Nach den Rechten sehen: NSU: Mindestens elf Personen aus dem Umfeld der Terrorzelle dienten in der Bundeswehr +++ Debatte um Friedrichs Aussage über Unterwanderung Ostdeutschlands durch Nazis +++ Göppingen: Beschwerde gegen Verbot von Neonazi-Demo.
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NSU: Mindestens elf Personen aus dem Umfeld der Terrorzelle dienten in der Bundeswehr
Neue Enthüllungen in der NSU-Affäre: Wie nun bekannt wurde, könnten in der Bundeswehr in den 1990er-Jahren mehr Rechtsextremisten aus dem NSU-Umfeld gedient haben und an Waffen ausgebildet worden sein, als bisher bekannt. Uwe Mundlos wurde sogar widerrechtlich befördert. Das Bundesverteidigungsministerium hat bereits Versäumnisse eingeräumt. Die Bundeswehr hätte den rechtsextremistisch auffälligen Soldaten nicht befördern dürfen, weil gegen ihn ein Strafverfahren anhängig war. Das Eingeständnis ist Bestandteil von neuen Akten, die eine seltsame Gleichgültigkeit der Truppe gegenüber der eindeutig radikalen Gesinnung des damals 21-Jährigen belegen. Außerdem sollen dem NSU-Untersuchungsausschuss weitere elf Personalakten von ehemaligen Bundeswehrangehörigen zugehen, die dem Umfeld der rechtsextremen Terrorzelle zugerechnet werden (Spiegel Online, Thüringer Allgemeine). Unterdessen wurde bekannt, dass der frühere Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, in seinem neuen Buch schwere Vorwürfe gegen die Eltern der NSU-Terroristen erhebt. Wie der "Focus" berichtet schreibt Roewer, die Eltern des Terrortrios hätten 1998 aktiv verhindert, dass Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe aufgespürt wurden, indem sie den ihnen bekannten Aufenthaltsort der drei verschwiegen (Focus). Allerdings steht Helmut Roewer selbst in der Kritik: Der ehemalige Verfassungsschützer machte durch eine merkwürdige Amtsführung von sich reden und sorgte durch merkwürdige Auftritte vor dem NSU-Untersuchungsausschuss für Schlagzeilen.
Gauck für anhaltende Wachsamkeit gegen Rechtsextremismus
Anlässlich der Einweihung eines Platzes und eines Gedenksteins für Halit Yozga, Mordopfer der NSU-Terrorzelle in Kassel, hat Bundespräsident Joachim Gauck zu Wachsamkeit gegen Rechtsradikalismus aufgerufen. Zudem forderte er weitere Aufklärung der NSU-Mordserie. Die zehn getöteten Menschen verdienten "unsere ganze Kraft, das Geschehene aufzuarbeiten" (Der Westen).
Debatte um Friedrichs Aussage über Unterwanderung Ostdeutschlands durch Nazis
Die Aussagen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über die Unterwanderung Ostdeutschlands durch Rechtsextreme sorgen für Diskussionen (Zeit Blog). So erklärte etwa Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) gegenüber der "Leipziger Volkszeitung", der Rechtsextremismus habe sich über das gesamte Bundesgebiet als ein neonazistisches Geflecht ausgebreitet. "Auch wenn die Stichwortgeber im Osten oft aus westdeutschen NPD-Kreisen kommen", so Lieberknecht (Leipziger Volkszeitung). Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) hat dagegen Handlungsbedarf beim Thema Rechtsextremismus eingeräumt. "Sachsen ist ein gastfreundliches und weltoffenes Land. Wir wissen aber auch, dass wir in Sachsen wie in Ostdeutschland insgesamt ein Problem mit dem Rechtsextremismus haben", sagte er am Montag der Nachrichtenagentur dpa (Dresdner Nachrichten). Unterdessen teilen Wissenschaftler die Friedrichs These von der Unterwanderung. Hajo Funke, Politikwissenschaftler der FU Berlin sagte: "Es ist völlig richtig darauf hinzuweisen, dass einige Regionen in Ostdeutschland von Neonazis unterwandert werden." Auch Eckhard Jesse, Extremismusforscher an der TU Chemnitz, sieht insbesondere Teile Mecklenburg-Vorpommerns betroffen. Die Forscher warnen allerdings vor Verallgemeinerungen. "Ein Pauschalurteil über den Osten ist nicht angebracht für das differenzierte Bild", sagt Funke. Für die Wissenschaftler sind vor allem die rechten Kameradschaften ein Kernproblem - sie würden sich in zivilgesellschaftliche Strukturen einnisten (Tagesspiegel).
Bayerns Innenminister hält NPD-Verbotsverfahren für aussichtsreich
Joachim Herrmann (CSU), bayerischer Innenminister, hat seine Forderung nach einem raschen NPD-Verbotsverfahren bekräftigt. Die Unterlagen, die die Ermittlungsbehörden von Bund und Ländern in den vergangenen sechs Monaten zusammengetragen hätten, reichten für einen "aussichtsreichen Verbotsantrag" aus, so Herrmann. Es bestehe allerdings ein Restrisiko, da unklar sei, welche Maßstäbe das Bundesverfassungsgericht anlege. Herrmanns Parteikollege Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister, hatte dagegen erst kürzlich in einem Interview Zweifel an einem erneuten NPF-Verbotsverfahren angemeldet (Welt Online).
Göppingen: Beschwerde gegen Verbot von Neonazi-Demo
Nachdem das Stuttgarter Verwaltungsgericht ein Verbot der Nazi-Demonstration im baden-württembergischen Göppingen bestätigt hatte, sind nun alle Augen nach Mannheim gerichtet. Denn der 20-jährige Veranstalter des Aufmarsches hatte Beschwerde gegen das Verbot eingelegt, nachdem in Stuttgart entschieden worden war, von der für den kommenden Samstag geplanten Groß-Demo gehe eine "unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" aus. Nun muss der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof die endgültige Entscheidung treffen. Für den Fall, dass der Aufmarsch doch erlaubt wird, bereitet sich die Göppinger Polizei mit zahlreichen Einsatzkräften vor. Mehrere tausend Menschen wollen gegen die Rechtsextremen demonstrieren. Zahlreiche Gruppen rufen zum Protest auf, darunter das Bündnis "Kreis Göppingen Nazifrei" (Südwest Presse).
Zentralrat der Muslime: Juden- und Muslimhass in der Mitte der Gesellschaft
Jüdische und muslimische Organisationen sorgen sich wegen eines aus ihrer Sicht wachsenden Rassismus und Antisemitismus, der bis in die Mitte der deutschen Gesellschaft hineinreiche. So erklärte Maram Stern, Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, dem "Tagesspiegel", Deutschland sei bei Angriffen auf Juden*innen keine "Insel der Seligen". Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, kritisiert dagegen, dass der Umgang mit Rassismus in Deutschland viel zu lau sei: "Es ist völlig unverständlich, wie blass die Reaktion auf den Angriff auf Stephan Kramer war", so Mazyek (Tagesspiegel). Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, war am jüdischen Feiertag Jom Kippur nach eigenen Angaben in Berlin auf dem Rückweg von der Synagoge beleidigt und bedroht worden.
Eberswalde: Wie an Amadeu Antonio gedenken?
Am vergangenen Montag fand in Eberswalde der zweite und abschließende Workshop zu der Frage statt, wie in Zukunft an Amadeu Antonio erinnert werden soll. Neben konstruktiven Diskussionsbeiträgen schockierten in der Debatte um die Form des Gedenkens aber auch rassistische Aussagen. "Mut gegen rechte Gewalt" berichtet über den Workshop (Mut gegen rechte Gewalt).
Termin: Pleiten, Pech und Pannen? Die NSU Affäre im Visier Diskussion am 3.10. in Berlin-Kreuzberg
Zum Tag der Deutschen Einheit veranstalten der Südblock und die Amadeu Antonio Stiftung einen Polittalk in Berlin über die NSU und den letzten Stand der ErmittlungenUnter dem Titel: "Pleiten, Pech und Pannen? Die NSU Affäre im Visier" diskutieren Heike Kleffner (Referentin im NSU Bundestagsausschuss), Mely Kiyak (Journalistin), Miraz Bezar (Regisseur) und Timo Reinfrank (Amadeu Antonio Stiftung). Moderiert wird die Veranstaltung von Bilgin Ayata (FU Berlin). Der Südblock liegt direkt am U-Bahnhof Kottbusser Tor: Admiralstr. 1-2, Berlin-Kreuzberg (Amadeu Antonio Stiftung).
Bio in Braun: Rechtsextreme Bauern
Bio und Braun – ein Wortpaar, das auf den ersten Blick so gar nicht zusammen zu passen scheint. Und doch häufen sich in den vergangenen Wochen und Monaten Berichte über rechtsextreme Biobauern. Der Verdacht: Jene Landwirte verkaufen ihre Produkte zum Teil unter anerkannten Bio-Zertifikaten. Zwar erfüllten die rechtsextremen Biobauern alle Bio-Kriterien der Zertifizierer. "Aber was der Verbraucher mit Bio verbindet, nämlich Menschenrechte, Toleranz und Weltoffenheit, das halten die rechtsextremen Bauern nicht", sagt Gudrun Heinrich von der Arbeitsstelle Politische Bildung an der Universität Rostock, dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Für Heinrich ist die Verbindung aus ökologischer Landwirtschaft und Rechtsextremismus nicht wirklich überraschend: So habe der Naturschutzgedanke zum Teil Wurzeln in der nationalen und völkischen Tradition – entsprechend der Gleichung "Naturschutz gleich Heimatschutz und Schutz des Bodens für das deutsche Volk". Nach Beobachtungen der Heinrich-Böll-Stiftung finden sich die rechtsextremen Biobauern vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Bayern und Sachsen. In einer Resolution distanzierte sich nun der Branchen-Verband Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) deutlich von rechtsextremer Ideologie. Generell ist es aber schwierig, einen Nazi-Biobauern aus einem der anerkannten Verbände rauszuwerfen, wenn er bereits Mitglied ist. Der BÖLW arbeitet nun an einem einen Passus für seine Satzung, der den Ausschluss rechter Landwirte ermöglicht. Das könne zum Beispiel eine Präambel sein, in der es heißt, dass sich der BÖLW für Menschenwürde und gegen Diskriminierung einsetzt (Spiegel Online, Jungle World).
NPD-Kundgebungen zum Tag der Deutschen Einheit und Gegendemonstrationen
Zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober hat die NPD Kundgebungen in Bad Vilbel und Friedberg in Hessen unter dem Motto "Moscheen schließen – Islamisierung stoppen" angemeldet. Parallel findet der "Tag der offenen Moscheen" statt. Während Bad Vilbel die Demo verbieten will, hat sich Friedberg gegen ein Verbot entschieden – dieses hätte vor Gericht keinen Bestand, meint Friedbergs Ordnungsamtsleiter Jürgen Schlerf. Die demokratischen Parteien wollen gegen die Rechtsextremen demonstrieren. CDU, SPD, Grüne, FDP, und Freie Wähler im Wetteraukreis riefen die Bürger*innen dazu auf, der Einladung der Muslime*innen zu folgen und die Gelegenheit zum friedlichen Dialog und Kennenlernen zu nutzen (FR-Online). Auch in Heidelberg hat die NPD einen Antrag gestellt, am 3. Oktober auf dem Heidelberger Bismarckplatz einen Aufmarsch durchführen zu führen. Noch wird der Antrag geprüft. Oberbürgermeister Eckart Würzner sagte dazu, man wolle alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, die Veranstaltung zu untersagen (Rhein-Neckar-Zeitung).
Nicht schon wieder: Rechtsextreme planen einen Aufmarsch in Wunsiedel
Für den 17. Oktober planen Nazis einen Aufmarsch im bayerischen Wunsiedel. Bei dem "Heldengedenken" sollen bekannte Redner aus der rechtsextremen Szene auftreten, darunter etwa Matthias Fischer aus Fürth, Uwe Meenen, Landesvorsitzender der NPD Berlin, Thomas Wulff stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Hamburg, und Daniel Weigl aus Schwandorf. Das Landratsamt Wunsiedel sprach von einer "Rieger-Gedenk-Veranstaltung": Jürgen Rieger hatte in Wunsiedel die Rudolf-Heß-Gedenkmärsche veranstaltet. Nach seinem Tod vor drei Jahren meldeten die Rechtsextremen einen "Gedenkmarsch zu Ehren Riegers" an und veranstaltet nun seit 2011 ein allgemeines "nationales Heldengedenken", wo Rieger in Rede- und Gedenkbeiträgen besonders hervorgehoben wurde (Nordbayerischer Kurier).
Halberstadt: Maskierte marschieren durch die Altstadt
Eine gespenstische Szene: Weiß maskiert und schwarz gekleidet rennt ein Fackelzug brüllend durch die Straßen – so geschehen am vergangenen Sonntag in Halberstadt in Sachsen-Anhalt. Die Polizei im Harz geht von einem Auftritt von Neonazis aus – in mehreren deutschen Städten hatten ähnliche Aktionen, bekannt geworden als "Die Unsterblichen"-Kampagne für Schlagzeilen gesorgt. Der Staatsschutz ermittelt nun - zumindest wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Doch die Ermittlungen dürften nicht leicht werden, denn der Spuk dauerte gerade einmal sieben Minuten. Immerhin konnten die Personalien von 24 der Demonstranten festgestellt sowie elf Masken und fünf Fackeln sichergestellt werden (Mitteldeutsche Zeitung, über die Kampagne "Die Unsterblichen" berichtete netz-gegen-nazis.de bereits).
Schwetzingen: Kein Platz für Rassismus
Es ist ein starkes Bild: Fast 1.000 Schüler*innen standen am Montag gemeinsam auf machten klar, dass weder im Schwetzinger Hebel-Gymnasium noch darüber hinaus in der Gesellschaft Platz für Rassismus und Ausgrenzung ist. Mit der Aktion traten alle "Hebelianer*innen" dem Bündnis "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" bei (Rhein-Neckar-Zeitung).
Internationales braunes Musikspektakel in den USA
Am kommenden Samstag soll im Großraum Boise, der Hauptstadt des amerikanischen Bundesstaates Idaho, ein international beworbenes "Hammerskin"-Festival stattfinden. Für das Konzert sind unter anderem die einschlägigen Bands "Blue Eyed Devils", "Chaos 88" und "Rebel Devils" angekündigt. Ausdrücklich wurden im Vorfeld dabei auch "Kameraden aus dem Ausland" aufgefordert, an dem rechtsextremen Großereignis teilzunehmen (blick nach rechts).