13.09.2012 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Angeklagter sagt im Neonazi-Prozess zum "Aktionsbüro Mittelrhein" aus +++ NSU-Untersuchungen: Verteidigungsministerium streitet alle Vorwürfe gegen den MAD ab +++ Deutsche Justizministerin will Militärgeheimdienst MAD abschaffen.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Angeklagter sagt im Neonazi-Prozess zum "Aktionsbüro Mittelrhein" aus

Im Koblenzer Neonazi-Prozess hat erstmals ein Angeklagter die Aktivitäten des als rechtsextremistisch eingestuften «Aktionsbüros Mittelrhein» und seiner Vorläufergruppen geschildert. Der 27-Jährige sprach am Donnerstag vor dem Landgericht von regelmäßigen Treffen, bei denen etwa über Rassenkunde und andere Themen aus dem Dritten Reich debattiert worden sei. Es habe regelrechte Schulungen gegeben. Ziel sei es gewesen, die Demokratie abzuschaffen und einen nationalsozialistischen Staat zu errichten (Volksfreund.de).

NSU-Untersuchungen: Verteidigungsministerium streitet alle Vorwürfe gegen den MAD ab

Das Verteidigungsministerium hat die Vorwürfe zurückgewiesen, der Militärische Abschirmdienst habe  dem Bundestagsuntersuchungsausschuss Akten zur Neonazi-Mordserie vorenthalten. Der Vermerk sei bereits im April weiter geleitet worden - nur war dann halt die Akte nicht mehr zu finden. Überhaupt hätte NSU-Terrorist Uwe Mundlos auch gar nicht als Informant angeworben werden sollen, man habe ihn halt nur mal befragt (Rheinische Post). Das werden die Verantwortlichen dem NSU-Untersuchungsausschuss auch noch einmal ins Gesicht sagen können (bzw. müssen): Der Ausschuss will die zuständigen Vertreter des MAD und des Verteidigungsministeriums in einer Sondersitzung im Oktober selbst befragen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kommentierte treffend: "Dass beim Verfassungsschutz und beim MAD Akten über die NSU-Terroristen verschwunden sind, ist kein Zufall. Die Geheimdienste wollten die Gefahr von rechts nicht sehen. Ihre Ignoranz hat Menschenleben gekostet." Künast fügte hinzu: "Solche Geheimdienste sind kein Schutz, sondern eine Gefährdung für unsere Demokratie. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist grundlegend zerstört." (Märkische Allgemeine).

Deutsche Justizministerin will Militärgeheimdienst MAD abschaffen

Nach der jüngsten Aufklärungspanne beim militärischen Nachrichtendienst MAD fordert die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine Abschaffung der Behörde. "Nach einer bisher unvorstellbaren Pannenserie der Dienste ist eine grundlegende Reform der deutschen Sicherheitsarchitektur dringender denn je", mahnte sie. "Doppelarbeiten, Reibungsverluste und Informationspannen können nur durch energisches Anpacken abgestellt werden." (DerStandard, Die Welt, Spiegel online).

Derweil: Verfassungsschutz schreddert weiter

Im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sind nach dem Auffliegen des Zwickauer Terrortrios noch mehr Akten vernichtet worden als bislang bekannt. Dies enthüllt der "Stern" in seiner aktuellen Ausgabe. Noch im Februar dieses Jahres diskutierten Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz in einem mehrwöchigen Schriftverkehr, ob Unterlagen zu Thomas S., einem mutmaßlichen Helfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), gelöscht werden könnten. Danach wurde die Personenakte zu Thomas S. vernichtet, wie der Inlandsgeheimdienst auf Anfrage des Magazins bestätigte. Innerhalb des BfV wurde nach Recherchen des Stern die Löschung angewiesen, obwohl das Bundeskriminalamt (BKA) erst fünf Wochen zuvor im Zuge der NSU-Ermittlungen die Wohnung von Thomas S. durchsucht hatte. Thomas S., früherer Kopf des mittlerweile verbotenen Neonazi-Netzwerkes Blood & Honour, soll zeitweise mit Beate Zschäpe liiert gewesen sein und nach dem Abtauchen noch Kontakt zu der Terrorzelle gehabt haben. Das BfV sagte dem Stern, die Löschungsaktion sei aus datenschutzrechtlichen Gründen erfolgt. Zudem liegen laut BfV sämtliche in den gelöschten Akten enthaltenen Erkenntnisse zu Thomas S. der Bundesanwaltschaft und dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages vor (Frankfurter Rundschau)

Mutmaßlicher Neonazi prügelt in Jüterbog (Brandenburg) auf Stadtrat der Linken ein

Am Samstagabend wurde am Rande eines Volksfestes im brandenburgischen Jüterbog ein Stadtverordnetenvertreter der Linken von einem mutmaßlichen Neonazi mit Faustschlägen angegriffen. Nur das couragierte Eingreifen zweier Besucher verhinderte Schlimmeres. Der Täter konnte unerkannt entkommen: Die Polizei fandet nun nach einem 30 bis 35 Jahre alten Mann mit schlanker Gestalt (Endstation rechts).

Nach Artikel in „Junger Freiheit“: Brandenburgische CDU-Chefin nimmt ihren Hut

Nicht zum ersten Mal stand die brandenburgische CDU-Fraktions- und Parteichefin Saskia Ludwig in der Kritik – doch heute wurde es der Parteiführung zu bunt: Nach einem Artikel in der neurechten „Jungen Freiheit“ entzog ihr die Fraktion das Vertrauen und forderte Ludwig auf, von ihren Ämtern zurückzutreten (Endstation rechts).

Brandenburg: Nazis im Sportdress

Kurze Haare, kurze Hose, blauweißes Sportshirt – nichts Besonderes: Viele Fußballer laufen so herum. Doch Sebastian Richter ist in keinem Fußballverein in Brandenburg. Richter ist stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD-Nachfolgeorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und in Oberhavel kein unbeschriebenes Blatt beim Verfassungsschutz. Am 1. September trat er in Velten im Fußball-Dress auf. Das JN-Kadermitglied hatte ein Sporthemd mit dem Schriftzug von „Eintracht Oranienburg“ übergezogen. Der Verein fühlt sich missbraucht (Märkische Oderzeitung).

Der neue alte Antisemitismus: "Bist du Jude?"

Die Angriffe auf Juden in Berlin zeugen von einem neuen Antisemitismus - und einer neuen Angst. Die Täter sind keine Neonazis. Müssen Juden sich wieder verstecken? (Stern.de)

Köln: "Pro Köln"-Ratsherr soll ein Betrüger sein

Der rechtsextreme Ratspolitiker Jörg Uckermann macht erneut von sich reden. Vor Gericht muss sich der Politfunktionär jetzt wegen Betrugs, Urkundenfälschung, Geldwäsche und Begünstigung einer Straftat verantworten (Kölner Stadtanzeiger).

Nordhessen: Geehrte Rechtsextremistin

Eine 68-jährige Nordhessin vertreibt seit Jahren Schriften rechter Gruppen und Institutionen und engagiert sich im Krankenpflegeverein. Die Trägerin des Ehrenbriefs des Landes Hessen organisiert auch Treffen mit Holocaust-Leugnern (FR online).

Potsdamer*innen wollen Neonazi-Aufmarsch am Samstag blockieren

 „Es geht darum, dass die NPD nicht durch die Stadt kommt“, sagte Anne Pichler, Chefin des Stadtsportbunds und Sprecherin von „Potsdam Nazifrei“, am Mittwoch vor Journalist*innen. Man wolle friedlich, kreativ und lautstark gegen die Neonazis protestieren – und ihnen „keinen Raum lassen“, so Pichler. Dem Bündnis haben sich fast alle in Potsdam aktiven Parteien angeschlossen, dazu kommen Vertreter aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Kultur, Sport, Wissenschaft und Kirchen. Die geplante Marschroute der NPD, soweit bisher durchgesickert.: Die Neonazis wollen um 11 Uhr auf dem kleinen Parkplatz am Südausgang des Hauptbahnhofs treffen. Von dort aus wollen sie ab 12 Uhr über die Lange Brücke in die Innenstadt ziehen. Die Polizei geht von bis zu 200 Teilnehmern aus und will selbst mit rund 2000 Einsatzkräften vor Ort sein. Anmelder ist der Chef des NPD-Kreisverbands Havel-Nuthe, Michael Müller. Versammlungsleiter soll der Vize-Chef der Brandenburger NPD sein, der Cottbuser Ronny Zasowk. Auch der Fahrplan der Proteste wird immer konkreter: Freitag, 19 Uhr: Demonstration linker Gruppen am Hauptbahnhof, um vor dem NPD-Aufmarsch „eigene Inhalte zu vermitteln“. Samstag: Picknick auf der Wiese zum Brauhausberg, 9 Uhr (Potsdam Nazifrei). 11 Uhr: Demo von Anhänger*innen des SV Babelsberg 03 und der Aktionsgemeinschaft Babelsberg, Glasmeisterstraße zum Hauptbahnhof. 11 bis 20 Uhr: Fest der Toleranz (Hauptbahnhof, Nordseite an der Babelsberger Straße). Insgesamt sind acht Gegenproteste mit je 500 Teilnehmern auch an anderen Potsdamer Bahnhöfen angemeldet, um sich dort möglichst früh anreisenden Neonazis in den Weg zu stellen (pnn.de).

Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten: „Vertraute Fremde. Nachbarn in der Geschichte“

Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten geht dieses Jahr bereits in die 23. Runde. Er steht dieses Mal unter dem Motto „Vertraute Fremde. Nachbarn in der Geschichte“. Kinder und Jugendliche bis 21 Jahre werde aufgerufen, auf Spurensuche zu gehen. Ausrichter ist die Körber-Stiftung, die 550 Geldpreise auf Landes- und Bundesebene auslobt. Gemeinsam mit dem Bundespräsidenten möchte sie Kinder und Jugendliche dazu anregen, Nachbarschaftsbeziehungen an ihren Wohnorten auf die Spur zu gehen und zu zeigen, „wie Nachbarschaft in Deutschland und zu den Nachbarländern gelebt wurde und wird." (Endstation rechts)

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