Nach den Rechten sehen: Urteilsbegründung im Fall Tim H.: "Er wollte die Menschenmenge aufwiegeln" +++ Landrat Lindemann klagt gegen "Verleumdung" durch Neonazis +++ "Schluss mit den Ablenkungsmanövern": Volker Beck über die NPD-Verbotsdebatte.
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Urteilsbegründung im Fall Tim H.: "Er wollte die Menschenmenge aufwiegeln"
Der Anti-Neonazi-Demonstrant Tim H. soll bei der Protestaktion in Dresden 500 Personen gegen eine Polizeisperre gehetzt haben, das Amtsgericht verurteilte ihn zu knapp zwei Jahren Haft. Nun liegt die schriftliche Urteilsbegründung vor - und lässt eine Frage offen: Warum war es besonders schwerer Landfriedensbruch? (Spiegel Online)
Landrat Lindemann klagt gegen "Verleumdung" durch Neonazis
Nach dem Angriff einer Rechtsextremen auf den Landrat des Saarpfalz-Kreises, Clemens Lindemann (SPD), bei einer Kundgebung von Neonazis in Homburg ermittelt die Staatsschutz-Abteilung der saarländischen Polizei wegen Körperverletzung. Polizeisprecher Georg Himbert sagte der "Saarbrücker Zeitung", die Beamten würden nun Videoaufnahmen des Einsatzes auswerten sowie die Betroffenen und Zeugen vernehmen. Dies werde einige Tage dauern. Eine 29 Jahre alte Rechtsextremistin hatte bei der Kundgebung des "Nationalen Widerstandes Zweibrücken" den Landrat ins Gesicht geschlagen. Bei der Frau handelt es sich um die hohe NPD-Funktionärin Ricarda Riefling, wie die rechtsextreme Partei gestern im Internet mitteilte. Sie ist Mitglied im Bundesvorstand der NPD und tritt bei der Bundestagswahl als Direktkandidatin in Pirmasens an. Das "Hamburger Abendblatt" zitierte Riefling 2011 mit dem Ausspruch der früheren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof: "Wirft man einen Stein, so ist das eine strafbare Handlung. Werden tausend Steine geworfen, ist das eine politische Aktion." Die "Pirmasenser Zeitung" brachte kürzlich in einer Reihe über Bewohner der Stadt ein Porträt über sie – ohne jeden Hinweis auf ihre Gesinnung. Der junge Mitarbeiter habe "nicht gewusst, dass diese im Umfeld der NPD steht", entschuldigte sich das Blatt nach Protesten. (Saarbrücker Zeitung, Endstation Rechts)
"Schluss mit den Ablenkungsmanövern": Volker Beck über die NPD-Verbotsdebatte
Auf wenige politische Debatten trifft die Marx’sche Weisheit über die Geschichte, die sich einmal als Tragödie und ein zweites Mal als Farce ereignet, so gut zu, wie auf die NPD-Verbotsdebatte. Wer den Zeitstrahl des "Aufstands der Anständigen" bis zu seinem Scheitern als "Aufstand der Unfähigen" im Jahr 2003, neben die Debatten der letzten Jahre und Monate legt, wird erstaunlich viele Parallelen entdecken. Damals wie heute wurde plötzlich aus Eile Hektik. Wer zweifelt, ist im Zweifelsfall kein guter Antifaschist. Erst recht jetzt, wo es alle Innenminister von Union und SPD auch wollen. Dabei hat mich meine innen- und rechtspolitische Erfahrung aus der Ära Beckstein & Schily eines gelehrt: Obacht, wenn die Innenminister von Union und SPD etwas gemeinsam wollen. (Mut gegen rechte Gewalt)
NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag Sachsen: Ex-Verfassungsschutzchef Boos bedauert Fehler
Sachsens früherer Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos hat am Montag vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss zum Neonazi-Terror ausgesagt. Bei der öffentlichen Vernehmung bedauerte er Fehler bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund". Zugleich äußerte er sein tiefes Mitgefühl mit den Opfern der NSU-Anschläge und deren Angehörigen. Boos beteuerte vor dem Ausschuss, seine Behörde habe bis zum Auffliegen der Terrorzelle Ende 2011 nur vier vage Hinweise auf deren möglichen Aufenthalt in Sachsen erhalten. Anhaltspunkte für Rechtsterrorismus im Freistaat habe es überhaupt keine gegeben. (MDR Online, Freie Presse)
Soest: Neonazi-Demo diesmal unter "Die Rechte"-Label
Nachdem Neonazis bereits im Februar 2011 und ein Jahr darauf in Soest demonstriert hatten, planen sie nun für den 9. März eine weitere Demo in der westfälischen Stadt. Eng in die Vorbereitungen involviert ist offenbar erneut Sascha Krolzig aus Hamm. In den beiden vorigen Jahren trat er bereits als Anmelder und Versammlungsleiter auf. Damals waren "Freie Kräfte" als Veranstalter der Soester Demonstrationen genannt worden. Diesmal – Krolzig ist nach dem Verbot der von ihm geführten neonazistischen "Kameradschaft Hamm" inzwischen zum Bundes- und Landesvorstandsmitglied der Partei "Die Rechte" (DR) avanciert – nennen die Organisatoren des braunen Aufzugs auf einer eigens eingerichteten Internetseite "Die Rechte – Landesverband NRW, unterstützt durch freie Kräfte" als Veranstalter. (blick nach rechts)
Nach Prügelattacke auf Obdachlosen: Bewährungsstrafen für Ex-Neonazis
Nach einer Prügelattacke auf einen Obdachlosen sind ehemalige Sympathisanten der inzwischen verbotenen "Kameradschaft Aachener Land" zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Die Tat habe keinen rechtsradikalen Hintergrund, wie zunächst angenommen, stellten die Richter am Montag fest. Mindestens einer der Täter nimmt an einem Aussteigerprogramm für Rechtsradikale teil, wurde in dem Prozess deutlich. Die Jugendkammer am Aachener Landgericht wertete die Tat als gefährliche Körperverletzung. (Welt Online)
Neonazi will gegen Grüne klagen
Der rechtsextreme Ottobrunner Norman Bordin bereitet eine Klage gegen die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Susanna Tausendfreund, vor. Bordins Anwalt hat bei Gericht Prozesskostenhilfe beantragt. Sollte das Gericht diese gewähren, will Bordin Tausendfreund auf Unterlassung verklagen. Es geht um einen Beitrag des BR-Magazins "quer". Dort wurden mutmaßliche Verbindungen zwischen deutschen Neonazis und der militanten Kameradschaft "Skinheads Tirol, Sektion Meran" hergestellt. (Sueddeutsche.de)
Nazi-Erbe lebt bis heute im deutschen Recht
Eine deutsche Gesetzessammlung sollte nicht den Namen eines Nazis tragen – sie tut es dennoch. Eines der Standardwerke der deutschen Rechtswissenschaft erinnert täglich an das dritte Reich. (Welt Online)
Mobbing bei der "German Defence League": Sebastian Nobile "steigt aus"
Umsteiger, Aufhörer, Rückzieher – auf dem Gebiet der "Aussteiger" gibt es bekanntlich viele verschiedene Sichtweisen. Nun hat Sebastian Nobile, einer der wenigen szeneprominenten Protagonisten der Gruppierung "German Defence League" seinen Ausstieg bekanntgegeben. Mobbing und unterschiedliche Vorstellungen seien ausschlaggebend für den Ausstieg gewesen, der nicht mehr ist als ein Teilrückzug. (Endstation Rechts)
Glinde diskutiert über Rechtsextremismus
Das Glinder Parteienbündnis veranstaltet im Rahmen der Aktionswoche gegen Rechtsextremismus am Dienstag, 26. März, eine Podiumsdiskussion über die Netzwerke der rechten Szene. In die Veranstaltung wird der bekannte Experte für Rechtsextremismus und Rockerbanden, Stefan Schölermann (NDR Info), einführen. "Neonazis versuchen, das gesellschaftliche Leben zu unterwandern. Sie bieten Hausaufgabenhilfe an, passen auf Kinder auf, während die Mütter einkaufen gehen, oder tragen alten Leuten die Einkaufstasche über die Straße", erklärt Niels Brock von der Bürgerinitiative "Glinde gegen Rechts". Sie gründeten Fußballklubs, eröffneten Jugendzentren und nutzten das Internet, um Minderjährige an rechtsextremes Gedankengut heranzuführen. Brock weiter: "Hinter all dem steht die Absicht, durch persönliche Kontakte ihre menschenverachtende Ideologie einsickern zu lassen. Das wollen wir verhindern, indem wir über die perfiden Methoden informieren." (Lübecker Nachrichten)
Darf man über Hitler lachen?
Darf man über Hitler lachen? Darf man den Nazi-Diktator als Comedy-Star im heutigen Berlin wiederauferstehen und die Erfolgsleiter noch einmal nach oben klettern lassen? Timur Vermes findet: ja. Der Journalist und Ghostwriter hat mit seiner derben Hitler-Satire "Er ist wieder da" einen Bestseller geschrieben, der sich seit September 400.000-mal verkauft hat. Dabei wurde die groteske Fiktion über Hitler, der 2011 in benzingetränkter Uniform auf einem verlassenen Gelände in Berlin wiedererwacht, von den großen Feuilletons bisher nur recht zögerlich besprochen. (Schweriner Volkszeitung)
"Lunikoff" in Schweden
Skandinavien bleibt weiterhin eine Drehscheibe für internationale Rechtsrock-Musik. Bereits jetzt wird mit dem 27. April ein Konzerttermin beworben, der laut Ankündigung "irgendwo in Schweden" stattfinden soll. Dabei ist geplant, dass auch die aus dem Großraum Berlin kommende Formation "Die Lunikoff Verschwörung" auf die Bühne steigt. Die Combo um den früheren "Landser"-Sänger Michael Regener kann dieses Jahr auf ihr zehnjähriges Bestehen blicken und sagt von sich selbst, sie liefere "Radau aus der Reichshauptstadt" oder "volkstreue Tanzmusik". (blick nach rechts)