Nach den Rechten sehen: NSU-Ermittlungen: Zschäpes Ex-Freund war offenbar V-Mann +++ NSU-Ausschuss: Hintergründe des Polizistinnenmordes bleiben unklar +++ Aussteiger: Neonazis lehnen Terrorismus derzeit nur aus taktischen Gründen ab.
Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de
NSU-Ermittlungen: Zschäpes Ex-Freund war offenbar V-Mann
Ein mutmaßlicher NSU-Helfer hat mehr als zehn Jahre lang für das Berliner Landeskriminalamt als V-Mann gearbeitet. Thomas S. sei von Ende 2000 bis Januar 2011 als Quelle des Berliner LKA aktiv gewesen, berichteten der "Stern" und "Spiegel Online"; auch der "taz" liegen entsprechende Erkenntnisse vor. Thomas S. soll den Rechtsterroristen Ende der 1990er-Jahre Sprengstoff besorgt haben. In einem internen Papier des Landesamtes für Verfassungsschutz Thüringen vom 30. November 2011, das tagesschau.de vorliegt, wird ein Vermerk vom 09. September 1998 zitiert, wonach Beate Zschäpe "zuletzt mit dem Blood & Honour-Mitglied" Thomas S. "liiert" gewesen sei. S. stand demnach auch mit dem sächsischen Rechtsrockproduzenten Jan W. in Kontakt, der zu den untergetauchten Neonazis Kontakte gehalten haben soll (Spiegel online, tagesschau.de).
BGH: Mutmaßliche Terroristin Zschäpe bleibt in U-Haft
Der Bundesgerichtshof entschied am Donnerstag, dass Beate Zschäpe in U-Haft bleiben muss. Dort ist sie seit Anfang November 2011 (Hamburger Abendblatt).
NSU-Ausschuss: Hintergründe des Polizistinnenmordes bleiben unklar
Auch nach der Befragung von leitenden Ermittlern tappt der NSU-Untersuchungsausschuss bei den genauen Hintergründen zum Heilbronner Polizistenmord weitgehend im Dunkeln. "Ich habe immer noch keine plausible Erklärung gefunden, warum Michele Kiesewetter Opfer der Neonazis geworden ist", sagte Linkspartei-Obfrau Petra Pau am Donnerstag in Berlin (Welt online). Derweil wurde außerdem bekannt, dass auch das Land Berlin offenbar wichtige Akten vor dem Untersuchungssausschuss zurückgehalten hat (Münsteraner Zeitung).
NSU-Aktenpanne: Sachsen-Anhalts Verfassungsschutzchef tritt zurück
Akten im Fall Mundlos seien zurückgehalten worden, hieß es. Dann lagen sie dem Geheimdienst Sachsen-Anhalts doch vor. Verfassungsschutzchef Volker Limburg zieht die Konsequenz und tritt zurück (ZEIT online). Einen klaren Kommentar zu den "Aktenpannen" der Geheimdienste gibt es auf Welt online.
Aussteiger: Neonazis lehnen Terrorismus derzeit nur aus taktischen Gründen ab
Während die Behörden sich noch wundern, dass Nazis auch geplant gewalttätig sein können, berichten rechtsextreme Aussteiger: Die Nazi-Szene lehnt Terrorismus nur aus taktischen Gründen ab - noch. Führende Kader der Szene verkündeten heute, dass es „noch nicht an der Zeit“ sei, Terrorismus anzuwenden. Übermütigen Neonazis wird Geduld abverlangt, „der Tag wird kommen!“. Bis dahin sei Basisarbeit gefragt. Terrorismus mache nur Sinn, wenn die Strukturen darauf gefeit sind. Es müssen Nachahmungstäter da sein, die wissen, was zu tun ist. Es müsse eine breite Basis dahinterstehen, um Flüchtige aufzufangen und zu decken. Die Bevölkerung müssse über die Hintergründe der Taten aufgeklärt sein, nur so könne Terrorismus zum erreichen der politischen Ziele eingesetzt (Endstation rechts).
Anklamer Nazi-Prozess: Strafanzeige gegen den wichtigsten Zeugen
Der 2. Verhandlungstag im Prozess gegen die mutmaßlichen Neonazis Toni R. und Timm L. beginnt am Greifswalder Amtsgericht gleich mit einer Überraschung. Der Verteidiger des Nebenklägers stellt wegen Falschaussage Strafanzeige gegen den bisherigen Hauptbelastungszeugen, der gegen Toni R. aussagen soll. R‘s Verteidiger Kroll ist erbost: Der Anwalt der Nebenklage nutze den Prozess als politische Bühne und setze die gesamte rechte Szene auf die Anklagebank. Hintergrund der Strafanzeige ist das Verhalten des Zeugen in der letzten Verhandlung: Der konnte sich vor Gericht nämlich an viel erinnern - nur nicht mehr an den Tathergang. Bei der Polizei war das noch anders (Nordkurier).
Gericht: Führerscheinentzug für aggressiven Neonazi erlaubt
Einem mehrfach wegen Körperverletzung und anderen Delikten verurteilten Straftäter aus der rechten Szene darf der Führerschein entzogen werden, auch wenn er im Straßenverkehr bisher nicht negativ aufgefallen ist. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestätigte eine Anordnung der zuständigen Verkehrsbehörde gegen einen jungen Mann aus Dortmund (AZ: 7 L 896/12). Wegen seines hohen Aggressionspotenzials sei auch ohne ein medizinisch-psychologisches Gutachten von einer fehlenden charakterlichen Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr auszugehen (Welt online).
NPD-Aussteiger vor Gericht: Abrechnung mit einem Abtrünnigen
Uwe Luthardt, ehemals Vorstandsmitglied im NPD-Kreisverband Jena, steht vor Gericht. Seine früheren Parteifreunde haben ihn verklagt. Er hat sich von ihnen abgewandt und Interna ausgeplaudert. Das wollen sie ihm verbieten. Die Verhandlung wird zur Farce. Seit drei Jahren läuft der Prozess, der den Richter offenbar wenig interessiert (Spiegel online).
Sehr gut: Schlappe für Geert Wilders bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden
Der einstige „Shootingstar“ unter den europäischen Rechtspopulisten, Geert Wilders, ist bei den niederländischen Parlamentswahlen mit seiner „Partei für die Freiheit“ heftig abgestürzt – sie büßte ein Drittel ihrer Sitze ein. Offenbar hat sich ihr europafeindlicher Kurs nicht ausgezahlt. Wilders kündigte unterdessen an, „knallhart“ zurückzukommen (Endstation rechts, ZEIT online, DerWesten).
Na klar: Pro Deutschland will Mohammed-Film in Berlin zeigen
Keine Provokation in den Rechtspopulist*innen von "Pro Deutschland" zu geschmacklos: Die rechtspopulistische Splitterpartei will den heftig umstrittenen Schmäh-Film aus den USA über den Propheten Mohammed in Berlin zeigen. Das kündigte die Bewegung am bereits Mittwoch auf ihrer Internetseite an, ohne einen genauen Termin oder Ort zu nennen. Das Video, in dem Mohammed als Mörder, Kinderschänder und Frauenheld dargestellt wird, hat eine Welle der Gewalt in der islamischen Welt ausgelöst. In Libyen wurden der US-Botschafter und drei weitere Amerikaner getötet. Die Berliner Polizei prüft derzeit die Ernsthaftigkeit der "Pro"-Ankündigung (ZEIT online).
Islamfeindliches Hassvideo: Kein jüdischer Macher, Filmcrew getäuscht
In der immer schneller werdenden Informationswelt wird es zunehmend wichtiger, Quellen zu überprüfen: So stimmten an den ersten Angaben zum Macher und Hintergrund des islamfeindlichen Hass-Videos "Unschuld der Muslime" absolut nichts - und das mit (antisemitischer) Absicht: Der Macher ist kein in den USA lebender israelischer Jude namens Sam Bacile, und es gab wahrscheinlich auch nicht die angeblich "100 Juden", die für die Herstellung des Films insgesamt 5 Millionen US-Dollar gespendet haben sollen. Dieser Eindruck sollte aber erweckt werden - offensichtlich erfolgreich. Bisherige Recherchen von US-Medien und der Nachrichtenagentur AP legen nahe: Kein Sam Bacile, keine Israelis, keine Juden - stattdessen evangelikale US-Rechte im Verbund mit christlichen Extremisten aus verschiedenen Ländern des Nahen Ostens könnten hinter dem Video stecken. AP stieß auf mehrere Personen, die an der Herstellung des Films beteiligt waren. Im Zentrum steht Nakoula Basseley Nakoula, ein polizeibekannter Betrüger. Der 55-Jährige, nach eigener Angabe koptischer Christ, habe die Logistik für das Video bereitgestellt. Er sei allerdings nicht der Regisseur gewesen - das sei Sam Bacile. Dessen vorgebliche Handynummer führte AP allerdings wiederum zur Adresse Nakoulas, und dessen zweiter Name "Basseley" klingt womöglich nicht zufällig sehr ähnlich wie Bacile. Auch die Filmcrew und Schauspieler wurden offenbar im Unklaren darüber gelassen, an was sie da mitwirken. In einer Erklärung distanziert sich die gesamte Crew von dem Film distanziert. Die Schauspieler dachten, sie arbeiteten an einer Satire namens "Wüstenkrieger". Alle den Propheten Mohammed beleidigenden Äußerungen seien nicht so gedreht und gesprochen, sondern nachträglich überblendet worden (taz).
Heinsberg: Gewalttäter in der westdeutschen Provinz
Ermittlungen wegen versuchten Mordes, Schüsse aus Softairwaffen, Überfall einer Kneipe, ein abgebranntes Auto, Hakenkreuzgraffiti am Rathaus und der Polizeiwache, mehrere Versammlungen im Kreisgebiet, sowie Werbeaktionen und martialisches Auftreten bei Dorfevents. Die Neonaziszene im Kreis Heinsberg ist aktiv. Neben einer steigenden Gewaltbereitschaft ist auch das Bestreben nach sozialer Verwurzelung im ländlich geprägten Landkreis zu beobachten. Die regionalen Protagonisten waren fast alle Anhänger der vor kurzem verbotenen Kameradschaft Aachener Land (KAL) (Störungsmelder).
"Der neue Stürmer": Braunes Gemischtwarensortiment
Antisemitismus, Holocaust-Leugnung und NS-Propaganda pur findet sich auf der Homepage „Der Neue Stürmer“. Dahinter steckt ein Rechtsextremist aus Norwegen (bnr.de).
NPD-NRW-Zentrale ist nach Essen gezogen
Seit über zwanzig Jahren residierte der NRW-Landesverband der NPD in Bochum-Wattenscheid. Doch weil ein neuer Vermieter die Rechten dort vor die Tür setzte, sind sie umgezogen: nach Essen-Kray. Bürger und Politiker sind entsetzt über die ungebetenen Nachbarn (DerWesten, nrwrex).
Aalen: „Nazis missbrauchen das Stadtfest“
Am Vorabend der Reichsstädter Tage haben unbekannte Neonazis in der Aalener Innenstadt über 500 Aufkleber mit rechtsradikalen Parolen verklebt. Schilder und Mülleimer, aber auch private Briefkästen wurden beschädigt (Schwäbische Post, schwaebische.de).
Thor-Steinar-Laden: Demo zum einjährigen Protest in Glinde
Eine Bürgerinitiative plant zum einjährigen Andauern der Proteste gegen einen Modeladen mit bei Rechtsextremen beliebter Thor-Steinar-Kleidung in Glinde (Kreis Stormarn) eine Demonstration. Für die Veranstaltung am Samstag (15. September) seien 500 Teilnehmer angemeldet, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Auch Glindes Bürgermeister, Rainhard Zug (parteilos), will an der Demo teilnehmen (T-online News).
"Fest der Toleranz" gegen Rechtsextremismus wird am Samstag in Potsdam gefeiert
Mit einem "Fest für Toleranz" und neun weiteren Protestaktionen will Potsdam am Samstag (15. September) ein deutliches Signal gegen einen geplanten Aufmarsch der rechtsextremen NPD setzen. "Wir werden der NPD signalisieren, dass sie in unserer Stadt nicht willkommen ist", sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) am Donnerstag. Die Polizei bereitet sich mit rund 2.000 Einsatzkräften auf den Neonazi-Aufmarsch und die angekündigten Gegendemonstrationen vor (T-online News).
Weitere Infos zu Anti-Nazi-Aktionen am Wochenende gibt auf no-nazi.net