Nach den Rechten sehen: Dresden: Prozess gegen Jenaer Jugendpfarrer Lothar König beginnt +++ Berlin: Nazikneipe wird Mietvertrag gekündigt +++ Bayern: Deutschlands führende Homophobe hält Vortrag über "Familienwerte".
Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de
Dresden: Prozess gegen Jenaer Jugendpfarrer Lothar König beginnt
Vor dem Amtsgericht Dresden beginnt heute der Prozess gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in dem umstrittenen Verfahren schweren Landfriedensbruch vor (Thüringer Allgemeine). Er soll wenige Monate vor dem Auffliegen des NSU bei einer Anti-Nazi-Demonstration gewaltbereite Jugendliche gegen Polizeibeamte aufgehetzt haben (Spiegel Online). Vor dem Amtsgericht wollen Unterstützer Königs protestieren. Sie halten den Prozess für politisch motiviert, um Demonstranten gegen Neonazi-Aufmärsche zu kriminalisieren. (Freie Presse; Ostthüringer Zeitung)
Berlin: Nazikneipe wird Mietvertrag gekündigt
Das Erlanger Immobilien-Unternehmen ZBI hat den Mietvertrag mit der Berliner Neonazi-Kneipe "Zum Henker" gekündigt. Nur wenige Tage, nachdem ZBI-Vorstandschef Bernd Ital angekündigt hatte, dass man den Wirt, einen stadtbekannten Rechtsextremisten, so schnell wie möglich vor die Tür setzen wolle, sprach die Tochterfirma F&M gestern die Kündigung aus. Ital hatte diesen Schritt erst für Mai erwartet. (nordbayern.de) Aus der Kneipe heraus ist es seit ihrer Eröffnung regelmäßig zu rechten Angriffen gekommen. Deren Wirt, der Brite Paul Stuart Barrington, war selbst an rechten Angriffen beteiligt und zeitweise Betreiber einer Homepage mit dem Namen „www.ss88.de“. Das Lokal zieht ein überregionales Publikum an und serviert Cocktails mit den Namen des Sprengstoffs „C4“ und NS-Größen, wie „Himla“. (Störungsmelder)
Bayern: Deutschlands führende Homophobe hält Vortrag über "Familienwerte"
Zusammen mit der "Katholischen Erwachsenenbildung im Landkreis Regensburg“ hatte Pfarrer Erich Renner die "Psychagogin“ Christa Meves zum Vortrag nach Donaustauf geladen: "SOS – Die Familie retten, heißt Europa bewahren“ lautete die Botschaft, die es zu verbreiten galt. Sie betont in ihrem knapp einstündigen Vortrag, dass die Wahrheit auf der Seite der "Schere liegt, die für die Familie ist“. Die andere Seite dieser Schere sei jene gegen die Familie: Die Ideologen. Diejenigen, die „vom bösen Geist erfasst sind, der nicht will, dass die Bevölkerung aufwacht“. Kritische Zuhörer und vermeintliche "Störer" wurden von Thomas Albertin, Geschäftsführer der "Katholischen Erwachsenenbildung" gefilmt und fotografiert. Kritische Äußerungen und Nachfragen unterbunden. (Regensburg Digital)
NSU-Prozess: Zeitung will wegen Platzvergabe klagen
Die türkische Zeitung "Sabah" will eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einreichen. "Wir werden klagen", sagte der stellvertretende Chefredakteur Ismail Erel am Mittwochabend in München. Die Beschwerde sei aber noch nicht eingereicht. Die Presse- und die Informationsfreiheit müssten auch für die türkischsprachigen Journalisten in Deutschland gelten. Auch die türkische Tageszeitung "Hürriyet" prüft eine Klage (Welt Online). Gleichzeitig verlangt der CSU-Innenexperte Stephan Mayer vom Gericht zehn feste Plätze für ausländische Medien. (Süddeutsche Zeitung). Auch Gerichtsreporter äußern sich kritisch gegenüber der Platzvergabe und fordern eine Videoübertragung des Prozesses. (Zeit Online)
NSU-Terror: Gab es zweiten Anschlag in Dortmund?
In Dortmund könnte es einen zweiten Anschlag im Zusammenhang mit der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gegeben haben. Wie aus Unterlagen hervorgeht, wurde in der Nacht vom 30. auf den 31. März 2006 das türkische Bildungszentrum in der Dortmunder Westhofstraße mit Brandsätzen angegriffen. Der Fall wurde von der Polizei nie aufgeklärt, die Ermittlungen ergebnislos vorübergehend eingestellt. Das Besondere: Das Bildungszentrum stand auf der Anschlagliste des NSU, die in den Trümmern der Zwickauer Wohnung des rechtsradikalen Terrortrios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, gefunden wurde. (WAZ)
1. Mai: Widerstand gegen Rechtsextremismus
In Würzburg will das "Nationale und Soziale Bündnis 1. Mai“, eine Ausgeburt des Neonazi-Netzwerks "Freies Netz Süd“, mit einer „volkstreuen Demonstration“ den Internationalen Tag der Arbeit zum braunen Protesttag machen. Bis zu 600 Gegendemonstranten hatten am vergagenen Wochenende friedlich den Marsch durch die Innenstadt verhindert. (Main Post)
Polizei Hamburg: Mobbing und Nazisprüche
Hamburgs Polizei muss sich wegen des Umgangs mit einem mutmaßlich ausländerfeindlichen Mitarbeiter rechtfertigen. Jahrelang soll er Kollegen mit rassistischen Sprüchen beleidigt haben. Seine Vorgesetzten sprechen von "boshaften" und "abfälligen" Bemerkungen. Zudem soll er gesagt haben, dass jeder Hitlers Buch "Mein Kampf" zuhause haben sollte. Sogar die Staatsanwaltschaft ermittelte, das Verfahren wurde aber eingestellt, wie NDR 90,3 berichtete. Erst jetzt wurde der Mitarbeiter vom Dienst suspendiert: Er soll vor der jüdischen Josef-Carlebach-Schule am Grindel ein Foto gemacht haben von einem Totenschädel, der eine Polizeimütze trägt. Das Bild landete im Internet. Aufgenommen wurde es offenbar in dem Polizei-Container, der vor der Schule zum Schutz vor antisemitischen Anschlägen aufgestellt ist - und wo der Angestellte als Wachmann eingesetzt war. (NDR Online)
NSU-Terror: 24 V-Leute in Ermittlungsunterlagen registriert
Die Geheimdienste hatten um die Zwickauer Zelle ein dichtes Netz geknüpft. Auf die Spur des Mörder-Trios kamen sie jedoch nicht. Um sie herum platziert waren vor allem in den Anfangsjahren mindestens zwei Dutzend V-Leute – sie spitzelten für das Bundesamt (BfV) und die Landesämter für Verfassungsschutz (LfV), für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Berliner Landeskriminalamt (LKA). Vor dem Beginn des Prozesses gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche NSU-Unterstützer in München stellt sich daher einmal mehr die Frage, warum Geheimdienste und Polizei dennoch nie auf die Spur des "Nationalsozialistischen Untergrunds“ kamen. (Frankfurter Rundschau)
Bayern: Rentnerin wegen rassistisch motivierter Gewaltanwendung verhaftet
Eine Rentnerin im oberfränkischen Coburg soll versucht haben, einen vierjährigen Jungen umzubringen, indem sie ihn auf eine befahrene Straße stieß. Offenbar war die Tat rassistisch motiviert. Die 63-Jährige befindet sich in Untersuchungshaft. Laut Polizeibericht war die attackierte Familie am Gründonnerstag auf der Coburger Bahnhofsstraße unterwegs. Die 29-jährige Mutter schob das jüngste ihrer drei Kinder im Wagen, die beiden anderen liefen neben der Mutter. Die Familie hat einen türkischen Migrationshintergrund, ist aber in Deutschland geboren und hat die deutsche Staatsbürgerschaft. (taz.de)
Report Mainz: Führende V-Leute in der Neonazi-Szene
Das ARD Politikmagazin "Report Mainz" hat nach monatelanger Recherchearbeit insgesamt 50 V-Leute aus der Neonazi-Szene, die in den vergangenen Jahrzehnten aktiv waren, identifiziert und deren Wirken analysiert. Zwölf der 50 V-Männer haben während ihrer Tätigkeit Straftaten begangen, also fast jeder Vierte. Dazu gehören unter anderem Nötigung, Körperverletzung, Aufruf zum Mord, Waffenhandel, Bombenbau, Sprengstoff- und Brandanschläge. Mindestens sechs von ihnen wurden vom Verfassungsschutz sogar vor drohender Strafverfolgung gewarnt. (ARD Online)
Nordrhein-Westfalen: Bangen um Erhalt von mobilen Beratungsstellen
"Bündnis gegen Rechts schreibt an Ministerin“ lautete die Meldung Mitte März. In einem offenen Brief an Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder hatte das Sprecherteam vom Bündnis gegen Rechts – für Demokratie und Toleranz im Kreis Heinsberg sich für den Erhalt der mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus eingesetzt. Diese Teams, die Schulen, Vereine, Verbände, Initiativen und Verwaltungen in ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus unterstützen, würden unverzichtbare und gute Arbeit leisten. Die geplante Einstellung der Finanzierung der mobilen Beratungsteams (sie sollte laut Bündnis ab 2014 komplett gestrichen werden) stoße "auf unser absolutes Unverständnis“, hatte das Sprecherteam und die Ministerin gebeten, die Pläne zu überdenken. (Aachener Zeitung)
München: Neonazi im Stadtrat
Er ist der erfolgloseste Stadtrat Münchens. Kein einziger Antrag Karl Richters bekam jemals auch nur eine einzige Stimme, außer seiner eigenen. Ihn ein politisches Fliegengewicht zu nennen, ginge viel zu weit. Er spielt schlicht keine Rolle. Das ist erfreulich – aber kein Grund, den Rechtsextremen als harmlos abzutun. Bei der Kommunalwahl 2008 war Richter Spitzenkandidat der Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) und wurde als deren einziger Kandidat mit 1,4 Prozent zum Stadtrat gewählt. Bei seiner Amtseinführung zeigte er den Hitlergruß und wurde zu einer Geldstrafe von 2800 Euro verurteilt. Seitdem kauert der Ewiggestrige im Plenum, spricht fast nie, wird von sämtlichen Stadträten geschnitten und politisch totgeschwiegen. (Merkur Online)