07.12.2012 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Anschlag auf Wahlkreisbüro von Sebastian Edathy +++ Regierung entscheidet 2013 über NPD-Verbotsantrag +++ Rechtsextremismusforscher: Warum ein NPD-Verbot nicht ausreicht.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Anschlag auf Wahlkreisbüro von Sebastian Edathy

Auf das Wahlkreisbüro des Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), ist ein Anschlag verübt worden. Ein politischer Hintergrund könne "nicht ausgeschlossen werden". Der Staatsschutz hat Ermittlungen aufgenommen. (Sueddeutsche.de, Welt Online) Unterdessen wurde bekannt, dass der NSU möglicherweise ein regionales SPD-Büro in Salzgitter ausspioniert hat. Zahlreiche Spuren der Zwickauer Zelle nach Niedersachsen bleiben unklar. (blick nach rechts)

Regierung entscheidet 2013 über NPD-Verbotsantrag

Die Bundesregierung lässt sich bis zum nächsten Jahr Zeit mit ihrer Positionierung zu einem neuen Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD. Die Entscheidung zum NPD-Verbotsantrag werde im ersten Quartal 2013 fallen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten in Berlin. (Deutschlandradio) Die Innenminister und Ministerpräsidenten hatten sich am Mittwoch für ein erneutes NPD-Verbotsverfahren ausgesprochen. (Berliner Zeitung, taz) Auch die Mehrheit der Deutschen befürwortet ein Verbot: So ergab eine Emnid-Umfrage im Auftrag des Fernsehsenders "N24", dass zwei Drittel der Deutschen ein Verbot der rechtsextremen NPD befürworten würden. (Sueddeutsche.de) Unterdessen sprach sich Bundestagspräsident Norbert Lammert gegenüber der "F.A.Z." gegen einen eigenen Verbotsantrag des Bundestags aus. Das angestrebte Verfahren sei "nicht durchdacht" und lediglich ein Reflex auf die NSU-Morde. "Man soll es besser bleiben lassen", sagte er. (faz.net) Auch FDP-Vorstandsmitglied Dirk Niebel hat seiner Partei empfohlen, sich gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren auszusprechen. Die FDP habe in der Parteiführung noch keine einheitliche Meinung hergestellt, er sei aber sicher, dass die meisten Liberalen gegen einen neuen Verbotsantrag seien, sagte der Entwicklungsminister im "Westdeutschen Rundfunk". (Frankfurter Rundschau)

Rechtsextremismusforscher: Warum ein NPD-Verbot nicht ausreicht

Rechtsextremismusforscher sehen das NPD-Verbotsverfahren mit großer Skepsis: Im Fall eines Verbots könnte sich die Rechte radikalisieren. Scheitert das Verfahren, wird die Partei sogar aufgewertet. Im Kampf gegen Rechts sind andere Maßnahmen wichtiger. (Spiegel Online)

"Im Scheitern eine Chance" oder "Ideologie lässt sich nicht verbieten": Medienkommentare zum NPD-Verbot

Kommentatoren bewerten den NPD-Verbotsbeschluss der Innenminister meist skeptisch, Ideologie sei nicht zu verbieten. Befürworter sehen selbst im Scheitern eine Chance. (Zeit Online) Einig sind sich viele Kommentatoren, dass die Bundesregierung in dem Verfahren keine gute Figur mache. (Frankfurter Rundschau)

"Falscher Antifaschismus im Amt" und "Brauner Fusel": Weitere Kommentare zum NPD-Verbot

Laut einem Kommentar der "Frankfurter Rundschau" verfehlt die Debatte um das NPD-Verbot das Thema: Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Ausgrenzungs-Fantasien seien viel weiter verbreitet als diese Partei. "Davon lenkt ab, wer so tut, als ließe sich das Problem verbieten." (Frankfurter Rundschau) Heribert Prantl kommentiert derweil in der "Süddeutschen Zeitung", die deutsche Demokratie sei mittlerweile stark genug, um auch mit Neonazis zu leben. "Aber der türkische Gemüsehändler ist es nicht." Für den Abzug sämtlicher V-Leute aus der Führungsebene der NPD hätten die Behörden fast zehn Jahre Zeit. Und weiter: "Eigentlich gibt es wenig Grund, am Erfolg eines Verbotsantrags zu zweifeln. Eigentlich." (Sueddeutsche.de)

NPD-Verbot könnte Machtgefüge in Mecklenburg-Vorpommern verschieben

Ein NPD-Verbot könnte in Mecklenburg-Vorpommern zu einem Regierungswechsel führen. Sollten sich die Ministerpräsidenten der Länder mit ihrer Forderung nach einem Verbot der rechtsextremen Partei durchsetzen, käme es in dem Bundesland laut Paragraf 47 des Landes- und Kommunalwahlgesetzes zu einer erneuten "Feststellung des Wahlergebnisses" – ohne Berücksichtigung der NPD-Stimmen. Die fünf NPD-Mandate würden dann auf die übrigen Fraktionen im Parlament neu verteilt: Statt Rot-Schwarz könnte so Rot-Grün regieren. Aus der Landtagswahl vom 4. September 2011 war die SPD als Sieger hervorgegangen. (Lausitzer Rundschau)

Die Kraft des Verbots: Wie sich die NPD in Sachsen vorbereitet

Die Länderchefs haben empfohlen, ein Verbot der NPD zu beantragen. Zweifler gibt es aber weiterhin. Auch in Sachsen. Wenn die Sitze der rechtsextremen Partei leer blieben, verschöbe sich die Macht im Parlament. Für die NPD selbst wäre ein Verbot ein herber finanzieller Schlag, die ihre Aktionen durch Fraktionsgelder mitfinanziert. (Deutschlandfunk)

Hintergrund: NPD derzeit in zwei Landtagen vertreten

Die rechtsextreme NPD tritt offensiv gegen den demokratischen Rechtsstaat auf. Aus Sicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz will die Partei die gegenwärtige politische Ordnung in Deutschland überwinden. Nach Überzeugung der Experten sind Rassismus und Antisemitismus "in der NPD tief verwurzelt". Kernelement ihrer Ideologie ist eine ethnisch homogene "Volksgemeinschaft". Vorsitzender ist seit 2011 Holger Apfel, der versucht, die Partei nach außen gemäßigter wirken zu lassen. (Zeit Online) Dazu berichtet "blick nach rechts", dass zahlreiche Führungskader der NPD vormals Neonazi-Organisationen angehörten, die mittlerweile verboten sind. (blick nach rechts)

Nazis sollen Punker schwer verletzt haben: Attacke mit Schlagwaffen in Bochum

Während sich die Ministerpräsidenten der Bundesländer am Mittwoch für ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD ausgesprochen haben, hat es offenbar in Bochum eine schwere Attacke von Neonazis gegen Punker gegeben. Wie die "RuhrNachrichten" berichten, sind bereits am Dienstag sechs Punker, darunter fünf Frauen, in Bochum-Langendreer Opfer eines rechtsextremen Angriffs geworden. Zwei der Opfer sind dem Bericht zufolge in einem Krankenhaus behandelt worden. Die Polizei sucht Zeugen des Übergriffs. Laut "Bündnis Langendreer gegen Nazis" soll es Augenzeugen gegeben haben. (Rheinische Post)

Lichtenhagen-Gedenktafel gestohlen: Rechtsextreme Täter vermutet

Die im August am Rostocker Rathaus angebrachte Tafel zum Gedenken an die rassistischen Ausschreitungen von Lichtenhagen im Jahr 1992 ist in der Nacht zum Mittwoch entfernt worden. An die Stelle der Gedenktafel klebten die möglicherweise aus dem rechtsextremen Umfeld stammenden Täter ein Schild mit der Aufschrift "Für immer Deutschland!", teilte die Polizei mit. (Berliner Zeitung, Endstation Rechts)

Jüdische Gemeinde Berlin: Joffe beklagt Antisemitismus unter Schülern

Trauen sich Lehrer an manchen Schulen nicht mehr, Antisemitismus und Nahost-Konflikt im Unterricht anzusprechen? Davor warnt der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Berlin, Gideon Joffe. Schon jetzt würden Schüler das Wort "Jude" als Beleidigung gebrauchen. (Spiegel Online)

Zivilgesellschaft – Der Motor für Innovation

Wegen der Bundestagswahlen im kommenden Jahr enden nun nach und nach die Förderungen für alle Projekte gegen menschenfeindliche Ideologien. Sie enden einfach und werden ihre Arbeit einstellen müssen. Von dem Wenigen wird noch weniger übrigbleiben. Das ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der grausamen Mordserie des NSU zynisch und nicht hinnehmbar. Denn ziviles Engagement ist der Motor für Innovation. Ein Kommentar von Anetta Kahane. (Mut gegen rechte Gewalt)

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