05.11.2012 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Gedenk-Demos für die NSU-Opfer in mehreren deutschen Städten +++ Ein Jahr nach der NSU-Selbstenttarnungen: Es wurden bislang kaum Lehren gezogen +++ Ombudsfrau Barbara John: "Die Angehörigen sind schwer enttäuscht"

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Gedenk-Demos für die NSU-Opfer in mehreren deutschen Städten

Am ersten Jahrestag der Aufdeckung der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) haben in mehreren deutschen Städten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, für eine lückenlose Aufklärung der Verbrechen und im Andenken an die Opfer stattgefunden. (Tagesschau.de, Welt Online) Die größte Demo zog durch Berlin: Hier beteiligten sich am Sonntag laut Polizei etwa 1.600 Menschen an einem Protestmarsch zum Bundeskriminalamt im Stadtteil Treptow. Die Veranstalter sprachen von 3.000 Teilnehmern. Während der Kundgebung prangerten Redner "eine staatliche Mitverantwortung an den NSU-Morden" an. Zudem kritisierten sie eine "politische Stimmung in Deutschland", die die Morde des NSU ermöglicht habe. Flüchtlinge forderten einen Abschiebestopp und Arbeitserlaubnis in Deutschland. (Tagesspiegel, taz) In Hamburg hatten bereits am Samstag etwa 1.200 Menschen unter anderem vor dem Gebäude des Landesamtes für Verfassungsschutz demonstriert. Die Veranstalter mussten die Route gerichtlich gegen den Willen der Stadtverwaltung durchsetzen. Auch in Jena, Leipzig und Magdeburg gab es Aktionen. (taz) Die "taz" beurteilt die Demonstrationen kritisch: " Eher pflichtschuldig und bescheiden fielen die Demonstrationen aus, mit denen am Wochenende bundesweit in mehreren Städten an die Mordserie der drei Thüringer Neonazis erinnert wurde, deren Netzwerk im vergangenen Jahr eher durch Zufall aufgeflogen war." (taz-Kommentar)

Ein Jahr nach der NSU-Selbstenttarnungen: Es wurden bislang kaum Lehren gezogen

Ein Jahr ist es mittlerweile her, dass sich der rechtsterroristische NSU selbst enttarnt hat. Geändert hat sich seither im Umgang mit Neonazis aber wenig. "Störungsmelder" wirft einen Blick auf die Zeit nach der NSU-Selbstenttarnung. (Störungsmelder) Zum gleichen Thema konsterniert die "Stuttgarter Zeitung": "Es hat ihn gegeben, den blinden Fleck nicht nur im staatlichen Apparat, sondern auch im kollektiven Bewusstsein, und es gibt ihn weiterhin." (Stuttgarter Zeitung) Dazu bilanziert der "Tagesspiegel" ebenfalls: " Doch der oft beschworene „'Mentalitätswechsel' ist nur zum Teil erfolgt." (Tagesspiegel) Und auch der "Deutschlandfunk" stellt fest: " Die Ausländerfeindlichkeit, der Rassismus, vielleicht auch die Angst vor dem Fremden zeigen sich bis heute, ein Jahr danach." (Deutschlandfunk) Eine bislang unbesehene Parallele greift dagegen Patrick Gensing auf. Er schreibt: " Doch Rechtsterrorismus ist alles andere als neu: Schon in den 1980er Jahren griffen Neonazis zu Sprengstoff und Waffen. Die Parallelen sind frappierend, spielen bei der Aufarbeitung bislang aber keine Rolle." (SWR-Online)

Ombudsfrau Barbara John: "Die Angehörigen sind schwer enttäuscht"

Opfer-Ombudsfrau Barbara John beklagt Mängel bei der Aufklärung der NSU-Morde. Es entstehe im Untersuchungsausschuss der Eindruck, dass die Behörden eher eigenen Interessen folgen und sich selbst schützen wollen – ein Interview. (Frankfurter Rundschau)

Streit um V-Männer aus der rechtsextremen Szene und um Zukunft des Verfassungsschutzes

Die Aufarbeitung des NSU-Terrors sei "noch nicht zu Ende", versprach Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Wochenende in einer Erklärung zum ersten Jahrestag der Aufdeckung der NSU-Mordserie. Bald werde Anklage gegen Beate Zschäpe und ihre mutmaßlichen Unterstützer erhoben, kündigte Friedrich an. Er selbst sehe sich zudem in der Pflicht, zur rückhaltlosen Aufklärung des NSU-Terrors beizutragen und dafür zu sorgen, "das alles getan wird, damit so etwas in Deutschland nie wieder passiert", so Friedrich. Was aber genau getan werden sollte und welche Lehren aus dem Versagen der Behörden gezogen werden sollten, darüber gingen die Meinungen auseinander. Der Bundesinnenminister richtet sein Augenmerk auf besseren Informationsaustausch der verschiedenen Verfassungsschutzbehörden. Der neue Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, räumte ein, dass die NSU-Affäre das Vertrauen vieler Bürger in die Sicherheitsbehörden erschüttert habe. Er versprach Reformen und ein "Mehr an Transparenz". Außerdem befürwortete er ein zentrales V-Leute-Register, um die Informanten in Bund und Ländern zentral steuern zu können. (taz, Focus Online, Stern.de) Wie inzwischen bekannt wurde, hat der Verfassungsschutz in den neunziger Jahren überzeugte Neonazis offenbar systematisch vor Strafverfolgung bewahrt. Dies geht nach "Spiegel"-Informationen aus einem geheimen BKA-Dokument hervor. (Spiegel Online) Unterdessen haben die Grünen im Bundestag als Konsequenz aus dem Behördenversagen bei der NSU-Aufklärung die Auflösung und Neugründung aller Verfassungsschutzämter in Deutschland gefordert. (Rheinische Post) Derweil wandte sich Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) gegen eine Auflösung des Verfassungsschutzes. Er glaube aber, "dass wir wesentlich stärkere Sensibilität bei Polizei und Verfassungsschutz im Umgang mit Rechtsextremismus brauchen". (Tagesspiegel)

NSU-Untersuchungsausschuss gerät unter Zeitdruck

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags gerät nach Ansicht seines Vorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) unter Zeitdruck. Bis zum Sommer 2013 müssten alle Nachforschungen zur Zwickauer Terrorzelle abgeschlossen sein, sagte Edathy der in Hannover erscheinenden Zeitung "Neue Presse" vom Samstag. Die Aufklärung darüber, warum die Sicherheitsbehörden dem Trio bei der Mordserie an neun Migranten und einer Polizistin nicht auf die Spur kamen, sei nur leistbar mit vielen Sondersitzungen des Ausschusses. (Stern.de) Unterdessen hat die Grünen-Fraktion eine Bundestagsdebatte ein Jahr nach der Aufdeckung der rechtsextremen Terrorzelle NSU gefordert. In einem Brief an die anderen Fraktionen, aus dem die "Neue Osnabrücker Zeitung" zitiert, schreibt der Parlamentarische Grünen-Geschäftsführer Volker Beck, diese Tatsache biete hinreichend Anlass, in einer Parlamentsdebatte Bilanz zum Stand der Aufklärung zu ziehen sowie den Umgang mit rechtsextremistisch motivierter Gewalt zu diskutieren. Union und FDP hätten dies jedoch ablehnt. (Welt Online)

Abschluss der NPD-Brandstiftertour in Riesa: "Ihr seid so lächerlich"

Den Abschluss ihrer menschenverachtenden Kampagne "Einmal Sachsen und zurück" in Riesa hatten sich die Rechtsextremen der NPD vermutlich anders vorgestellt. Gegen rund 250 trillerpfeifende Demokratinnen und Demokraten hatten die Neonazis am Sonnabend keine Chance, ihre Parolen über die Hauptstraße zu posaunen. Sie gingen in einem Meer der Solidarität mit den Flüchtlingen unter. Gegen sie hatten die Nazis erfolglos versucht, Stimmung zu machen. (Sächsische Zeitung)

Entsetzen über Nazi-Graffiti in Mölln

Entsetzen bei den Behörden der Stadt Mölln und des Kreises Herzogtum Lauenburg nach den rechtsextremen Schmierereien: Mehr als 20 Häuser wurden mit Nazi-Graffiti verunstaltet. Die meisten konnten laut Bürgermeister Jan Wiegels (SPD) inzwischen beseitigt werden. Der Vorfall ereignete sich kurz vor dem 20. Jahrestag der verheerenden Brandanschläge auf zwei türkische Familien in der Stadt, bei dem 1992 drei Menschen ums Leben kamen. Der von Neonazis verübte Angriff hatte damals international für Aufsehen gesorgt. (NDR Online, Lübecker Nachrichten)

"Gegen Kinderschänder"-Event: Subtile NPD-Propaganda auf Facebook

Im vergangenen Jahr löschte Facebook die Gruppe, nun taucht sie unter ähnlichem Namen wieder auf. Knapp 250.000 Personen haben sich bereits dem "Gegen Kinderschänder"-Event angeschlossen – eine klare Nähe zur NPD scheint die wenigsten zu stören. (Endstation Rechts)

Zwei Jahre Haft für Neonazi Sven K. beantragt

Neonazi Sven K., der laut Anklage am 26. November 2011 auf dem Weihnachtsmarkt zwei türkischstämmige Jugendliche mit der Faust niederschlug, soll zwei Jahre ins Gefängnis. Dies beantragte die Staatsanwaltschaft. Der Rechtsextreme hatte zuvor eine Strafe wegen Totschlags verbüßt. (Der Westen)

Thüringen ermittelte in 360 Fällen gegen rechtsextremen Heimatschutz

Die Thüringer Justiz hat von 1994 bis 2002 in mindestens 360 Fällen gegen Mitglieder und Sympathisanten des rechtsextremen "Thüringer Heimatschutz" ermittelt. Das geht aus der Antwort des Thüringer Justizministeriums auf zwei Anfragen des Landtagsabgeordneten Wolfgang Fiedler (CDU) hervor. Wie das Justizministerium am Sonntag dazu mitteilte, wurden insgesamt 271 Personen als Angehörige der Vereinigung ermittelt, 601 Ermittlungsverfahren eingeleitet und 86 Strafbefehle erlassen. "Die hohe Zahl von Anklagen und Strafbefehlen zeigt, dass die Strafverfolgungsbehörden auch damals mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen die rechtsextreme Szene vorgegangen sind", sagte Justizminister Holger Poppenhäger (SPD). (Welt Online, MDR-Online)

Polizei verhindert Konzert von Rechtsextremen in Nordwestmecklenburg

Die Polizeiinspektion Wismar hat am Sonnabend eine Musikveranstaltung der rechtsextremen Szene verboten. Im Vorfeld war bekannt geworden, dass im so genannten Thing-Haus in Grevesmühlen mehrere Bands auftreten sollten, die eindeutige Bezüge zu nationalsozialistischem Gedankengut aufweisen und diese menschenverachtende Haltung auch während ihrer Auftritte propagieren. "Einzelne Bandmitglieder sind bereits mehrfach strafrechtlich durch Volksverhetzung und das Verwenden von verfassungswidrigen Symbolen in Erscheinung getreten", verdeutlichte André Falke von der Polizeiinspektion Wismar. (Norddeutsche Neueste Nachrichten) Derweil wurde auch im brandenburgischen Fürstenwalde ein rechtsextremes Treffen von der Polizei aufgelöst, nachdem die Beamten von mehreren Gästen mit dem Hitlergruß empfangen worden waren. (RBB Online)

Dortmund: Frei.Wild-Sänger skandierte "Nazis raus"

Aus Sicht der Polizei verlief das Konzert der Südtiroler Band Frei-Wild am Donnerstagabend in der Westfalenhalle ohne besondere Vorkommnisse. Die wegen ihrer völkisch-nationalen Texte umstrittene Band war vom Staatsschutz der Dortmunder Polizei beobachtet worden, der sich auch vor Ort ein Bild gemacht hat. Doch sei der Einsatz in der Westfalenhalle ruhig verlaufen, erklärte ein Polizeisprecher am Freitag. Plakativ hatte die Band beim Konzert ein Banner „Gemeinsam gegen Rassismus“ in der Halle aufgehängt. Und gemeinsam skandierte Sänger Philipp Burger „Nazis raus“ mit den Fans. (Der Westen)

Hammerskins: Europas Neonazis feiern sich selbst

2.000 Neonazis aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien und Frankreich, aber nirgendwo ein Polizist: Wie die rechtsextreme Hammerskin Nation am Wochenende im französischen Toul ihr Europatreffen feierte. (Frankfurter Rundschau)

Neonazis machen sich im Öko-Landbau breit

Mit dem Begriff "Bio" verbinden viele mehr als gesunde Lebensmittel: Sie denken an Weltoffenheit und Toleranz. Dass zunehmend Rechtsextreme in diesem Segment mitmischen, verunsichert die Bio-Branche. (Schwäbisches Tagblatt)

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