26.01.2012 ... Nach den Rechten sehen

Razzia bei mutmaßlichen NSU-Unterstützer/innen - vier neue Verdächtige +++ Sachsen versucht es noch einmal mit einem neuen Versammlungsrecht gegen "Extremisten" +++ Verfassungsschutz tagt zu "Extremismus" im digitalen Zeitalter.

Die tägliche Presseschau von netz-gege-nazis.de

Razzia bei mutmaßlichen NSU-Unterstützer/innen - vier neue Verdächtige
Am Mittwoch haben etwa 110 Polizisten in Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg Wohnungen und Geschäfte durchsucht, darunter in Chemnitz, Dresden und im Erzgebirge, außerdem in Ostthüringen und im Großraum Stuttgart. Inzwischen beschuldigt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe elf Personen, die rechtsextreme Terrorgruppe unterstützt zu haben - vier mehr als bisher. Zwei der Verdächtigen stammen aus dem verbotenen "Blood & Honour"-Netzwerk: Jan W. und Thomas S. aus Sachsen. Zwei weitere neue Beschuldigte sollen den Mitgliedern des NSU in den Jahren 2002 und 2003 mehrere Schusswaffen verschafft haben - darunter eine Pumpgun vom Typ Mosberg Maverick 88, die zunächst vom Hersteller an ein Waffenhaus in der Schweiz verkauft wurde und dann im April 1997 von einem Schweizer Staatsbürger gekauft worden sein soll. Interessant ist für die Ermittler auch der Weg der zweiten Pumpgun, einer Winchester 1300 Defender. Das ist die Waffe, mit der Mundlos am 4. November seinen Kumpanen Böhnhardt erschoss, nachdem die beiden von der Polizei entdeckt worden waren. Die kam offenbar aus Kanada über Österreich in die Hände der NSU(taz, sueddeutsche.de). Einer der mutmaßlichen Unterstützer der neonazistischen Terrorgruppe NSU soll inzwischen in Düsseldorf leben. Carsten S. soll die Terroristen der Zwickauer Zelle 1999 und 2000 mit Geld und Unterkunft versorgt haben. Zeitweise soll er ihr wichtigster Unterstützer gewesen sein (wz-newsline.de) Im thüringischen Wolfersdorf und Laasdorf seien Polizeiaktionen durchgeführt worden, heißt es aus Insider-Kreisen. Die betroffenen Bewohner, Frank L. und Andreas S., werden beide mit dem ehemaligen Neonazi-Szeneladen „Madleys“ in Jena in Verbindung gebracht. Im Erzgebirge gehörte der mutmaßliche NSU-Unterstützer André der „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ an, die als äußerst militant galt und über beste Kontakte zum verbotenen „Blood&Honour“-Netzwerk verfügt haben soll. Zudem betrieb eine der weiteren Verdächtigen, Antje P., mit ihrem Ehemann in Aue-Schwarzenbeck einen Szeneladen. (bnr.de)

Analyse: Rechtsextremismus als soziale Bewegung
Dazu passte die Analyse bei publikative.org: Die NSU ist keine isolierte Terrorzelle, sondern Teil einer rechtsextremen sozialen Bewegung.

Kommentar: Staat duckt sich weg
Vor wenigen Wochen wurde die blutigste Terrorserie seit Bestehen der RAF entlarvt. Konsequenzen? Aufarbeitung? Fehlanzeige. Statt dessen übt sich Deutschland in Selbsttäuschung (mut-gegen-rechte-gewalt.de)

Sachsen versucht es noch einmal mit einem neuen Versammlungsrecht gegen "Extremisten"
Auch wenn es Verfassungsgerichte es in der Regel nicht gern sieht, wenn Bundesländer versuchen, politische Probleme mit Gesetzesänderungen zu bearbeiten, die die bürgerlichen Freiheiten einschränken, versucht es der Staat Sachsen kurz vor den Nazi-Aufmärschen in Dresden erneut mit einem Gesetzesentwurf, der das Versammlungsrecht von "Extremisten" an sensiblen Orten einschränken soll. Das Gesetz soll noch vor den Nazi-Aufmärschen und Gegenprotesten vor Dresden in Kraft treten. Die Opposition klagt. Ein sehr ähnlicher Entwurf scheiterte im Februar 2010 vor dem Sächsischen Verfassungsgericht in Leipzig. (dnn, T-online).

Verfassungsschutz tagt zu Extremismus im digitalen Zeitalter
In Berlin fand im Januar das 9. Symposium des Verfassungsschutzes statt, diesmal zum Thema “Extremismus im digitalen Zeitalter”. Laut Verfassungsschutz sind die Islamist/innen im Internet am professionellsten unterwegs - um Rechtsextremismus ging es aber auch (Jih@d-Blog). Wir empfehlen für die Anlayse über Rechtsextremismus im Web 2.0 unserer neue Broschüre "Zwischen Propaganda und Mimikry - Neonazi-Strategien in den Sozialen Netzwerken". Hier zum Download.

Friedrich soll Verfassungsschutz ausmisten
Ob die Beobachtung von Linke-Politikern oder das Übersehen einer Neonazi-Mordserie: Die Praktiken des Verfassungsschutzes entzweien die Koalition. Es muss ausgemistet werden, fordert die FDP (stern.de).

"Mein Kampf" kommt doch nicht an den Kiosk
Stattdessen mokiert sich der "Zeitungszeugen"-Verleger über "das unlesbare Buch" (merkur-online.de)

"Besseres Hannover"-Nazis unterwandern Ultra-Szene von Hannover 96
Neonazis versuchen in jüngster Zeit, die Ultraszene von Hannover 96 zu unterwandern. Das behauptet die Initiative zur Aufdeckung rechter Gewalt in einer Mail, die am Dienstagabend beim Verein, der Polizei, der Staatsanwaltschaft und zahlreichen Medien eingegangen ist (haz.de)

Kategorie C spielte unter dem Alias H.E.R.M in Delmenhorst
Der Wirt der Delmenhorster Kneipe "Die Szene" gibt zu, dass Kategorie C in seinem Lokal gespielt haben. Allerdings nennen sie sich derzeit "H.E.R.M." und sind auf "Balladenkneipentour". Von einem Übergriff - ein 21-jähriger Punk wurde dabei schwer verletzt - will er nichts bemerkt haben. Inzwischen hatte die Polizei im Internet ein Video entdeckt, auf dem der Auftritt der Rechtsrock-Band in Delmenhorst festgehalten ist. Auf dem Facebook-Auftritt von "H.E.R.M." hatten sich bis Sonntagabend allein sieben Leute gemeldet, die den Auftritt gesehen hatten. Einer berichtet sogar von einem "blöden Spinner mit seiner Freundin". Das könnte sich auf den Verletzten und seine Freundin beziehen, weil die beiden wohl das Publikum störten (Weser-Kurier)

Gegenstrategien

Dortmund verstärkt Kampf gegen Nazis
Mehr Personal, mehr Projekte, mehr Beratungsangebote: Die Stadt Dortmund will ihre Aktivitäten gegen Rechtsextremismus verstärken. Neben einem Runden Tisch soll auch eine Taskforce im Stadteil Dorstfeld, einer Hochburg der Nazis, dabei helfen. Alle Infos sind in einer Broschüre zusammengefasst (DerWesten, BILD).

Malaktion gegen Neonazis in Leipzig – Michael Fischer-Art ruft Schüler zum bunten Porträt auf
Der Maler Michael Fischer-Art ruft deshalb zusammen mit Bundestagsmitglied Thomas Feist (CDU) und Roman Schulz, Pressesprecher der Regionalstelle Leipzig der Sächsischen Bildungsagentur, eine Kunstaktion ins Leben. Unter dem Motto „Bunte Charakterköpfe statt brauner Rüben“ sollen Kinder und Jugendliche ein Porträt gestalten (LVZ online).

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