Nach den Rechten sehen: Mundlos, Zschäpe – "Die sagten mir nichts": Hohe Beamte wussten bis 2011 nichts vom Neonazi-Trio +++ Nach mehrfachem Zeigen des Hitlergrußes: Rechtsrockkonzert in Finowfurt abgebrochen +++ NSU-Prozess: Zwei Angeklagte kündigen Aussagen an.
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Mundlos, Zschäpe – "Die sagten mir nichts": Hohe Beamte wussten bis 2011 nichts vom Neonazi-Trio
Hochrangige Verfassungsschützer in Bund und Ländern haben bis November 2011 nichts von der Fahndung nach den 1998 untergetauchten Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gewusst. Das berichtet das Nachrichtenmagazin "Focus" unter Berufung auf vertrauliche Protokolle des Bundestags-Untersuchungsausschusses. (Focus Online)
Nach mehrfachem Zeigen des Hitlergrußes: Rechtsrockkonzert in Finowfurt abgebrochen
Eigentlich sollte das Rechtsrockkonzert, das der brandenburgische Parteichef von "Die Rechte", Klaus Mann, auf seinem Grundstück veranstaltet hatte, bis 22 Uhr gehen. "Nachdem im Verlauf des Abends mehrere Besucher des Konzerts den Hitlergruß gezeigt hatten, haben wir uns zum Abbruch entschlossen", so Peter Salender, Sprecher der Polizeidirektion Ost in Brandenburg. (Tagesspiegel, taz, rbb online) Zu dem Konzert waren rund 650 Neonazis aus ganz Deutschland angereist, 850 Polizeibeamte waren im Einsatz. (Welt Online) Hunderte Menschen hatten am Samstag friedlich gegen das Neonazi-Konzert protestiert. Nach Angaben der Veranstalter beteiligten sich an den verschiedenen Aktionen insgesamt etwa 1.200 Menschen, knapp 1.000 allein an einer Demonstration. Auch zahlreiche Kommunal- und Landespolitiker, darunter Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke), gingen auf die Straße. Unter dem Motto "Den Nazis den Stecker ziehen" hatten dazu erstmals gemeinsam die Initiative "Finowfurt – Nazifrei" und das Aktionsbündnis "Bunte Schorfheide" aufgerufen. (Welt Online, Märkische Allgemeine)
NSU-Prozess: Zwei Angeklagte kündigen Aussagen an
Im NSU-Prozess wollen mehrere mutmaßliche Unterstützer aussagen oder Erklärungen abgeben. Das Verfahren wird nicht aufgespalten, aber bis Anfang Juni ausgesetzt. (Zeit Online, Merkur Online) Derweil versuchen Rechtsanwälte, weitere angebliche Opfer des Nagelbomben-Anschlags in der Kölner Keupstraße zu finden. Weitere Nebenkläger könnten jedoch zu einer Aufspaltung des Gerichtsprozesses führen. (Welt Online, Rheinische Post) Für viele ausländische Beobachter sitzt Deutschland beim NSU-Prozess mit auf der Anklagebank. Auch das Auftreten Beate Zschäpes sorgt international für Schlagzeilen. In der Türkei gibt es Kritik an der "Show der Nazi-Braut". (Berliner Zeitung)
Nazi-Netzwerk in Dortmund ist größer als vermutet
Das Dortmunder Neonazi-Netzwerk war enger mit dem Umfeld des terroristischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) verflochten, als bisher bekannt. Nach unseren Recherchen besuchten Neonazis aus Dortmund bereits 1995 gemeinsam mit dem späteren Terroristen des NSU, Uwe Mundlos, ein Treffen gewaltbereiter Neonazis aus der extremistischen "Blood & Honour"-Szene im ostdeutschen Gera. Dies geht aus Überwachungsprotokollen der Thüringer Polizei hervor, die unserer Zeitung vorliegen. Ein direkter Kontakt des NSU zu Dortmunder Neonazis war bislang nicht nachgewiesen. (Der Westen)
Rechte attackieren Nazi-Gegner: "Wir lassen uns nicht einschüchtern"
Nach den mutmaßlichen Neonazi-Attacken in München demonstrieren die Betroffenen Entschlossenheit - und kritisieren die Polizei, die von Einzelfällen gesprochen hat. Anders als die Ermittler beobachtet Aida eine zunehmend aggressiver werdende Grundstimmung in der rechtsextremen Szene. (Sueddeutsche.de, BR Online)
Landgericht Nürnberg: eBay darf rechte Szenekleidung sperren
Das Internetauktionshaus eBay darf weiterhin den Verkauf von Kleidung sperren, die mit der rechtsextremen Szene in Verbindung gebracht wird. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies die entsprechende Klage eines Textilunternehmens zurück. (BR Online)
CSD-Parade: Ausschluss von Pro Köln möglich
Um die Teilnahme der rechtsextremen Partei "Pro Köln" am Christopher Street Days zu verhindern, raten Experten, den Demonstrations-Aufruf zu verändern oder eine kommerzielle Veranstaltung anzumelden. Doch die Rechtslage bleibt schwierig. (Kölner Stadt-Anzeiger)
Neonazi-Experte: Rassismus ist in deutschen Behörden weit verbreitet
Der Neonazi-Experte Bernd Wagner sieht in den deutschen Behörden kein ernsthaftes Bemühen zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus. Der Geist, der in Amtsstuben vorherrsche, sei bestimmt "von völkischem Bewusstsein, exekutiver Hörigkeit und der Ablehnung gegenüber allem, was vermeintlich nicht der Norm entspricht", sagte Wagner am Freitag in Berlin. Daraus erkläre sich auch, warum das rechtsextreme NSU-Trio jahrelang ungestört agieren konnte. "Das waren nicht nur drei durchgeknallte Ostdeutsche, sondern da steckt ein ganzes kulturelles System dahinter, das zum Wohle unserer Demokratie dringend aufgebrochen werden muss", sagte Wagner bei einem Gespräch anlässlich des NSU-Prozesses in der Heinrich-Böll-Stiftung. (Potsdamer Neueste Nachrichten)
Eklat um Hitlergruß im griechischen Parlament
Bande, Nieten, Ziegenherde: Die Beschimpfungen, die sich ein Abgeordneter der rechtsextremen Partei Chrysi Avgi im griechischen Parlament leistete, sind unbeherrscht und grob. Doch was danach kam, sorgte für noch mehr Aufregung - dreimal erschallte laut der Ruf "Heil Hitler". (Sueddeutsche.de, taz)
Verfassungsschutz: V-Leute müssen charakterlich geeignet sein
Nach dem Ermittlungsdebakel rund um die Neonazi-Mordserie will der Verfassungsschutz nur noch charakterlich geeignete V-Leute beschäftigen. "Wir haben bei den V-Leuten Standards beschrieben, die jetzt verbindlich in Dienstvorschriften in allen Ländern umgesetzt werden sollen", sagte Hamburgs Verfassungsschutzchef Manfred Murck der Deutschen Presse-Agentur dpa. Nicht mehr angeworben werden dürften danach kriminell erheblich vorbelastete oder ausstiegswillige Extremisten. (Frankfurter Rundschau) Die nach dem NSU-Schock gegründete Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus hält den Einsatz von V-Leuten durch den Verfassungsschutz insgesamt aber für unverzichtbar. Es werde aber im jetzt fertig gestellten Schlussbericht gefordert, die unbefriedigende Rechtslage beim Einsatz der Spitzel gesetzlich zu klären, hieß es am Freitag in Kommissionskreisen. (Tagesspiegel)
Demonstrationen gegen Neonazis in Sonneberg, Bernau und Wandlitz am Pfingstwochenende
Etwa 300 Menschen haben am Samstag im südthüringischen Sonneberg friedlich gegen Rechtsextremismus demonstriert. Ein Teil von ihnen versuchte zeitweilig, mit einer Sitzblockade einen Aufmarsch der rechtsextremen NPD mit rund 50 Teilnehmern zu blockieren, wie ein Sprecher der Landespolizeiinspektion Saalfeld sagte. (Ostthüringer Zeitung) Am Pfingstsonnabend kam es in den brandenburgischen Städten Bernau und Wandlitz zu drei angemeldeten Kundgebungen von etwa 15 NPD-Aktivisten, die mit einem Lkw unter anderem vor dem Flüchtlingswohnheim in Wandlitz Station machten. Nachdem bereits in Bernau knapp 100 Bürger dem Aufruf des Netzwerks für Toleranz gefolgt waren und mit Sprechchören und Trillerpfeifen verhindert hatten, dass die NPD-Redner zu hören waren, empfingen in Wandlitz rund 250 Bürger den Lkw. Sie stellten sich in einer Menschenkette schützend vor dem Asylbewerberheim auf, in dem seit Anfang des Jahres rund 50 Flüchtlinge leben. (Märkische Oderzeitung)
Verfassungsschutz im Südwesten: Gefahr durch radikalisierte Kleingruppen
Der baden-württembergische Verfassungsschutz erkennt keine konkreten Hinweise auf rechtsterroristische Gruppierungen und Strukturen im Südwesten. Gleichwohl – so heißt im jüngsten Jahresbericht der Behörde – bestehe jedoch das Risiko, dass noch unerkannte und "radikalisierte Einzeltäter oder Kleinstgruppen die eigene Handlungsfähigkeit durch Gewalttaten unter Beweis stellen könnten". Die Erfahrungen mit den NSU-Morden haben die Verfassungsschützer offenkundig vorsichtig gemacht. Innenminister Reinhold Gall (SPD) sagte bei der Vorstellung des Berichts: "Wir ziehen daraus die Lehre, dass wir die Bereitschaft von Rechtsextremisten, auch schwere Gewalttaten zu begehen, keineswegs unterschätzen dürfen." (Stuttgarter Zeitung, Südwest Presse)
Hennigsdorf: Unbehelligte NPD-Aktion - Wie Rechte marschierten und niemand protestierte
Proteste gegen Neonazi-Aufmärsche sind in Brandenburg inzwischen üblich, sie gehören zum guten Ton. Der Kampf gegen Rechts ist Konsens, auch in den Rathäusern – aber anscheinend nicht überall, wie ein Fall aus Hennigsdorf (Oberhavel) zeigt. Es war ein Samstag, der 27. April. Ein Dutzend Neonazis und Mitglieder der NPD konnten am Vormittag auf den Postplatz direkt am Bahnhof der Industriestadt ungestört demonstrieren. Von Protest aber war nichts zu sehen. Dabei stand Bürgermeister Andreas Schulz (SPD) an diesem Tag sogar in Sichtweite der braunen Truppe auf dem Postplatz. Er zeigte Mitgliedern des Rotary Clubs bei einem Rundgang die schönen Seiten Hennigsdorfs. Doch anstatt selbst Initiative zu ergreifen, schlenderte das Stadtoberhaupt einfach weiter. (Potsdamer Neueste Nachrichten)
Kein Verfahren gegen Martin Korol: "Freibrief für massiven Rassismus"
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ist darüber empört, dass die Bremer Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren gegen den Bürgerschaftsabgeordneten Martin Korol (SPD) wegen Volksverhetzung einleiten will. Er rügt das Vorgehen als "Freibrief für massiven Rassismus". Korol wurde bereits aus der SPD-Bürgerschaftsfraktion ausgeschlossen. Zudem läuft noch immer ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn. (Frankfurter Rundschau)
Frankreich will Begriff "Rasse" aus Gesetzen streichen
Das Wort "Rasse" soll aus allen französischen Gesetzen verschwinden. In einem ersten Schritt nahm die Nationalversammlung am Donnerstagabend einen von Linkspolitikern eingebrachten Vorschlag zum Thema an. Er sieht vor, den Begriff unter anderem aus dem Strafgesetzbuch und dem Arbeitsrecht zu streichen. Das Rassenkonzept sei irrsinnig und Grundlage schlimmer Ideologien gewesen, kommentierte der Abgeordnete Alfred Marie-Jeanne. (Welt Online, n-tv)