25.01.2012 ... Nach den Rechten sehen

Familienministerin will Kampf gegen Rechtsextremismus verstaatlichen +++ Delmenhorst: Brutaler Übergriff nach "geheimem" Kategorie C-Konzert +++ Nach der Neonazi-Demo in München: Rechtsextremer schlägt türkischen Taxifahrer zusammen.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Familienministerin will Kampf gegen Rechtsextremismus verstaatlichen
Als Reaktion auf die Mordserie der Zwickauer Terrorzelle will Kristina Schröder (CDU) ein bundesweites "Informations- und Kompetenzzentrum" gegen Rechtsextremismus einrichten. Zwei Millionen Euro will sie aufwenden, um Erfahrungen beim Kampf gegen Neonazis zu "bündeln und bundesweit zugänglich" zu machen, kündigte die Familienministerin am Dienstag nach einem "Spitzentreffen gegen Rechtsextremismus" mit zivilgesellschaftlichen Initiativen in Berlin an. "Gar nichts" hält Anetta Kahane von der Amadeu AntonioStiftung, die sich vor allem in den neuen Bundesländern gegen Rechtsextreme engagiert, von Schröders Plänen. "Ich finde, die existierenden Beratungsnetzwerke müssen unterstützt und ausgebaut werden - gerade jetzt, wo staatliche Stellen so versagt haben", sagte sie der taz. Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime kritisierte, der Fokus der Debatte sei zu eng: "Wir brauchen eine Debatte über alltäglichen Rassismus". Wie Hohn dürfte die Ankündigung auch für die bereits bestehenden Bundesaktionen gegen Rechtsextremismus klingen: Die Bundeszentrale für politische Bildung etwa musste jüngst eine Etat-Streichung von 3,5 Millionen Euro hinnehmen (Welt, mut-gegen-rechte-gewalt.de, ND, ZEIT online)

Delmenhorst: Brutaler Übergriff nach "geheimem" Kategorie C-Konzert
Fans der rechten Hooligan-Band "Kategorie C - Hungrige Wölfe" haben am Samstag in Delmenhorst einen Punker schwer am Kopf verletzt. Sie waren mit Baseball-Schlägern bewaffnet. Am Montag wurde der Punker ins Klinikum Bremen-Mitte verlegt, weil er dort medizinisch besser versorgt werden kann. Das Konzert hatte in einer Kneipe in der Delmenhorster Innenstadt stattgefunden, an der der Punk nichtsahnend vorbeigelaufen war. Denn der Verfassungsschutz wusste zwar vom Konzert - die Bevölkerung allerdings nicht (taz).

Nach der Neonazi-Demo in München: Rechtsextremer schlägt türkischen Taxifahrer zusammen
In der Nacht nach dem Neonazi-Aufmarsch am Samstag in München drosch der bekannte Neo-Nazi-Aktivist Stephan W. (28) einen türkischstämmigen Taxifahrer übelst zusammen. Und NPD-Funktionär Norman Bordin (35) schaute dabei zu, berichtet BILD ausführlich - und zeigt dazu ein Demo-Foto, auf dem gut zu sehen ist, wie die Neonazis mit Schlagstöcken bewaffnet durch München ziehen - ohne dass die Demonstration deswegen aufgelöst wurde.

Reisende Rechtsterroristin
Die Jenaer Rechtsextremistin Beate Zschäpe reiste, bevor sie sich der Polizei stellte, quer durch ganz Deutschland - von Zwickau über Chemnitz, Leipzig, Eisenach, Bremen, Hannover, Magdeburg, Halle, Eisenach, Weimar, Halle und Dresden nach Jena. Uwe Bönhardt wurde am vergangenen Mittwoch unter strenger Geheimhaltung in Jena beigesetzt (Thüringer Allgemeine).

Knallharte Überzeugungstäterin
Beate Zschäpe war weit mehr als eine Mitläuferin. Den Ermittlern zufolge war sie eng in die Neonazi-Terrorzelle eingebunden – bis hin zum "letzten propagandistischen Akt". Laut Zeugenaussagen soll sie etwa bei Waffenübergaben dabei gewesen sein, Wohnmobile angemietet haben - und zuletzt die Propaganda-DVDs des Trios verschickt haben (taz).

Verfassungsschutz Brandenburg: Nazi-Szene militarisiert sich
In der Debatte um Rechtsextremismus hat die Leiterin des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Winfriede Schreiber, vor einer Militarisierung der Szene gewarnt. „Der Schwerpunkt des Rechtsextremismus hat sich in die Neonazi-Szene verlagert“, sagte Schreiber gestern der MAZ. „In Brandenburg ist das die größte Gefahr.“ Während die NPD an Mitgliedern verliere und die Zahl ihrer Symphatisanten schrumpfe, werde die sogenannte freie Neonazi-Szene militanter und moderner. 370 Mitglieder hatte die NPD 2010 in Brandenburg, die Zahl der frei organisierten Neonazis schätzt der Verfassungsschutz auf 380. Umso wichtiger sei es, dass die Zivilgesellschaft, insbesondere die Kommunen, im Kampf gegen Fremdenhass unterstützt werden, so Schreiber (MOZ).

Köln: Warum Wegschauen keine Lösung ist
In Köln wird aktuell wieder einmal das Thema diskutiert: Rechtsextreme Demonstrationen ignorieren oder dagegen protestieren? „Passiver Widerstand als Alternative“ kommentierte ksta.de zur geplanten Pro-Köln-Demo in Kalk. Darauf antwortet nun Jörg Detjen, Fraktionschef der Linken im Rat der Stadt. Seine These: Rollläden runterlassen und sich abwenden führt auf Dauer zur Passivität und Ignoranz (ksta.de)

Münchner Stadtrat will rechtsradikale BIA verbieten lassen
Bei der Vereidigung zeigte er den Hitlergruß: Seit 2008 sitzt der Rechtsextremist Karl Richter im Münchner Rathaus. Jetzt will sich der Stadtrat dafür einsetzen, Richters rechtsextreme Bürgerinitiative Ausländerstopp zu verbieten. Möglich sei dies entweder als Vereinsverbot durch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) oder aber nach einem vom Bundesverfassungsgericht verfügten Verbot der NPD, das dann sämtliche Tarn-und Nachfolgeorganisationen mitumfasst (sueddeutsche.de).

Wenn Teile der CDU mit dem Rechtspopulismus liebäugeln: "Aktion Linkstrend stoppen"
Der "Partnerlink" zu Politically Incorrect ist mittlerweile von der Website der sächsischen Initiative "Aktion Linkstrend stoppen" entfernt. "Weisen Sie diese Gruppe in ihre Schranken und sorgen Sie für Mäßigung", hatte gestern Martin Dulig, Chef der Sachsen-SPD, gefordert. Gerichtet war die Forderung an die Landesführung der CDU. Später war der PI-Link verschwunden. Die inhaltlichen Überschneidungen zum demokratiegefährdendem Rechtspopulismus bleiben. Die Website wird von CDU-nahen Bürger/innen gestaltet (heise.de)

Finnland: Schwuler grüner Kandidat wirft Rechtspopulisten aus der Präsidentenwahl
Der Konservative Niinistö hat die erste Runde der Präsidentenwahl in Finnland gewonnen. In der Stichwahl im Februar muss er gegen den Grünen Pekka Haavisto antreten, der sich mit seinem Mann Antonio Flores über den Erfolg in der Stichwahl freute. Haavisto setzte sich damit gegen den liberalen Kandidaten Paavo Väyrynen und den rechtspopulistische EU-Kritiker Timo Soini der "Wahren Finnen" durch (ZEIT online, blu.fm, queer.de).

Schülerwettbewerb in Thüringen: Klasse gegen Rechtsextremismus
Thüringens Innenminister Jörg Geibert hat am Dienstag, 24. Januar, den Schülerwettbewerb „Klasse gegen Rechtsextremismus“ gestartet. Mit dem Ausscheid sollen Kinder und Jugendliche ermuntert werden, sich in eigenen Projekten mit dem Rechtsextremismus auseinanderzusetzen. „Egal ob im Schulalltag, im Freundeskreis, im Internet oder auf der Straße – ob als Video, Internetseite, Beitrag in einem sozialen Netzwerk, Fotostrecke, Kunstwerk, Musikstück, Zeitungsartikel oder Präsentation. Jedes Projekt, das sich im Schuljahr 2011/2012 kreativ gegen Rechtsextremismus einsetzt, kann eingereicht werden“, so der Minister. Einsendeschluss ist der 31. Mai 2012 (dtoday, otz).

Schülerwettbewerb in Gießen gegen Stammtischparolen
Der Gießener Bundestagsabgeordnete Rüdiger Veit (SPD) veranstaltet in seinem Wahlkreis einen Kreativwettbewerb zum Thema „Stammtischparolen - nicht mit mir“. „Das Thema Rechtsextremismus in Deutschland ist leider aktueller denn je. Dabei zeigen sich Rassismus und Rechtsextremismus nicht nur in gewaltsamen Übergriffen, sondern auch in versteckter Form in unserem Alltag“, so Veit. Ein typisches Beispiel seien Stammtischparolen. Veit ruft nun Jugendliche und junge Erwachsene dazu auf, in einem kreativen Beitrag deutlich zu machen, dass sie nicht mit Stammtischparolen einverstanden sind. Sie sollen Argumente gegen Stammtischsprüche finden und aufzeigen, wie man solche Parolen widerlegen kann. Eingereicht werden können Kurz-Essays (maximal 3500 Zeichen), Videos, Foto-Collagen, gemalte Bilder, Lieder, Umfragen, Interviews - bei der Ausarbeitung sind keine Grenzen gesetzt. Der oder die Gewinner/in fährt nach Berlin Die Teilnehmer müssen zwischen 15 und 20 Jahre alt sein und vom 4 bis 6. Mai Zeit haben. Einsendeschluss des Kreativbeitrags ist am 20. März (Kreis-Anzeiger).

Samstag: Initiativen-Konferenz in Dortmund
Am Samstag lädt das "Bündnis gegen rechts Dortmund" zwischen 10 und 18 Uhr unter dem Motto „Demokratie verwirklichen! Frieden schaffen!“ zur 30. Konferenz antifaschistischer und antirassistischer Initiativen und Organisationen in die FH Dortmund (Fachbereich Design) ein. Die Veranstalter rechnen mit bis zu 200 Teilnehmern (DerWesten).

"Hamburg steht auf" gegen Rechtsextremismus
Politiker, Prominente, Unternehmen und Vereine haben am Dienstag in Hamburg den Startschuss für eine bundesweite Kampagne gegen Rechtsextremismus gegeben. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) übernahm in der Hansestadt die Schirmherrschaft dafür. Die vom 16. bis 24. März andauernde Kampagne "Hamburg steht auf!" wird von 150 Partnern unterstützt, darunter TV-Koch Tim Mälzer, der Musiker Lotto King Karl, das Thalia Theater, der Hamburger SV und der FC St. Pauli. Für den 24. März ist eine Großkundgebung geplant (NDR.de, BILD, Altona.info (Video), Hamburger Abendblatt)

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