Nach den Rechten sehen: Hartes Urteil gegen Nazigegner: Ein fatales gesellschaftspolitisches Signal +++ Verfassungsschutz wollte Zschäpe anwerben +++ Thüringer Staatsanwalt verdächtigte Geheimdienst der Hilfe für NSU.
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Hartes Urteil gegen Nazigegner: Ein fatales gesellschaftspolitisches Signal
Für seinen Protest gegen einen der größten Nazi-Aufmärsche 2011 in Dresden ist der 36-Jährige Tim H. gestern vom Amtsgericht Dresden zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden - - ohne Bewährung. Und ohne konkrete Beweise. (Spiegel Online) Für die Linken-Politikerin Katharina König stellt das Urteil "einen neuen Höhepunkt sächsischen Justizverständnisses dar". Sie kommentiert: "Das gesellschaftspolitische Signal, welches nicht nur mit dem gestrigen Urteil gesendet wurde, ist gefährlich: Engagement gegen Neonazis, welches sich abseits von Demokratiemeilen und Menschenketten abspielt, wird verurteilt." (Störungsmelder)
Verfassungsschutz wollte Zschäpe anwerben
Ein neuer Hinweis im Fall NSU wirft viele Fragen auf: Der Thüringer Verfassungsschutz hat angeblich Ende der 1990er Jahre erwogen, die spätere mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe als Informantin anzuwerben. Ein Ex-Verfassungsschützer aus Thüringen gab vor Monaten zu Protokoll, der Landes-Verfassungsschutz habe eine solche Zusammenarbeit geprüft, wegen Zschäpes Drogenkonsum aber davon abgesehen. Das kam am Donnerstagabend im Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestages ans Licht. (Frankfurter Rundschau)
Thüringer Staatsanwalt verdächtigte Geheimdienst der Hilfe für NSU
Die Staatsanwaltschaft Gera hat das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) verdächtigt, der späteren Terroristen-Gruppe NSU beim Untertauchen geholfen zu haben. Die Staatsanwaltschaft habe Ende der 1990er Jahre einen ungeheuerlichen Verdacht gehabt, sagte der Geraer Oberstaatsanwalt Gerd Schultz am Donnerstag dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages in Berlin. Zwar habe er eine Hilfestellung des LfV für das Trio "nicht für wahrscheinlich" gehalten. Ein möglicher Ermittlungsansatz sei dies aber gewesen. (Der Westen, Zeit Online, Publikative.org)
NSU-Ausschuss will nicht unter Zeitdruck arbeiten
Die Abgeordneten im Bundestag müssen sich möglicherweise im Spätsommer auf eine Sondersitzung zum Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses einrichten. Der Vorsitzende des Gremiums, Sebastian Edathy (SPD), sagte der Nachrichtenagentur dpa, angesichts des knappen Zeitplans solle das Parlament zur Not im August oder September über die Ergebnisse der Ausschussarbeit beraten. Auch mehrere Obleute sprachen sich für eine Sondersitzung des Parlaments aus. Regulär wäre bereits Ende Juni die letzte Sitzungswoche dieser Legislaturperiode. (Stern.de, DW-Online)
Die Rechte: Kaum Mitglieder und ein digitaler Totalausfall
Sie gilt als Rechtsabbieger unter den braunen Gruppierungen - die Partei des aus Hamburg stammenden Neonazis Christian Worch. Aber die schnelllebige Welt des Internets hat auch für die rechtsextreme Szene ihr Tücken: Kaum da, ist die Partei aber auch schon wieder von der virtuellen Bildfläche verschwunden: Die Internetseite der Gruppierung ist seit Freitag vergangener Woche nicht mehr zu erreichen. Während die braune Konkurrenz von der NPD bei ihrer Wahlkampftour durch Niedersachsen allerdings aus eigenem Verschulden mit ihrem Werbe-LKW an den Klippen der metrischen Maßeinheiten scheiterte und sich unter einer leibhaftigen Brücke festfuhr, ist die "Weltnetzseite" (Szenejargon) der Worch´schen Rechtsüberholer Opfer eines Geisterfahrers auf der Datenautobahn geworden – oder besser: Opfer ganz vieler Geisterfahrer. Verantwortlich für das Datendebakel ist offenkundig eine gezielte Attacke von Gegnern der neuen rechtsextremen Partei geworden: Die Seite des Neonazis nicht nur einfach "nicht erreichbar", sie ist schlicht und ergreifend "nicht vorhanden", wie es im Datenjargon heißt. Und es muss schon ein ziemlich massiver Angriff sein, der die Internetpräsenz der Partei zum Absturz gebracht hat, denn der Server steht in Kalifornien. Betreiber ist nach Informationen von NDR Info die Firma "Dreamhost"-kein ganz kleines Unternehmen, denn immerhin verfügt das Unternehmen über einen eigenen Eintrag im Internetlexikon Wikipedia. (Publikative.org, NDR Online)
Nach Verboten: Neonazis in NRW stellen sich neu auf
Vier rechtsextreme Kameradschaften hat das NRW-Ministerium im vergangenen Jahr verboten. Genutzt hat das wenig, die Szene hat sich längst neu organisiert. Dennoch sollen der Mobilen Beratung gegen Rechts die Gelder gestrichen werden. (Kölner Stadt-Anzeiger)
Berlin: Rassistischer Angriff ruiniert Pizzabäcker
Im Prozess um zweifachen Mordversuch aus rassistischen Motiven werden die Beweise am dritten Prozesstag gegen den Angeklagten immer erdrückender. Dem 25-jährigen Arbeitslosen Stefan H. aus Schöneweide wird zu Last gelegt, im Oktober 2011 auf einen Pizzabäcker und vier Monate später auf einen Mithäftling in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee eingestochen zu haben. Beide Opfer überlebten die Angriffe nur knapp. In seiner Wohnung fand die Polizei einen Messerblock, der vom selben Hersteller stammt wie die Tatwaffe. An die Wände waren Hakenkreuze gemalt. Auf dem Tisch lag ein Zettel mit dem Horst-Wessel-Lied. Mehrere Zeugenaussagen belasten den Angeklagten schwer. H. gibt an, gegen den Mithäftling aus Notwehr gehandelt zu haben. Zum Angriff auf den Pizzabäcker schweigt er. H. war bereits als Jugendlicher als Intensivtäter bekannt. (taz)
Wenige Strafen für Neonazis in Thüringen: Justiz stellte Verfahren in den 1990ern häufig ein
Kriminelle Neonazis in Thüringen mussten in den 1990er Jahren die Justiz offenbar kaum fürchten. Von 130 Verfahren gegen Mitglieder der Kameradschaft "Thüringer Heimatschutz (THS)" haben Gerichte insgesamt 91 eingestellt, trotz teilweise gravierender Tatvorwürfe. Das geht aus einer Liste der Thüringer Polizei aus dem Jahr 2001 hervor, die dem CDU-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Clemens Binninger, vorliegt. In dem Papier mit Delikten von 1991 bis 2000 werden nur bei neun Verfahren Strafen genannt, die meisten waren gering. Binninger sprach am Donnerstag in der Sitzung des Ausschusses von einem "erschütternden Befund". Es sei kein Wunder, dass die rechtsextreme Szene in Thüringen immer stärker wurde, "wenn sie mit so wenig Konsequenzen rechnen musste". (Tagesspiegel)
Renaissance von rechts: In NRW werden Nazis in den Stadien wieder sichtbarer
Zum Rückrundenstart der Bundesliga wird wieder über Rechtsextreme in den Stadien diskutiert. Fanforscher sehen einen Zusammenhang zwischen den zunehmenden Repressionen gegen Ultras und dem Wiedererstarken der Rechten im Stadion. (WDR Online)
Wie Schulen langfristig gegen Rechtsextremismus arbeiten können
Der Sozialwissenschaftler Timo Reinfrank benennt im Interview mit "Mut gegen rechte Gewalt" aktuelle Probleme mit Nazis an Schulen, Strategien für die pädagogische Auseinandersetzung mit dem NSU und zeigt Möglichkeiten für nachhaltiges schulisches Engagement gegen Rechts auf. (Mut gegen rechte Gewalt)