gruppe längere Zeit nichts mehr gehört hatte, war es am Samstagabend wieder einmal soweit: «Indiziert» feierte im Utzenstorfer Restaurant Bahnhof mit einem Jubiläumskonzert ihr 10-jähriges Bestehen, wie die Berner Antifa in einer Mitteilung schreibt. «Besucht wurde das Konzert von rund 120 Neonazis aus der Schweiz und dem nahen Ausland.» Unter den Besuchern aus Deutschland war - laut seinem eigenen Twitter-Eintrag - Thomas Gerlach, gegen den derzeit als mutmaßlicher Unterstützer der NSU ermittelt wird (bernerzeitung.ch)

Zwickauer Terrorzelle: 14 words und "unarische" Männer
Neu aufgetauchtes NSU-Video zeigt Bezug zu US-Nazi David Lane und seinen 14 Words (Hamburger Abendblatt, taz).

Beweismaterial zeigt zudem: Die Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrundes" wollten sich bei der Opferauswahl auf "unarische" Männer im zeugungsfähigen Alter beschränken (DerWesten, ZEIT online).

Bundeanwaltschaft: Verdacht gegen Zschäpe bleibt erhalten
Die Bundesanwaltschaft sieht ihren Verdacht gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe bestätigt - sie bleibt in Haft. Zschäpes Anwälte hatten versucht, eine Haftaufhebung zu erreichen - es gäbe nicht genug Beweise für die Beteiligung der 36-Jährigen an der Mordserie (Tagesspiegel).

Fünf V-Leute im NSU-Umfeld?
Offenbar nicht wie bisher bekannt nur einer, sondern gleich fünf V-Leute waren im Umfeld der Zwickauer Terror-Zelle im Einsatz - entsandt vom Landes-Verfassungsschutz und drei Bundesbehörden (Berliner Zeitung).

LKA hörte mutmaßlichen NSU-Unterstützer ab - Verfassungsschutz wusste nichts davon
Das Thüringer Landeskriminalamt hat mehrfach mutmaßliche Unterstützer der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle abgehört, etwa 1998. Das geht aus einem nach wie vor als geheim eingestuften Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) hervor, der dem MDR THÜRINGEN vorliegt. Allerdings scheint das Landesamt für Verfassungsschutz davon nichts gewusst zu haben (mdr.de).

NSU suchte per Video noch Mitstreiter/innen
Die Zwickauer Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) wollte offenbar weitere Rechtsextremisten anwerben, die sich an Verbrechen gegen Ausländer beteiligen. Das legt ein bislang unveröffentlichter Filmausschnitt nahe, der in der Endfassung des 15-minütigen “Paulchen-Panther-Videos” der NSU nicht auftauchte (elo-forum, sueddeutsche.de).

"Döner-Morde" ist das Unwort des Jahres 2011
Und womit. Mit Recht. (echo-online.de)

Rechtsextremismus in Winterbach: Ein Brandanschlag und seine Folgen
Auf versuchten Mord lautet die Anklage. Die beiden jungen Männer sollen maßgeblich beteiligt gewesen sein, als Neoanzis in der Nacht vom 9. auf den 10. April vergangenen Jahres eine Gartenhütte anzündeten, in die sich fünf junge Ausländer vor ihnen geflüchtet hatten. Jetzt beginnt der Prozess in Stuttgart (Stuttgarter Nachrichten). Aktuell streiten die Angeklagten alles ab (Welt.de).

Niedersachsen will weiter mit V-Leuten arbeiten
„Wir wollen jeden Rechtsextremisten in Niedersachsen mit Namen kennen und ihn oder sie aus der Anonymität herausholen.“ Dabei könne auf den Einsatz von V-Leuten nicht verzichtet werden, so Innenminister Uwe Schünemann (CDU) (nwzonline.de). Ein weiterer Vorschlag des Innenministers: Der legale Waffenbesitz soll in Zukunft Anhängern der rechtsextremen Szene verwehrt bleiben. Auch bei nicht als gewalttätig bekannten Extremisten hätten Waffen nichts verloren, sagte der CDU-Politiker am Montag in Hannover bei der Vorstellung eines neuen Konzepts gegen Rechtsextremismus. Derzeit laufe die Überprüfung aller seit 2006 wegen rechtsextremistisch motivierter Straftaten auffällig gewordenen Personen im Land. Wer einen Waffenschein besitze, müsse diesen dann wegen Unzuverlässigkeit abgeben (Welt online).

Rückschau aufs Wochenende:

In Magdeburg demonstrieren 10.000 gegen Nazis
10.000 Menschen gingen in Magdeburg gegen den rechtsextremen "Trauermarsch" auf die Straße - aber auch die Neonazis waren mit 1.200 Teilnehmer/innen stark vertreten. In den Abendstunden kam es zu Ausschreitungen (taz, stern.de, publikative.org).

Nazis in Mühldorf blockiert
Etwa 50 junge Leute haben den Neonazis am Samstagnachmittag einen Strich durch die Rechnung gemacht: Sie setzten sich im oberbayerischen Mühldorf in das Münchner Tor, so dass der rechte Demonstrationszug mit 75 Teilnehmenden nicht passieren konnte (pnp.de).

Das ist Deutschland: "Supertalent" geht aus Angst vor Abschiebung putzen
In der TV-Serie "Supertalent" gewann der gebürtige Ecuadorianer Leo Rojas (27) 100.000 Euro und einen Plattenvertrag. Trotzdem arbeitet er weiter in einer Arztpraxis als Putzhilfe. Denn für die Ämter sind Gewinne egal - da muss ein Arbeitgeber auf dem Papier stehen. Rojas lebt seit zwölf Jahren in Deutschland. Seine aktuelle Aufenthaltserlaubnis wurde gerade bis 2013 verlängert (BILD).

Rechtsextremismus in Euskirchen: Kameradschaft bedroht Schülerin
seit 2007 existiert mit den „Freien Nationalisten Euskirchen“ (FNE) eine aktive und gut vernetzte neonazistische Kameradschaft in der nordrhein-westfälischen Provinz, die auf langjährig gewachsene Strukturen und umfangreiche Infrastruktur zurückgreifen kann. Eilig beschloss der Rat der Stadt im Angesicht der medialen Berichterstattung als auch anlässlich der Zwickauer Nazi-Zelle eine Resolution gegen rechts. Geholfen ist der bedrohten Schülerin damit nicht – und die Kameradschaft wird so auch nicht gestoppt. Ein Blick auf die organisierte rechte Szene in der Eifel (Störungsmelder).

Porträt: Kerstin Köditz
Kerstin Köditz beobachtet die Neonazi-Szene seit Jahren intensiv. Mal wird die 44-Jährige, die für die Linkspartei im Sächsischen Landtag sitzt, bedroht, mal verspottet. Die Existenz eines rechten Terrornetzwerks überrascht sie nicht. Jetzt wird ihr zugehört - auch von Parteikolleg/innen, die sie zuweilen belächelten (Sächsische Zeitung).

Justiz und Psychologie: Breivik muss zur Verantwortung gezogen werden
Ein Gutachten hält den islamfeindlichen Attentäter von Oslo für krank. Er sollte aber zur Verantwortung gezogen werden: Ihm war klar, dass sein Verhalten strafbar war (pnn.de).

Berlins neue Hasskultur
Wer fremd in Berlin ist und dem "Schinderhasen" begegnet, hat Pech gehabt - denn dieser kennt kein Pardon. Zwar existiert die Figur nur in einem neuen Buch. Doch immer häufiger wird Ausländern in den Clubs und Kneipen der Stadt der Zutritt verwehrt. Aus "Schwabenhass" werden sogar Kinderwagen abgefackelt - das alternative Berlin offenbart einen reaktionären Unterton (Süddeutsche).

Schweiz: Zentralbank-Skandal mit politischer Dimension - habt Rechtspopulist Blocher die Strippen gezogen?
Welche Rolle hat Christoph Blocher, Vordenker der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) und schärfster politischer Widersacher Philipp Hildebrands, im Schweizer Zentralbank-Skandal gespielt? Bisher wurde Blocher nur als "Auskunftsperson" befragt, es bestehe kein Tatverdacht, hieß es. Gegen zwei seiner Parteifreunde wurden jedoch Strafverfahren eröffnet. Einer von ihnen, der Thurgauer Anwalt Hermann Lei, hatte einem mutmaßlichen Datendieb Kontakt zu Blocher vermittelt. Blocher konfrontierte daraufhin die Regierung mit den Informationen über Hildebrands problematische Dollarkäufe. Nachdem sich diese jedoch hinter Hildebrand stellte, veröffentlichte sie die „Weltwoche“ als Beleg für die Hildebrand vorgeworfenen Insider-Geschäfte. Nun möchte eine Allianz von Politikern herausfinden, warum die "Weltwoche" der SVP plötzlich so nahe steht (Welt)

Pößnecker Schüler entwickeln Unterrichtskonzept zur Aufklärung über rechtsextreme Symbolik
Was Trikotnummern so in sich haben können: Pößnecker Schüler entwickeln Unterrichtskonzept zur Aufklärung über rechtsextreme Symbolik und informieren darüber gern weitere Interessierte (otz.de).

Zu doof für die eigenen Hetze: Nazis sprühen in Duisburg "Deutschland den Deuten" (Der Westen).

Initiativen fordern wirksame Aufklärung
Zeitgleich zur parlamentarischen Diskussion über die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags trafen sich am Freitag in Berlin mehr als 30 Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Organisationen, darunter das apabiz, die Amadeu Antonio Stiftung und der Verein für demokratische Kultur in Berlin, zum Thema NSU (www.amadeu-antonio-stiftung.de).

Premiere von „Kriegerin“
Die „Kriegerin“ zeigt das widersprüchliche Leben einer Frau in der Neonaziszene. Am 11. Januar 2012 fand die Premiere von David Wnendts Regiedebut „Kriegerin“ statt. Der Regisseur des mehrfach ausgezeichneten und definitiv sehenswerten Films macht nun, vor dem Kinostart am 19.1., eine kurze Tour, um den Film in einigen Städten vorzustellen. Auch Mut gegen rechte Gewalt hat für den Film geworben, wie sich bei der Premiere zeigt, zu recht.

Die Musik der "Kriegerin"
Der Berliner Jazzgitarrist Johannes Repka schuf gewaltverherrlichende Nazisongs – nur fürs Kino. Um jede Irritation zu vermeiden, distanzieren sich alle Musiker im Abspann von den rechtsradikalen, volksverhetzenden und gewaltverherrlichenden Inhalten. Deswegen gibt es auch keinen Extra-Soundtrack zum Film. Echte Nazi-Songs wollte der Regisseur nicht verwenden, um ihnen nicht zu huldigen - und den rechtsextremen Bands keine Tantiemen zahlen zu müssen (Berliner Zeitung).

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