Nach den Rechten sehen: Verdacht: War NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben ein V-Mann? +++ Im virtuellen braunen Sumpf: Die Arbeit von no-nazi.net +++ Bericht: Mehr als 8.000 rechtsextreme Straftaten.
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Verdacht: War NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben ein V-Mann?
Die Reihe der Skandale um die Aufarbeitung der NSU-Morde reißt nicht ab. Der neueste Verdacht: Ausgerecht der Mann, der die Tatwaffe für neun der Morde der Zwickauer Terrorzelle beschafft haben soll, war möglicherweise V-Mann des Verfassungsschutzes. Stimmt diese Vermutung, wäre innerhalb weniger Tage bereits der dritte V-Mann im NSU-Umfeld bekannt geworden. Umso drängender wird die Frage, was die Behörden genau wussten – denn bestätigt sich der Verdacht, ließe sich die erfolglose Suche nach dem NSU-Trio wohl nicht mehr nur mit Pannen erklären (tagesschau.de, FTD). Bei dem V-Mann soll es sich um den ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben handeln. Wohlleben, der derzeit wegen seiner mutmaßlichen Unterstützung der NSU in Untersuchungshaft sitzt, ließ über seine Anwältin jegliche Kontakte zu "einem Geheimdienst oder anderen Sicherheitsbehörden" dementieren (Spiegel Online, Tagesspiegel, Thüringer Allgemeine). Unterdessen gibt es neue Spekulationen um eine Verbindung zwischen Nazis und der Berliner Rockerszene: Wie der Stern berichtet, stimme eine DNA-Spur, die nach einer Schießerei vor dem Clubhaus der Bandidos gefunden wurde, zumindest teilweise mit einer Spur aus dem letzten NSU-Versteck in Zwickau überein (Stern).
Im virtuellen braunen Sumpf: Die Arbeit von no-nazi.net
Ausführlich berichtet die FAZ über die Arbeit von no-nazi.net, einem Projekt der Amadeu-Antonio-Stiftung: Schon seit einiger Zeit werden die sozialen Netzwerke massiv von Rechtsextremen benutzt, die hier auf der Suche nach Nachwuchs sind. no-nazi.net klärt Jugendliche darüber auf und gibt ihnen Rüstzeug für die Diskussion. Die FAZ hat no-nazi.net besucht und berichtet ausführlich über die Arbeit des Projekts (FAZ).
Bericht: Mehr als 8.000 rechtsextreme Straftaten
Im ersten Halbjahr 2012 hat die Polizei mehr als 8.096 Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund registriert, darunter 354 Gewalttaten. Wie der "Tagesspiegel" berichtet, gehe das aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Petra Pau hervor. Damit gab es im Vergleich zum ersten Halbjahr 2011, als 7.682 rechtsextreme Delikte gezählt wurden, eine leichte Steigerung. Die meisten rechten Straftaten wurden in Nordrhein-Westfalen erfasst: 1.307 wurden hier gezählt, darunter 82 Gewalttaten. Dahinter folgen Sachsen und Bayern, am wenigsten Delikte wurden in Bremen verübt (Tagesspiegel).
Widersprüchliche Aussagen zu möglichem NPD-Verbot
In den vergangenen Tagen gab es widersprüchliche Einschätzungen zu einem möglichen NPD-Verbot: So zeigten sich die Landesinnenminister optimistisch über den Ausgang des diskutierten Verbotsverfahrens. Die Partei sei "von blankem Hass gegen den Staat" getrieben, sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD). Dies zeigten auch die mehr als 1.000 Seiten umfassende Beweissammlung, die von den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern zusammengetragen wurde (Donaukurier). Genau aus dieser Sammlung sickerten aber in jüngster Zeit immer wieder Details durch – laut Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eine Gefährdung für ein mögliches Verbotsverfahren: "Es handelt sich um vertrauliches Material für die Innenministerien der Länder. Wenn das so weiter geht, gefährden wir das Verfahren, noch bevor wir über ein Verbotsverfahren überhaupt entschieden haben", sagte er (Die Welt). Unterdessen kommentiert Frank Jansen vom Tagesspiegel: Er wendet sich gegen ein Verbot der NPD (Tagesspiegel).
Pro NRW plant Kundgebung am Samstag in Bonn
Für diesen Samstag plant die rechtsextreme Partei Pro NRW eine Kundgebung vor der König Fahd-Akademie in Bonn. Wie auf der Internetseite von Pro NRW zu lesen ist, sollen dabei auch Mohammed-Karikaturen gezeigt werden. Bei einer ähnlichen Veranstaltung im Mai war es nach Provokationen durch Rechtsextreme zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Salafisten gekommen (Kölner Stadt-Anzeiger).
Göppingen droht rechtsextremer Aufmarsch am 6. Oktober
Seit 1998 hat die Stadt Göppingen jede Demonstration aus dem rechtsextremen Lager verboten, jedes Mal wurde das Verbot vom Verwaltungsgericht mit Verweis auf das Versammlungsrecht für nichtig erklärt. Nun ist für den 6. Oktober wieder ein rechtsextremer Aufmarsch angemeldet - mit 400 angekündigten Teilnehmern*innen der bislang größte. Auch in diesem Fall hatte die Stadt die Demonstration verboten, nun befasst sich wie immer das Verwaltungsgericht mit dem Fall. Wann eine Entscheidung vorliegt, ist noch nicht abzusehen (Stuttgarter Nachrichten).
NPD-Verlag "Deutsche Stimme": Eine Party zur Pleite?
Seit Tagen gibt es Spekulationen über das Fortbestehen für den NPD-Verlag "Deutsche Stimme" und die gleichnamige Parteizeitschrift. Schon lange ist bekannt, dass die Verlagsgesellschaft der rechtsextremen Partei Finanzprobleme hat (Störungsmelder). Nun nimmt auch Verlagsgeschäftsführer Eckart Bräuniger seinen Hut, der erst im vergangenen Jahr als "knallharter Sanierer" zu seinem Job gekommen war. Selbst innerhalb der NPD gilt Bräuninger als "Mann fürs Grobe", der sich etwa als Söldner im Balkan-Krieg verdingte. Doch auch der "Mann fürs Grobe" scheint an der Sanierung der "Deutschen Stimme" gescheitert zu sein, deutet man seinen Abschied richtig. Immerhin wird ihm zum Abschied ein Fest spendiert: Auf dem Verlagsgelände in Riesa findet am Samstag eine Party mit 200 Litern Freibier und Auftritten rechtsextremer Bands wie "Die Lunikoff Verschwörung" oder "Sachsonia" statt (Endstation Rechts).
Johannes Kneifel: Vom Nazi zum Pastor
Gleich mehrfach erschienen in den vergangenen Tagen Porträts über Johannes Kneifel: Als Jugendlicher war er rechtsextrem und schlug einen Mann brutal tot. Erst im Gefängnis gelang ihm der Ausstieg, hier entdeckte er auch das Christentum für sich. Jetzt steht er kurz vor dem Abschluss seines Theologiestudiums. Anfang kommenden Jahres möchte er Pastor einer baptistischen Freikirche werden, über seine Erfahrungen hat er ein Buch geschrieben. Nach einer Fernsehdokumentation gibt es eine neue Wendung in Kneifels Fall: Ein Anrufer meldet sich, der ihm erklärt, er trage nicht die volle Schuld für den Tod Peter Deutschmann, auf den er damals eingetreten hatte. Kneifel sagt dazu nichts mehr – er hat nach dem Anruf ein Verfahren angestrengt, um das zu klären (taz, Welt Online, Sueddeutsche.de).
Mehr als 5.000 Veranstaltungen: Die Interkulturelle Woche 2012
Rund 450 Städte und Gemeinden in ganz Deutschland beteiligen sich mit über 5.000 Veranstaltungen an der Interkulturellen Woche 2012, die noch bis zum 29. September stattfindet. Zum Auftakt machten sich Potsdamer Schüler*innen Gedanken über das Zusammenleben in ihrer Stadt (Deutsche Welle, mehr Informationen zur Interkulturellen Woche hier).
Schulen gegen Rassismus
Als erste Schule in Salzgitter haben die Berufsbildenden Schulen Fredenberg (BBS) das Schild "Respekt! Kein Platz für Rassismus" erhalten. Die gleichnamige Initiative wurde im Jahr 2009 von Sportlern*innen sowie Medienmachern*innen ins Leben gerufen. Sie setzt sich mit vielfältigen Projekten gegen jegliche Form von Rassismus ein (salzgitter.de). Unterdessen fand im Hoyaer Schulzentrum ein Regionalkongress statt, an dem die weiterführenden Schulen in Hoya teilnahmen, die "Schulen ohne Rassismus", "Schulen mit Courage" sind. Die Jugendlichen erfuhren bei dem Kongress, wie sie sich gegen Rassismus einsetzen und Mut zeigen können (Kreiszeitung).
Belgrader Pride auch in diesem Jahr abgesagt
Erneut wurde der für den 6. Oktober geplante Belgrader Pride von serbischen Behörden abgesagt. Aus "Sicherheitsgründen" werde die Parade für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transidenten verboten. Dragan Marković, Chef der rechtspopulistischen Partei "Einiges Serbien", erklärte dem Sender "Prva TV" dazu, man könne für die Sicherheit der Teilnehmer nicht garantieren. Im Vorfeld hatte Marković Homosexuelle als "krank" bezeichnet. Bereits im vergangenen Jahr war der Belgrader Pride abgesagt worden, nachdem es 2010 zu gewaltsamen Protesten gegen die Parade gekommen war. Diese endeten damals mit stundenlangen Straßenschlachten zwischen Polizei und gewaltbereiten Gegendemonstranten*innen (inqueery).