Nach den Rechten sehen: Erneuter Anschlag auf Pizzeria "Bollywood" in Geithain +++ Rechtsextreme Attacke in Spremberg gegen Jugendliche +++ Wahl in NRW: NPD im freien Fall, PRO NRW stabil.
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Erneuter Anschlag auf Pizzeria "Bollywood" in Geithain
In der Nacht zum Sonnabend detonierte kurz nach Mitternacht vor der Pizzeria „Bollywood" in der Katharinenstraße in Geithain ein Sprengsatz. Möglicherweise handelte es sich dabei um einen selbstgebastelten Böller mit enormer Sprengkraft. Die Pizzeria „Bollywood" war bereits in der vergangenen Woche Ziel einer ausländerfeindlichen Attacke (ngn berichtete). Laut der "Initiative für ein weltoffenes Geithain" hat der 30-jährige Betreiber der Pizzeria nun genug, obwohl das Geschäft bisher gut lief: "Niemand kann mir und meinem Mitarbeiter in Zukunft Sicherheit garantieren.Wir haben Angst! Ich gebe auf." (LVZ) Klingt zynisch: BILD berichtet, die Polizei ermittle "in alle Richtungen, da sich der Verdacht auf ein rechtsextremes Motiv noch nicht erhärtet hat."
Rechtsextreme Attacke in Spremberg gegen Jugendliche
In der Nacht zum Sonntag griffen vermutlich Angehörige der rechten Szene in Spremberg brutal eine fünfköpfige Gruppe an, die einen linken Jugendclub verlassen hatte. Als die jungen Leute in ein Auto gestiegen waren, näherten sich laut Polizei sechs bis sieben Unbekannte in dunkler Kleidung und schlugen mit Baseballschlägern die Scheiben des Wagens ein. Die Insassen im Alter von 16 bis 24 Jahren erlitten Schnittverletzungen, Prellungen und einen doppelten Fingerbruch (Welt.de).
Wahl in NRW: NPD im freien Fall, PRO NRW stabil
Die NPD erlebte in Nordrhein-Westfalen ihre dritte Pleite in Folge. Bei den gestrigen Landtagswahlen erzielte sie 0,5 Prozent. Da PRO NRW auf 1,5 Prozent kam, hat sich nicht nur das Kräfteverhältnis der rechtsgerichteten Parteien dieses Bundeslandes verschoben, sondern die NPD ist endgültig in einen erfolglosen westlichen und einen erfolgreicheren Ostteil gespalten (Endstation rechts).
Schweden: Rassistischer Menschenjäger von Malmö vor Gericht
Jahrelang versetzte ein Heckenschütze Malmö in Angst und Schrecken. Jetzt kommt der 40-Jährige Peter Mangs vor Gericht, weil er gezielt Jagd auf dunkelhäutige Zuwanderer gemacht und drei Menschen ermordet haben soll. Zwölf Mordversuche und zehn weitere Straftaten wirft die Staatsanwaltschaft dem 40-Jährigen vor. Nach seiner Festnahme im November 2010 fand die Polizei in Mangs Wohnung eine Menge Belastungsmaterial wie Waffen, Munition, Gesichtsmasken, eine kugelsichere Weste und nicht zuletzt elektronische Listen mit Namen und Adressen von Opfern. Darunter war auch die eines Schneidermeisters mit Zuwanderer-Herkunft, der in seiner Schneiderstube hinterrücks durch das Fenster beschossen wurde (Handelsblatt).
Fast ein Fünftel mehr politisch motivierte Gewalttaten
Im vergangenen Jahr wurden so viele politisch motivierte Gewalttaten erfasst wie noch nie. Innenminister Friedrich klagt über die hohe Brutalität rechtsextremer Täter. Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten hat 2011 einen Höchststand erreicht. Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, wurden im vergangenen Jahr insgesamt 30.216 politisch motivierte Straftaten gezählt. Die Gewalttaten darunter stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 17,9 Prozent auf mehr als 3.000. Das ist der bislang höchste Wert seit Einführung des Erfassungskriteriums der "politisch motivierten Taten" 2001. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich äußerte seine Sorge darüber, dass besonders ausländerfeindlich motivierte Gewalttaten um etwa 22,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen hätten. Die Zahl der Gewalttaten im linksextremen Spektrum stiegen den Angaben nach um 31,4 Prozent, die Zahl der rechtsextrem motivierten Gewalttaten um 2,7 Prozent (ZEIT online). Die meisten Straftaten wurden von Rechtsextremisten verübt (16 873 gegenüber 8 687 linksextremen Straftaten), während die Linksextremisten für das Gros der Gewalttaten verantwortlich sind (1 157 gegenüber 755 rechtsextremistische Gewalttaten) (Berliner Zeitung).
Parteitag der Thüringer NPD: Partei sucht Nähe zu radikaleren Kameradschaften
Nach ihrem deutlichen Mitgliederverlust orientiert sich die Thüringer NPD offenbar wieder stärker an den "freien Kameradschaften". Am Samstag wurde auf einem Parteitag in Haselbach bei Sonneberg Patrick Wieschke zum neuen NDP-Landeschef gewählt. 100 Bürger protestierten vor dem Tagungsort in Sonneberg. Seine Stellvertreter sind Gordon Richter und Torsten Heise. Mit Wieschke und Heise sind gleich zwei im neuen Führungstrio der rechtsextremen Partei vorbestraft. Beide waren auch aktiv in der Kameradschaftsszene tätig. Wieschke wies am Sonntag eine Radikalisierung der NPD zurück. Derzeit hat die Partei nach seinen Angaben etwa 350 Mitglieder. Vor einigen Jahren waren es 550 (Thüringer Allgemeine).
Rechtsextreme Terrorzelle: Letzte Minuten von Böhnhardt und Mundlos rekonstruiert
Nach einem Bericht der Zeitung "Bild am Sonntag" hat Uwe Mundlos demnach am 4. November 2011 um kurz nach 12 Uhr zunächst seinen Kumpan Uwe Böhnhardt erschossen. Dann habe Mundlos in dem Wohnmobil, in dem sich die beiden verschanzt hatten, Feuer gelegt und anschließend sich selbst erschossen. Dies habe nach Aussagen von zwei Streifenpolizisten insgesamt 15 Sekunden gedauert, schreibt das Blatt. Derweil beantragte ihre NSU-Komplizin Beate Zschäpe eine Verlegung aus Köln in ein anderes Gefängnis, um ihre Untersuchungshaft näher an Jena verbringen zu können, wo ihre Mutter und Großmutter wohnten. Der mutmaßliche NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben ist laut dem Bericht mittlerweile von Wuppertal in die Justizvollzugsanstalt Gräfentonna in Thüringen verlegt worden (mdr).
NSU-Untersuchungsausschuss: Kompetenz-Wirrwarr und eine politische Spur
Eigentlich hätten zwei Verfassungsschützer vor dem Untersuchungsausschuss zur NSU-Mordserie aussagen sollen. Doch dann ging man einer heißeren Spur nach - einer politischen. Der damalige Innenminister Schäuble soll einen schweren Fehler begangen haben. Demnächst soll er vorgeladen werden (tagesschau.de).
Sinti und Roma statt NSU unter Verdacht: Das BKA bedauert - die Medienberichterstattung
BKA-Chef Ziercke bedauert, dass Sinti und Roma nach dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter unter Verdacht gerieten. Die Schuld gibt er aber den Medien. Die hatten allerdings vor allem Ermittler zitiert (taz).
Cottbusser*innen stellen sich Neonazis entgegen
Mehr als 700 Menschen protestierten gegen den Marsch eines kleinen Häufchens von NPD-Anhänger*innen durch die Stadt. Bereits bei einem Bürgerfrühstück am Morgen im Brunschwigpark demonstrierten sie: Cottbus ist bunt statt braun und solidarisch. Prominentester Gast beim Frühstück war Beate Klarsfeld, Nazi-Jägerin und Bundespräsidentenkandidatin der "Linken". Rund 400 Menschen blockierten die Nazi-Demonstration, die 90 Teilnehmer*innen hatte (Lausitzer Rundschau, II).
Österreich: Macher der rechtsextremen Internetseite alpen-donau.info vor Gericht
Gottfried Küssel steht ab heute wieder vor Gericht. Er gilt als Leitfigur der Österreichischen rechtsextremen Szene und muss sich wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verantworten. Der mittlerweile 53-Jährige soll gemeinsam mit den mitangeklagten Felix B. (34) und Wilhelm A.(40) die Homepage "alpen-donau.info" sowie das Forum "alinfodo.com" eingerichtet und betrieben haben, wobei ihnen Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter in seiner Anklageschrift unterstellt, sie wären "mit nationalsozialistischer Zielsetzung" bzw. "dem Vorsatz, durch ihr Handeln die Ziele der NSDAP zu fördern" vorgegangen (news.at).
Parteitag der Grünen in MV: Neumitglieder müssen rechtsextreme Vergangenheit offenlegen
Ein Schulterschluss aller demokratischen Parteien in Mecklenburg-Vorpommern soll nach dem Willen der Grünen im Kampf gegen den Rechtsextremismus für spürbarere Erfolge sorgen, beschlossen die Grünen auf ihrem Landesparteitag am Wochenende in Güstrow. Der umstrittene Antrag, den Verfassungsschutz als „demokratisch nicht zu kontrollierende Einrichtung“ aufzulösen, fand indes keine Zustimmung (Nordkurier). Eingeführt wurde dafür per Satzungänderung: Wer in Mecklenburg-Vorpommern Mitglied von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden möchte, muss bei Parteieintritt künftig seine (frühere) Mitgliedschaft in der NPD oder einer rechtsextremen Gruppierung offenlegen. Geschieht das nicht oder nicht in vollem Umfang, droht bei Bekanntwerden der sofortige Parteiausschluss (mvpo).
Ungarn: Faschisten marschiren - und weit und breit kein Widerstand
Mehrere tausend Neofaschisten und ihre Anhängerschaft demonstrierten am Samstag in der Budapester Innenstadt. Die rechtsextreme, im Parlament vertretene Partei Jobbik rief zu einem Marsch gegen die Sparpolitik der Regierung auf. Tenor: nur Jobbik vertritt das ungarische Volk, alle anderen sind Verräter. Eine Antifa oder gar bürgerlichen, erst recht staatlichen Widerstand sucht man in Ungarn vergeblich (Pester Lloyd).
Berlin: Auseinandersetzung zwischen Salafist*innen und Rechtspopulist*innen
Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Salafist*innen und Rechtspopulist*innen in NRW gerieten am Wochenende auch in Berlin 50 Salafist*innen und 20 Rechtspopulist*innen aneinander - die Polizei ging dazwischen. In dem Gerangel wurden vier Menschen verletzt. Usprünglich hatten die Salafist*innen dort eine Koran-Verteilung geplant. Doch die 20 Anhänger*innen der rechtspopulistischen "Bürgerbewegung Pro Deutschland" demonstrierten dagegen unter den Mottos „Islamisten stoppen“ und „Unsere Frauen bleiben frei“ (B.Z.). Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) fordert unterdessen, bei radikalen Salafist*innen das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken (MOZ).
Professor warnt vor salafistischen Videos im Internet
Der Islam-Experte Rauf Ceylan warnt vor dem zunehmenden Werben um salafistischen Nachwuchs im Internet. "Deshalb muss man sich um Seiten wie Youtube viel stärker kümmern", sagte Ceylan und forderte eine Zensur der Videoplattform. Das von Unions-Politikern geforderte Verbot von salafistischen Vereinen löse das Problem nicht. "Diese Videos sind viel gefährlicher als Vereine", betonte der 35-jährige Professor am Islam-Institut der Universität Osnabrück. Gerade für Jugendliche sei die Barriere, in einen salafistischen Verein zu gehen, viel größer als über einen Klick im Internet auf eines der Salafisten-Videos - auch von HipHoppern wie Deso Dogg - für diese gefährliche Bewegung geworben zu werden (DerWesten).
Rassismus: Es braucht mehr als Bekenntniskultur
Natürlich ist man gegen Rassismus. Am liebsten gegen den der anderen. Während es viele öffentliche Initiativen und Bekenntnisse gegen Rassismus gibt, wird der Rassismus im Alltag gern verniedlicht bis ignoriert.Aber es braucht mehr als nur Bekenntniskultur, findet Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung (Frankfurter Rundschau).