Rechtsterrorismus: Wusste die Neonazi-Szene schon 2002 von den NSU-Morden? +++ Betrugsermittlungen im rechten Milieu: Razzia bei ehemaligen V-Leuten wegen 700.000 Euro +++ Breivik über Utoya: Es war „der schlimmste Tag meines Lebens“.
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Rechtsterrorismus: Wusste die Neonazi-Szene schon 2002 von den NSU-Morden?
Eine ominöse Kommentar-Zeile im Neonazi-Magazin "Der Weiße Wolf" legt den Verdacht nahe, dass die Taten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" schon 2002 bekannt waren. Dort stand die Botschaft "Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen". Nachdem das linken Pressearchiv "Apabiz" in Berlin auf die Publikation gestoßen ist, ermitteln nun die Bundesanwaltschaft (Spiegel online, nsu-watch.apabiz.de).
Betrugsermittlungen im rechten Milieu: Razzia bei ehemaligen V-Leuten
Wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs ermittelt die Staatsanwaltschaft Gera gegen 13 Beschuldigte, mehrere von ihnen mit Bezug zu "rechter Klientel". Unter ihnen sind der frühere V-Mann Tino Brandt und ein weiterer Ex-Spitzel des Thüringer Verfassungsschutzes. In einer konzertierten Aktion durchsuchte am Mittwochmorgen ein Großaufgebot der Polizei mehrere Wohn- und Geschäftsräume in Thüringen und Sachsen. Ermittelt wird gegen 13 Beschuldigte wegen des Verdachts auf "gewerbsmäßigen Bandenbetrug". Dabei geht es um einen Versicherungsbetrug von drei Firmen auf der Grundlage von Unfallversicherungen für Mitarbeiter. Vor dem Hintergrund der jüngsten Ermittlungen sprach Thüringens Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) von einer möglichen "neuen Qualität der Geldbeschaffung der Neonaziszene". Insgesamt geht es um 700.000 Euro (Spiegel online, Thüringer Allgemeine).
Breivik über Utoya: Es war „der schlimmste Tag meines Lebens“
Zynisches Geständnis des norwegischen Massenmörders Anders Behring Breivik: Der Tag, an dem er auf der Insel Utøya 69 Teilnehmer eines Ferienlagers erschoss, habe ihn „körperlich und emotional“ belastet. Die Operation war extrem schwer, körperlich und emotional war der 22. Juli der schlimmste Tag meines Lebens“, zitierte die Zeitung „VG“ am Dienstag aus einem Brief Breiviks an eine nicht genannte Frau. Über das anstehende Gerichtsverfahren schrieb der Attentäter: „Es sieht so aus, als würde der Prozess zu einem Zirkus werden.“ In dem an einem Gefängnis-Computer abgetippten Brief heißt es weiter: „Ich kann nicht sagen, dass ich mich darauf freue.“ Die Verhandlung sei aber eine „einmalige Gelegenheit“, um den Menschen in Europa seine Weltsicht zu erklären (Handelsblatt).
Wie Neonazis ihre Gegner/innen bedrohen
Schweineherzen im Briefkasten – Neonazis schüchtern ihre Gegner/innen mal brachial, mal subtil ein. Dabei gehen sie präzise und professionell vor (ZEIT online).
Rechtsstreit um Neonazi-Demo am 31. März - Lübecker Bürgermeister will Verbot
Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) setzt sich weiter für ein Verbot einer Neonazi-Demonstration am 31. März ein. Die Hansestadt hat am Mittwoch beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts eingelegt. Die Stadt werde den Rechtsweg notfalls auch über das Oberverwaltungsgericht hinaus ausschöpfen, sagte Saxe am Mittwoch. Das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht hat das von der Stadt verhängte Demonstrationsverbot unter Auflagen aufgehoben. Mit der Entscheidung des OVG wird am Donnerstagnachmittag gerechnet (Welt). Gegendemonstrationen der Zivilgesellschaft sind ab 9.30 Uhr geplant (hl-live, mut-gegen-rechte-gewalt.de).
Lübeck als Vorbild: Auch NPD-Demo in Neumünster am 1. Mai soll verboten werden
Nach dem Willen der SPD soll nun auch die zentrale NPD-Demonstration am 1. Mai in Neumünster untersagt werden. Der Bürgermeister von Neumünster soll aufgefordert werden, ein Verbotsverfahren einzuleiten, um zu zeigen, dass die Verwaltung alles tue, um den Nazi-Aufmarsch zu verhindern. Allerdings ist der gerichtliche Weg, wie Lübeck zeigt, mehr symbolisch als erfolgsversprechend (Endstation rechts).
Neonazi-Vergleich: Kachelmann gewinnt Giftwolke-Prozess
Im Prozess um Jörg Kachelmanns Äußerungen die Giftwolken-Bewegung betreffend hat ein Berliner Gericht nun zu seinen Gunsten entschieden. Die Anhänger der sogenannten Chemtrail-Theorie protestieren gegen das Urteil. Wettermoderator Jörg Kachelmann darf die Anhänger der Giftwolken-Theorie ungestraft „Neonazis und Verrückte“ nennen. Diese umstrittene Äußerung, die der 53-Jährige in einer E-Mail von sich gegeben hatte, ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Hintergrund des Verfahrens ist die Klage eines Anhängers der Bürgerinitiative „Sauberer Himmel“, der sich durch die Äußerung Kachelmanns beleidigt gefühlt und in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt gesehen hatte. Seine Klage auf Unterlassung wies das Gericht jedoch zurück. Es sei nicht so, dass Kachelmann alle Anhänger der Chemtrail-Theorie „als Neonazis bezeichnet“ habe. Diese Äußerung würde, „wenn überhaupt“, das Persönlichkeitsrecht des Klägers nur am Rande verletzen, hieß es weiter. Die Bürgerinitiative vertritt die Auffassung, dass Kondensstreifen am Himmel Giftwolken sind, die künstlich erzeugt werden und zur Klimaveränderung beitragen. In seiner Antwortmail hatte Kachelmann dann die umstrittene Äußerung gemacht (ksta). Es gibt auch ein sehr gutes Video zum Thema "Chemtrails" und Verschwörungstheorien von Jörg Kachelmann auf Youtube, das hiermit empfohlen sei:
"Blut muss fließen"-Reporter Kuban über seine Recherchen
Thomas Kuban telefonisch zu erreichen, ist nicht einfach. Sein Name steht in keinem Telefonbuch. Der Name ist ein Pseudonym - und Kuban ruft nach einer Anfrage per Mail lieber von einer unterdrückten Nummer aus zurück. Das Versteckspiel hat einen ernsten Hintergrund: Acht Jahre lang, von 2003 bis 2011, hat der Journalist heimlich in der Neonazi-Musikszene gedreht (tlz.de).
Freitag: Moers tritt Pro NRW geschlossen entgegen
Eine für den 30. April geplante Demonstration der rechten Gruppierung Pro NRW aus Köln veranlasste den Rat am Mittwoch, eine gemeinsame Resolution zu verabschieden. In Moers will die Gruppe um 14 Uhr vor der Kocatepe-Moschee an der Römerstraße in Hochstraß auftreten, zuvor ist ein Termin in Duisburg an der Merkez-Moschee. Der Rat wendet sich nicht nur in Worten gegen pro NRW. Alle Moerser sind aufgefordert, mit den Ratsmitgliedern am 30. April in Hochstraß ein Bekenntnis für Demokratie, Toleranz und Respekt abzugeben und am "friedlichen Widerstand gegen den provokanten Auftritt" teilzunehmen. Man wolle in einer "weltoffenen und toleranten Stadt" leben (Rheinsche Post).
Samstag: Störungen durch und hoffentlich auch von Nazi-Aufmarsch in Dortmund
Am Samstag wird ein Nazi-Aufmarsch in der Dortmunder Innenstadt für Verkehrsbehinderungen sorgen. Darüber hinaus wird es eine Gegendemonstration geben. Die Polizei informiert die Bürger über den Ablauf der Veranstaltungen und zu erwartende Beeinträchtigungen (DerWesten).
Samstag: Mit einem Demokratiefest wollen die Brandenburger gegen NPD-Marsch protestieren
Mit einem Demokratiefest wollen die Menschen aus Brandenburg an der Havel am Sonnabend gegen einen Aufmarsch der rechtsextremen Partei NPD in ihrer Stadt protestieren. Das Aktionsbündnis für Demokratie und Toleranz der Stadt hat für 12 Uhr eine Kundgebung auf dem Neustädtischen Markt unter dem Motto „Tag der Demokratie“ angemeldet (Märkische Allgemeine).
Nach Sozialbetrug: NPD verliert weiteres Mandat
Der NPD-Stadtvertreter Christian Deichen hat sein Mandat niedergelegt. Zuvor war der Mann wegen Sozialbetrugs verurteilt worden. Für die NPD, die damit ihren einzigen Sitz in Wolgast verliert, ist dies bereits der mindestens dritte Verlust eines Kommunalmandats (Endstation rechts).
Nazis in Schleswig-Holstein: Massive und flächendeckende Präsenz
Der im März 2012 veröffentlichte Verfassungsschutzbericht für Schleswig-Holstein belegt: es gibt keinen Grund zur Entwarnung. Neonazis sind auch im hohen Norden sehr aktiv. Am 1. Mai will die NPD in Neumünster aufmarschieren (mut-gegen-rechte-gewalt.de).
Oldenburg: "Wo die NPD ist, ist der Terror auch nicht weit"
Seitdem die NPD mit einem Mann im Oldenburger Stadtrat sitzt, ist vielen bewusst geworden, dass es hier eine recht starke Neonazi-Anhängerschaft gibt – die ist allerdings schon seit Jahrzehnten aktiv. Ein Lokalteil-Interview mit dem Rechtsextremismus-Experten Raimund Hethey über Nazis in der Region, V-Mann-Skandale und die Erfolge der Antifa (Oldenburger Lokalteil).
Bayerischer Aussteiger will anderen Helfen, aus der Szene zu kommen
Die bayerische Neonazi-Szene brodelt. Einer ausgestiegen, einer, den alle kennen. Und: Er hat einen Verein gegründet, der anderen helfen soll, aus dem braunen Sumpf herauszukommen.
Felix Benneckenstein (25) war zehn Jahre lang ein Vorzeige-Nazi. „Mit 15 Jahren hatte ich Probleme mit Autorität und auch mit unserer Gesellschaft.“ Erst war er Punker, dann brachte ihn die Musik zur rechtsextremen Szene, bis er selbst als rechtsextremer Liedermacher "Flex" durch die Lande zog. Im Gefägnis kam er zum Nachdenken. Er verließ die rechtsextreme Szene und gründete die "Aussteigerhilfe Bayern" (BILD).
Chile: Neonazis wegen Mord an Homosexuellem angeklagt
In Chile hat die Staatsanwaltschaft Mordanklage gegen vier mutmaßliche Neonazis erhoben, die einen Homosexuellen zu Tode gefoltert haben sollen. Der 25jährige war am Dienstag an den Verletzungen gestorben, die ihm die Beschuldigten vor drei Wochen während einer sechsstündigen Folterung zugefügt haben sollen. Unter anderem wurden dem Opfer Hakenkreuze in die Haut geschnitten. Der Fall hat heftige Proteste hervorgerufen und eine Debatte um Anti-Diskriminierungsgesetze ausgelöst (euronews, pnn, queer.de).