Wochenrückblick 47 / 2009: NPD sucht Strategie für Politik, Internetfirmen für Umgang mit rechter Ideologie

Was passierte in der Woche vom 21. November bis 27. November 2009 in der rechtsextremen Szene? Die Bundes-NPD gibt sich strategiesuchend, Parteimitglieder meckern und wechseln, "Junge Nationalisten" verkündet neue Standort-Gründungen, rechtsextreme Straftaten gleichbleibend auf hohem Niveau.

Zusammengestellt von Simone Rafael

NPD

Diese Woche einige Neuigkeiten von der NPD. NPD-Chef Udo Voigt meldet sich mit einer eher kleinlauten Videobotschaft zu Wort und plant eine "Strategiekommission" im Januar 2010 - denn im "Superwahljahr" 2009 lief es für die NPD nicht gerade gut. Seinem Partei- und Fraktionskollegen in der BVV Berlin Treptow-Köpenick, Eckart Bräuniger, ehemaliger NPD-Generalsekretär und Voigt-Leibwächter, erscheint der NPD-Chef damit "ohne Begeisterung und ohne Darstellungskraft" - wie er öffentlichkeitswirksam in einen Neonazi-Forum kundtut.

Erfolgreicher dagegen agiert die NPD und ihre Jugendorganisation "JN" in Sachsen. NPD Sachsen-Chef Holger Apfel propagiert den "Sächsischen Weg" (weniger NS-Verherrlichung, mehr biedere Bürgerlichkeit im Auftreten bei gleicher Menschenverachtung im Inhalt) und wird als wichtiger Stichwortgeber für ie "Strategiekommission" gehandelt. Die "JN" verkündet die Eröffnung vier neue "Stützpunkte" in Delitzsch-Eilenburg, Torgau, Oschatz und Wurzen. Ziel: Die Stützpunkte "bündeln nun nationale Kräfte, die bisher als Kameradschaften oder Einzelpersonen eher nebeneinander als miteinander politisch gearbeitet haben, und formen sie zu einer jugendlichen Gesinnungs- und Tatgemeinschaft unter dem Dach der NPD." Ziel sei, Nordsachsen zu einer "neuen Sächsischen Schweiz" zu machen - bekanntermaßen eine Hochburg rechtsextremer Überzeugungen.

Auch in Hessen sind vier neue JN-"Stützpunkte" gegründet worden(Frankfurt am Main, Wiesbaden, Bad Hersfeld und Wetteraukreis). Ziel hier: "Die gegründeten Stützpunkte werden ihre Aktivität verstärkt in die Bildungsarbeit der Aktivisten setzen und mehrere Schulhof-Offensiven mit dem Verteilen von CDs und Flugblättern durchführen."

Kleinere Personalien:

Der Berliner NPD-Bezirksverordnete Fritz Liebenow war inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit - bestreitet dies aber.

Die NPD-Saar-Fraktion um Frank Franz nutzte Fraktionsräume im Völklinger Rathaus zur Produktion und Verbreitung von Neonazi-Propagandavideos fürs Internet.

Ein Berliner rechtsextremes Internetportal will von einem Führungswechsel in der Berliner NPD gehört haben. Neuer Kandidat sei Szene-Anwalt Richard Miosga vor, langjähriger Leiter des Deutschen Rechtsbüros und Schatzmeister des Republikaner-nahen Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerkes. Für die Republikaner hat Miosga auch Fraktionserfahrung, für die NPD war er Kandidat für die Bundestagswahl in Berlin.

DVU

Sehr ruhig geworden ist es um die zweite rechtsextreme Partei, die DVU. Bei einer "Landessitzung" der Berliner DVU sollen gerade einmal 17 Mitglieder anwesend gewesen sein. Dafür bemühen sich die verbliebenen Mannen und Frauen, zumindest einiges an heißer Luft ins Internet zu verbreiten. Interessant dabei - als Blick auf den unterirdischen Umgangston in der rechtsextremen Szene - ein Interview der DVU Niedersachsen mit dem ehemaligen Kreisvorsitzenden der NPD in Niedersachsen, Kevin Stein, der zur DVU gewechselt ist. Kevin Stein sagt darin, dass ihm u.a. vorgeworfen wird, er habe Geld unterschlagen. Außerdem sei er mit körperlicher Gewalt bedroht worden, weil er zum "Judenverein DVU" übergelaufen sei. Grund sei, dass man wohl von eigenen "Schweinereien" ablenken wolle. Unter anderem suggiert er, der NPD-Kreisvorsitzende nehme Gelder vom Verfassungsschutz, habe Probleme mit Waffenbesitz und "etwas mit rumänischen Nutten am laufen". Außerdem sollen NPD-Mitglieder mit Drogen gehandelt haben. Wer solche Freunde hat, braucht wahrlich keine Feinde.

Rechtsextreme Gewalt

Im Jahr 2009 gab es bis zum September bereits 11.000 rechtsextrem motivierte Straftaten - das sind etwa hundert mehr als im Vorjahr (2008: 10.841), davon sind 517 Gewalttaten. Diese hier kommen noch dazu:

Bei einem Brandanschlag am 23.11.2009 auf ein Asylbewerberheim sind in Schneeberg (Sachsen) sieben Menschen verletzt worden.

Vor zehn Jahren war der Neonazi Alexander Bode einer der Haupttäter der "Hetzjagd von Guben" (Brandenburg), bei der der Flüchtling Omar Ben Noui zu Tode kam. Nun soll Alexander Bode gemeinsam mit drei weiteren Neoanzis einen 14-Jährigen in Guben vor den Augen seines Vaters zusammengeschlagen haben.

Einen Monat nach der Tat hat die Polizei fünf Tatverdächtige festgenommen, die beim Angriff auf den Fußballverein "Roter Stern Leipzig" in Brandis dabei waren. Darunter ist offenbar ein Gemeinderatskandidat für die NPD aus Bennewitz, zugleich Sänger der Skinheadband «Storm of Mind» und der Organisation «Terror Crew Muldental», der bereits an einem Überfall auf Besucher der sogenannten "Highland Games" in Machern beteiligt gewesen sein soll.

So kann es für Opfer rechter Gewalt weitergehen: Im August 2006 prügelten zwei Rechtsextreme den 19-jährigen Robert B. fast tot. Heute lebt er als schwer hinrgeschädigter Pflegefall in der Nähe von Augsburg - und sein Vater hat seine Rente und Spendengelder verspielt. Erschreckende Reportage in der Augsburger Allgemeinen.

Im dritten Quartal dieses Jahres gab es im Bundesgebiet übrigens 30 rechtsextreme Konzerte und neun Liederabende.

Justiz

Streit im Prozess um rechtsextremes Internetradio "European Brotherhood Radio (EBR)" - eine Angeklagte, die als Moderatorin u.a. den Holocaust leugnete, sagt, der Verfassungsschutz, für den sie als V-Frau in der DVU tätig war, wusste von ihrer Radiotätigkeit, bei der sie regelmäßig strafbare Hetze verbreitete. Verfassungsschutz will nichts gewusst haben.

Cottbus: Prozess gegen neun Männer eröffnet wegen Überfalls des Jugendklubs Fragezeichen in Cottbus-Sachsendorf im Juni 2007. Die Täter sollen der rechtsextremen Fußball-Szene angehören.

Ein rechtsextremer Wiederholungstäter bekommt ein Jahr Jugendstrafe, weil er einen 22-jährigen Punk in Neumarkt zusammenschlug.

Verstoße gegen Versammlungsverbote: Angeklagt werden NPD-Landtagsabgeordneter Tino Müller, dessen Immunität diese Woche aufgehoben wurde, und Marko Zimmermann, NPD-Kreisvorsitzender Neustrelitz.

Am Montag beginnt nun vor dem Landgericht München der Prozess gegen den 89-jährigen Ukrainer John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an 27.900 Menschen im Vernichtungslager Sobibor.

Gesellschaft

Posse in Biesenthal: Eine Schaukel wird vom Spielplatz gestohlen. Die NPD wittert eine Chance, bei den Eltern zu punkten und kündigt die Spende für eine neue Schaukel an - mit verschiedensten Folgen. Lesenswerte Reportage in der taz.

In Hamburg hängt eine Immobilienfirma eine Gedenktafel ab, die an 800 ermordete Häftlinge erinnert, die im KZ-Außenlager in der Spaldingstraße gestorben sind - sie störte die Werbewirksamkeit. Inzwischen ist sie allerdings wieder aufgehängt worden.

Antisemitismus I: In Bielefeld wird der jüdische Antifaschist und Holocaustüberlebende Karl Pfeifer von einem linksalternativen Jugendzentrum ausgeladen, wo er einen Vortrag halten sollte - es gab Proteste, weil er "Zionist" sei.

Antisemitismus II: Der Täter, der am 8. November die Dresdner Synagoge antisemitisch beschmierte, ist offenbar Algerier.

Rechtsextremismus und Internet

Personen aus dem IT-Resort des Autoherstellers Volvo nutzten den Internet-Zugang der Firma, um auf der freien Enzyklopädie Wikipedia mit rassistischen Parolen zu hetzen. Der Autohersteller kündigte interne Untersuchungen an.

Eine rassistische Darstellung von US-Präsidentengattin Michelle Obama offenbart einmal mehr Probleme von Google-Algorithmen: Wenn etwa Rassismus viel verlinkt und gesucht wird, steht er oben auf den Suchseiten.

Menschen erreichen: Das Lubliner Kulturzentrum "Brama Grodzka" machte Henio Zytomirski, einem siebenjähringen Opfer der Nazis aus Lublin, eine Facebook-Seite - und will die rund 2.000 "Freunde" der Seite zum Nachdenken anregen.

Der Online-Bezahldienst "PayPal" kündigt der NPD - die hatte über "PayPal" Parteispenden abgewickelt. Google schaltet übrigens weiter ungerührt Google Adds für den "NPD-Wochenbrief".

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