02.03.2012 ... Nach den Rechten sehen

Staatsanwalt unterschätzte Neonazi-Terrorist Böhnhardt +++ "Lebensbeichte" eines inhaftierten Neonazis löste Razzia in Bayern aus +++ Razzia bei Nazis in Sachsen-Anhalt: Unter anderem 237 Sprengkörper gefunden.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Staatsanwalt unterschätzte Neonazi-Terroristen Böhnhardt
Die Geschichte der verpassten Chancen bei der Verfolgung des Thüringer Terror-Trios des "Natioanlsozialistischen Untergrundes" (NSU) begann im Dezember 1997 auf dem Schreibtisch eines einzelnen Jenaer Staatsanwalts: Gerd Schultz hatte gegen den Neonazi Uwe Böhnhardt vor Gericht gerade erst eine mehrjährige Haftstrafe wegen Volksverhetzung erwirkt, die dieser allerdings noch nicht angetreten hatte. Wenige Wochen später, Ende Januar 1998, kam ihm der Name Böhnhardt schon wieder unter: Der Verfassungsschutz hatte Böhnhardt und seine Mitstreiter Uwe Mundlos und Beate Zschäpe dabei beobachtet, wie sie eine Bombenwerkstatt einrichteten. Schultz veranlasste eine Razzia - mahnte aber nicht zu besonderer Vorsicht. Die Razzia endete in einer blamablen Pleite: Die Polizisten trafen Böhnhardt, doch in seiner Garage fanden sie nichts. Aber statt den vorbestraften Neonazi festzuhalten, bis auch die Objekte seiner Mitstreiter Mundlos und Zschäpe durchsucht waren, ließen die Beamten ihn wegfahren. Als sie in Zschäpes Garage 1,4 Kilogramm des hochexplosiven Sprengstoffs TNT fanden, war Böhnhardt längst über alle Berge - schließlich wollte er seine Gefängnisstrafe nicht antreten und hatte auch eine erneute Anklage wegen der Bombenwerkstatt zu fürchten. Wenig später tauchte er mit Mundlos und Zschäpe unter. Es war die Geburtsstunde des Nationalsozialistischen Untergrunds (Thüringer Landeszeitung).

"Lebensbeichte" eines inhaftierten Neonazis löste Razzia in Bayern aus
Nach der Razzia am Dienstag in Ostbayern sagt Innenminister Joachim Herrmann (CSU): „Der Regensburger Polizei ist ein empfindlicher Schlag gegen illegalen Waffenbesitz auch im rechtsextremen Millieu gelungen.“ Ausgelöst hatte die Razzia nach Angaben des Staatsanwaltes ein Regensburger, der wegen Delikten gegen das Waffengesetz in Untersuchungshaft sitzt. Der Mann wird der Neonazi-Szene zugeordnet und hat in einer Art Lebensbeichte sämtliche Käufer seiner Waffen genannt (mittelbayerische.de).

Razzia bei Nazis in Sachsen-Anhalt: Unter anderem 237 Sprengkörper gefunden
Die jüngste Razzia in der Neonazi-Szene Sachsen-Anhalts am Montag war eine der bisher umfangreichsten im Land - auch was die Ergebnisse angeht: Wie am Donnerstag bekannt wurde, stießen die Ermittler nicht nur auf Hakenkreuzfahnen, Transparente mit Nazi-Symbolen und ein Gewehr, sondern auch auf 237 Sprengkörper - nach Einschätzung von Sprengstoffexperten der Polizei schlagkräftiger und damit gefährlicher als alles, was in Deutschland zugelassen ist. „Bei der Menge fragt man sich schon, was die damit vorgehabt haben“, sagt ein Ermittler (Mitteldeutsche Zeitung).

Bundestag berät über neue Neonazi-Datei
Der Bundestag hat in erster Lesung das neue Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus beraten. Es sieht unter anderem die Einführung einer neuen Verbunddatei vor, die bereits Mitte Dezember eingerichtet worden war. In das von Ermittlern bundesweit abrufbare Verzeichnis sollen Rechtsextremisten aufgenommen werden, die einen klaren Bezug zu Gewalt haben. Anlass ist die Mordserie der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle NSU. Während CDU und SPD für die Neonazi-Datei sind, empfindet die Linke die Idee als "puren Aktionismus" und Entschuldigung, "nach Belieben schnüffeln" zu dürfen (mdr).

NPD im sächischen NSU-Untersuchungsausschuss?
Im sächsischen Landtag wollen SPD, Linke und Grüne einen eigenen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Falls des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) einrichten, um zu klären, wie die NSU-Mitglieder so lange unerkannt in Sachsen untertauchen konnten. Doch in Sachsen gibt es ein schwerwiegendes Problem: Dort sitzt nämlich die NPD mit im Parlament. Und dies dürfte zur Konsequenz haben, dass die Rechtsextremisten in dem Untersuchungsausschuss, der am 7. März eingesetzt werden soll, vertreten sein werden. Dies wiederum hätte zur Folge, dass ausgerechnet rechtsextremistische Funktionäre wie der NPD-Landesvorsitzende Holger Apfel Einblick in die hochsensible Arbeit von Verfassungsschutz und Polizei erhielten - sowie Einsicht in deren geheime Akten über die Überwachung von Neonazis (moz).

NPD-Mitgliederzahlen im Sinkflug
Einst feierte die NPD-Führung die Verschmelzung mit der DVU als historisches Ereignis. Doch die Realität ist eine andere: Nun sind sogar die Mitgliederzahlen der rechtsextremistischen Partei unter die 6.000er-Marke gefallen (Endstation rechts).

Kein "Thüringentag der nationalen Jugend" in Bad Salzungen
Die NPD hat den Thüringentag der nationalen Jugend am 9. Juni in Bad Salzungen abgesagt - für des Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit ein Erfolg. "Uns ist es gelungen, in unserem Bündnis parteiübergreifend gemeinsam mit allen demokratischen Kräften eine breite Front gegen Rechts zu entwickeln. Wir sind uns sicher, dass das einen Einfluss auf die Entscheidung der Neonazis hatte, sich aus Bad Salzungen zurückzuziehen und die Veranstaltung in Meiningen anzumelden", sind die Sprecher des Bündnisses im Wartburgkreis Anja Müller und Günther Schwarze (insuedthueringen.de).

Wie wichtig sind die Unsterblichen?
Die Unsterblichen haben es mit ihren “spontanen” Aufmärschen und Internet-Videos in die großen Medien geschafft. Doch welchen Einfluss hat diese Neonazi-Truppe in der Bewegung? Und ist das alles wirklich neu? (Publikative.org, DerWesten, Spiegel TV)

"Wenn man das zum Maßstab nimmt, müsste man jede Woche über homophobe oder sexistische Aussagen im Stadion diskutieren"
Die antisemitischen Beleidigungen gegen den Israeli Itay Shechter haben die Fans des 1. FC Kaiserslautern in Verruf gebracht, doch die Gefahr der Unterwanderung des Fußballs aus der rechten Szene scheint die ganze Bundesliga zu betreffen. "Das größte Problem könnte es werden, wenn man versucht, es kleinzureden. Rechtsextremismus wird es im Fußball immer geben", sagte Gerd Wagner von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) und fügte hinzu: "Die Aufregung um den Fall Shechter ist natürlich berechtigt, aber wenn man das zum Maßstab nimmt, müsste man jede Woche über homophobe oder sexistische Aussagen im Stadion diskutieren." Ja, genau. Das müsste man. Und sollte man auch (swp.de).

"Das sind keine Fans"
Ach ja? Ein sehr guter Text in der 11 Freunde setzt sich mit dem gern genutzten Argument auseinander, Neonazis "seien keine Fans" - und warum es das Thema verfehlt, wenn Vereine nicht präzise sagen, was wichtig wäre: "Diese Leute sind Fans unseres Vereins – aber wir wollen sie nicht als Fans!"

Münster vor dem Neonazi-Aufmarsch am Samstag: Massiver Protest gegen Rechts
Die Polizei erwartet unter Berufung auf Angaben des Demo-Anmelders bis zu 250 Teilnehmer aus der rechtsextremen Szene. Die wiederum erwarten vor dem Start am Zentrum Nord strenge Leibesvisitationen durch Polizeibeamte und lautstarke Protestrufe von der Joseph-König-Straße. Dort hat das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Insgesamt acht Gegenaktionen sind im gesamten Stadtgebiet an diesem Samstag bei der Polizei von verschiedenen Personen angemeldet worden. Sie eint ein gemeinsames Ziel: der Protest gegen Rechts. Mit mindestens 2000 Gegendemonstranten rechnet die Polizei stadtweit (wn.de). Mehr Infos auch auf netz-gegen-nazis.de

Neonazis drohen Unternehmern in Hannover
Es sind Sätze, die nachdenklich machen und schockieren: "Die Völkervernichtung durch Rassenvermischung muss gestoppt und alle nicht-europäischen Ausländer in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden!" - So steht es in einem Drohbrief, den Rechtsextreme der "Reichsbewegung" am Dienstag an den Bund Türkisch-Europäischer Unternehmer mit Sitz in Hannover geschickt haben (NDR).

Heute in Berlin-Niederschöneweide: Demo gegen rechtsextreme Strukturen
Gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit wollen an diesem Freitag (2. März) Hunderte Bürger in Berlin-Niederschöneweide demonstrieren. Etwa 500 Menschen sind vom Veranstalter zu dem Protest bei der Polizei angemeldet worden. Aufgerufen haben unter anderem die Grünen, die Partei Die Linke und das «Bündnis für Demokratie und Toleranz» in Treptow-Köpenick. Die Demonstration darf allerdings nicht an der Nazi-Kneipe "Henker" vorbeiführen - weil NPD-Kader Sebastian Schmidtke in der Straße auch wohne (BILD.de, ND).

5. März: Chemnitzer protestieren gegen Neonazi-Aufmarsch
Ein breites Bündnis hat zum Protest gegen einen geplanten Neonazi-Aufmarsch in Chemnitz am 67. Jahrestag der Zerstörung der Stadt durch alliierte Bomber aufgerufen (t-online-news).

9. März: Elektro-Musik gegen Intoleranz in Frankfurt (Oder)
Am 9. März geben sich namhafte DJs im Kamea die Klinke in die Hand. Anlass ist das Projekt "No Historical Backspin" der DJane Monika Kruse. Mit ihr kommen unter anderem Dapayk, SIS und Rampa nach Frankfurt, um ein Zeichen gegen rassistische Gewalt und intolerantes Gedankengut zu setzen. "Gerade von uns, aus unserer elektronischen Szene, der eine politische Ausrichtung so oft abgesprochen wird, finde ich es ganz wichtig, Flagge zu zeigen", begründet die Musikerin ihr Engagement. Alle Einnahmen des Abends gehen an den Opferfund Cura der Amadeu Antonio Stiftung (moz.de).

10. März: Neonazi-Aufmarsch in Dessau - Proteste sollen "Gelebte Demokratie" zeigen
Im Internet kann schon eingesehen werden, was das Netzwerk "Gelebte Demokratie" in den kommenden Tagen an Aktionen geplant hat. Vom Zeitzeugengespräch und einer Diskussion nach einem Theaterstück über Beiträge im Fernsehen bis zum gemeinsamen Singen reicht die Palette an Angeboten, mit denen sich die Stadt bunt und vielfältig präsentieren will. Denn für den Sonnabend der nächsten Woche haben Rechtsextremisten aus dem Kameradschaftsspektrum erneut einen "Trauermarsch" durch Dessaus Innenstadt angekündigt - um die 200 Neonazis werden erwartet (mz-web.de).

Beate Klarsfeld, Präsidentschaftskandidatin und Nazi-Jägerin
Beate Klarsfeld ist nun offiziell Bundespräsidentschaftkandidatin der Linken. Die streitbare 73-Jährige machte allerdings gleich deutlich, dass sie sich von der Partei nicht vereinnahmen lassen möchte (Spiegel online). Klarsfeld ist für ein schnelles NPD-Verbot (mainpost.de, taz).

Die Rambo-Frau der Brandenburger CDU
CDU-Landeschefin Saskia Ludwig publiziert in rechtspopulistischen Zeitungen, sie ruft zur feindlichen Übernahme der FDP auf. Ihr Gehabe irritiert auch die eigene Partei (ZEIT online).

NPD-Landesparteitag in Rheinland-Pfalz: Alles beim Alten
Der rheinland-pfälzische Landesverband der NPD hielt am vergangenen Wochenende seinen Landesparteitag ab. Vorsitzende bleibt Dörthe Armstroff – weiterhin einzige weibliche NPD-Landesvorsitzende. Ihr Stellvertreter ist der wegen Körperverletzung verurteilte Safet Babic (Endstation rechts).

Eine Konkurrenz-Band mit SS
Die Band Dissidenten soll den Friedensmusikpreis bekommen, da taucht im Netz braune Konkurrenz auf, die sich "DiSSidenten" nennen. Die Original-Dissidenten versuchen sich zu wehren - doch das ist schwierig (ZEIT online).

No-Nazi.Net: Soziale Netzwerke ohne Nazis
Simone Rafael von der Initiative No-Nazi.Net erklärt im Interview mit der Jugendzeitung YAEZ, wie man sich gegen Nazis in sozialen Netzwerken wehrt.

Neues Internetportal gegen Rechtsextremismus in Chemnitz
NPD, Pro Chemnitz und Freie Kräfte: Mit der neuen Internetseite www.​wachsam-in-chemnitz.​de will der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) über die rechte Szene in Chemnitz aufklären (BILD).

Neuer Blog zu NSU
Das apabiz betreibt nun einen Blog zum Ermittlungsstand rund um die Zwickauer Terrorzelle NSU:
| nsu-watch.apabiz.de
netz-gegen-nazis.de-Leser/innen finden die aktuellesten Infos zur NSU hier:
| www.belltower.news/category/lexikon/nsu

Diese Woche auf netz-gegen-nazis.de:

| Münster: Bündnis will Neonazis am 3.3.2012 "keinen Meter" lassen
| Obwohl sie zu uns gehören: Das Gedenken an die Opfer rechtsextremer Anschläge wirkt kraftlos und kalt
| NSU im Februar 2012: Februar 2012: Weiterer Helfer, Gedenken an die Opfer und Beate Zschäpes Katzen
| Neonazi-Archetypen in Sozialen Netzwerken (4): Islamhasser/innen
| EXIT ruft zur offiziellen Anerkennung aller Opfer durch rechtsextreme Gewalt auf
| Höchststand seit sechs Jahren: 158 menschenfeindliche Übergriffe in Berlin im Jahr 2011
| NSU März 2012: Zschäpe bleibt tatverdächtig, Bund debattiert über Neonazi-Datei
| http://www.belltower.news/artikel/berlin-opferberatungsstelle-verzeichne...

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