In Hamburg sorgte der Rechtsextremismus im auslaufenden Jahr für zahlreiche Schlagzeilen. Anlass war neben der NSU-Mordserie der überregionale Aufmarsch zum "Tag der deutschen Zukunft". Während sich dem offenen Agitieren auf der Straße breites zivilgesellschaftliches Engagement entgegenstellte, gestaltet sich die Auseinandersetzung mit Rechtsextremistischem im hanseatischen Alltag schwieriger.
Ein Beitrag vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Hamburg (MBT HH)
Was war?
Mit dem Bekanntwerden der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds, welcher in Hamburg der Unternehmer Süleyman Tasköprü zum Opfer fiel, nahm die öffentliche Auseinandersetzung und insbesondere ihre mediale Begleitung mit dem Thema "Extreme Rechte" auch hier zu. Über das Jahr fanden, getragen von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppierungen, Demonstrationen und (Gedenk-)Veranstaltungen statt. Die Diskussion um die Umbenennung zweier Hamburger Straßen/Plätze nach Opfern rassistischer Politik und Gewalt dauert an.
Die Presselandschaft berichtete ausführlich bspw. zu Hausdurchsuchungen, die Anfang des Jahres u.a. in Hamburg stattfanden. Anlass war ein illegaler Fackelzug im Dezember 2011, bei dem rund 35 Personen im Stile der "Unsterblichen" durch Hamburg-Harburg marschierten – darunter Mitglieder einer neueren Hamburger Neonazi-Gruppierung namens "Hamburger Nationalkollektiv/Weisse Wölfe Terrorcrew". Die Polizei stellte – von den Medien nicht unbeachtet - weiße Masken, Baseballschläger, Schreckschuss- und Gaswaffen sicher.
Große Demo in Hamburg-Wandsbeck
Drängend war das Thema "Rechtsextremismus" während der ersten Jahreshälfte 2012 auch wegen einer für den 02. Juni 2012 von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten angemeldete Demonstration. Zu dieser mobilisierten die "Weissen Wölfe" mit den Neonazis der NPD und den "Freien Kräften". Zu einem überregionalen Aufmarsch durch Hamburgs Innenstadt wurde unter dem Motto "Tag der deutschen Zukunft – Unser Signal gegen Überfremdung" (TDDZ) spektrenübergreifend aufgerufen. Knapp 600 Neonazis folgten und konnten trotz massiver Gegenproteste durch den Hamburger Stadtteil Wandsbek ziehen. So organisierte die Stadt Hamburg auf dem Rathausmarkt unter dem Motto "Hamburg bekennt Farbe" neben Informationsständen ein Bühnenprogramm. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts hatte zu einer Demonstration und Blockaden aufgerufen.
Über die Hintergründe der Demonstration hat das MBT Hamburg in über 40 Seminaren und Veranstaltungen in Einrichtungen der Bezirks- und Senatsverwaltung, der offenen Jugendarbeit, Hamburger Betrieben, Ausbildungseinrichtungen, Stadtteilstrukturen und Regelschulen aufgeklärt. Mit den Teilnehmenden wurde dabei zur Ideologie der extremen Rechten gearbeitet.
Während dieser Aufmarsch von Neonazis in Hamburg nur wenige Monate nach Bekanntwerden der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds Tausende von Menschen auf die Straße brachte, war der Protest gegen zwei Kundgebungen der NPD im Rahmen ihrer "Deutschlandtour" nur wenige Wochen später überschaubarer.
"Rechtsextremisten nicht auf den Leim gehen"
Auch wenn die extreme Rechte auf offener Straße nicht in Erscheinung tritt, versucht sie auf gesellschaftliche und politische Auseinandersetzungen Einfluss zu nehmen und ihre Ideologie der Ungleichwertigkeit zu transportieren. Häufig kann sie dabei thematisch an Diskurse einer vermeintlichen "Mitte der Gesellschaft" anknüpfen. Die Auseinandersetzung um die Unterbringung aus der Sicherheitsverwahrung entlassener Sexualstraftäter versuchten Hamburger RechtsextremistInnen ebenso zu beeinflussen wie solche um die Unterkunftssituation von Asylsuchenden.
Das MBT Hamburg greift deshalb regelmäßig verschiedene Themenbereiche der extremen Rechten in der Reihe "Rechtsextremisten nicht auf den Leim gehen" auf. Im Rahmen dessen wurde im Jahr 2010 in Kooperation mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Hamburg die Broschüre "Ein Ratgeber für die Gastronomie" und Anfang 2012 in Kooperation mit der Behörde für Inneres und Sport, dem Hamburger Sportbund sowie der Hamburger Sportjugend "Ein Ratgeber für den Sport" herausgegeben. Daran anschließend soll im Januar 2013 ein weiterer Gesellschaftsbereich aufgegriffen und "Ein Ratgeber für den Betrieb" publiziert werden.
Was ist für 2013 zu erwarten?
2013 jährt sich die "Operation Gomorrah", eine Serie von Luftangriffen im Juli und August 1943, der zahlreiche Hamburgerinnen und Hamburgern zum Opfer fielen, zum sechzigsten Mal. Schon in der Vergangenheit haben Neonazis mittels ihres "Gedenkens" wiederholt versucht, die Geschichte umzudeuten, die Ursachen des Zweiten Weltkrieges und die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren. Es ist zu erwarten, dass sie gerade im kommenden "Jubiläumsjahr" den Aktivitäten des Bündnis' Ohlsdorfer Friedensfest zum Trotz ihr "nationales Bombenopfergedenken" zu begehen versuchen werden.
Nach wie vor arbeitet die Stadt Hamburg und dabei federführend die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) an einem Landesprogramm gegen Rechtsextremismus. Das Landesprogramm soll nicht in Eigenregie der Verwaltung erstellt werden, sondern auf einem breiten Beteiligungsprozess der Zivilgesellschaft basieren. Partizipieren werden neben dem Hamburger Beratungsnetzwerk (BNW) u.a. das Gremium der Erstunterzeichner von "Hamburg bekennt Farbe", der Hamburger Integrationsbeirat, zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsextremismus, Opferberatungseinrichtungen und der Landesseniorenbeirat. Außerdem ist eine Internet-Diskussionsplattform geplant.
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Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Hamburg (MBT HH)
redaktionelle Betreuung: Roger Grahl