02.12.2011 ... Nach den Rechten sehen

Nach „Junker-Jörg-Affäre“: NPD wirftehemaligen Spitzenkandidaten Matthias Heyder raus +++ Innenpolitiker wollen schnelles NPD-Verbot +++ Nazi-Hetzportal "Altermedia" fordert "Paulchen Panther mach doch weiter".

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Nach „Junker-Jörg-Affäre“: NPD wirft ehemaligen Spitzenkandidaten Matthias Heyder aus Partei
Der ehemalige NPD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Matthias Heyder, wurde aus der Partei geworfen. Als Grund wird die sogenannte Junker-Jörg-Affäre genannt – Heyder soll Anleitungen zum Bombenbau veröffentlicht haben. Die Ermittlungen gegen das ehemalige NPD-Mitglied dauern an. Der Landesverband der sachsen-anhaltischen NPD hat Matthias Heyder bereits im Oktober aus der Partei ausgeschlossen, jedoch erst heute wurde die Mitteilung veröffentlicht. Wie die „KOMPAKT-Nachrichten“, ein Online-Portal der NPD Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“, schreibt, sei der Grund für den Ausschluss die „Junker-Jörg-Affäre“ (Endstation rechts).

Innenpolitiker wollen schnelles NPD-Verbot
Und sie sind nach Medienberichten offenbar bereit, ein entsprechendes Verfahren bereits nächste Woche einzuleiten (Spiegel online, Bild).

Nazi-Hetzportal "Altermedia" fordert "Paulchen Panther mach doch weiter"
"Altermedia" ist das wichtigste Propaganda-Portal der deutschsprachigen Nazi-Szene - und wird trotz zahlreicher Verurteilungen der Macher stets fleißig weiter bestückt. Jetzt fordert Altermedia in Bezug auf die Bekenner-Videos der Terrorvereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund": "Paulchen Panther mach doch weiter." Danach zitiert "Altermedia" aus dem NSU-Bekennervideo: "Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder keine Frage!" Damit keine Fragen offen bleiben, ist unter dem Artikel die Comic-Figur aus dem Bekennervideo mit einem Foto von Dieter Graumann, Vorsitzender des Zentralrates der Juden, abgebildet. In den Kommentaren zu dem Artikel wird dann in Dutzenden antisemitischen Beiträgen weiter gehetzt: "Für Paulchen gibt es noch sehr viel zu tun", schreibt einer (tagesschau.de, Hintergründe zu Altermedia bei Spiegel online).

Menschen fühlen sich am meisten von Rechtsextremen bedroht
Da scheint die konservative "Welt" verblüfft: Die Mehrheit der Deutschen hält Neonazis laut einer ZEIT-Umfrage für eine deutlich größere Gefahr als Islamisten. Und, schlimmer noch: "Überraschend wenige Bürger fühlen sich von Linksextremen bedroht." In Zahlen: 41 % fürchten Nazis am meisten, 36 % Islamisten - und nur 5,6 Prozent gaben an, dass die größte terroristische Bedrohung in Deutschland von Linksextremisten ausgehe! 13 Prozent der Befragten sehen derzeit überhaupt keine terroristische Gefahr in Deutschland. Lustig dazu die Umfrage auf welt.de unter den eigenen LeserInnen - hier ist die rechtskonservative Welt wieder in Ordnung: Hier finden 64 % die Islamisten am gefährlichsten, 19 % die Linksextremen - und nur 13 % die Rechtsextremen (Stand 02.12.2011, 9.30 Uhr).

Urteil gegen Nazi-Attentäter von Wetzlar ist rechtskräftig
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Limburg als offensichtlich unbegründet verworfen. Die vier Angeklagten waren im Februar wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung zu Haftstrafen verurteilt worden. Sie hatten im März 2010 einen Brandsatz auf das Haus eines Kirchenmitarbeiters in Wetzlar geworfen, weil sie dem als Gegner der Rechten bekannten Mann einen «Denkzettel» erteilen wollten. In der Nacht des Anschlags schliefen die Frau und drei Kinder des Mannes in dem Haus, er selbst war nicht da. Der Brand wurde von einem Nachbarn entdeckt und konnte schnell gelöscht werden, es wurde niemand verletzt (PNP.de).

Große Mehrheit mit Polizeiarbeit gegen Nazis unzufrieden
Und noch eine Umfrage: Bei der Aufklärung der rechtsextremen Mordserie geben die Behörden nach Meinung einer Mehrheit der Deutschen ein schlechtes Bild ab. Trotz fieberhafter Suche nach Beweisstücken, trotz der über 400 eingesetzten Kriminalbeamten, trotz zehn Staatsanwälten, die an dem Komplex arbeiten - die Deutschen sind ziemlich unzufrieden mit der Aufklärungsarbeit der Behörden nach der Entdeckung der Zwickauer Terrorzelle. Gerade mal ein Drittel (33 Prozent) der Befragten wertet die Arbeit als "gut", 30 Prozent finden sie "weniger gut", 21 Prozent sogar richtig "schlecht". Und das passt vollständig ins Gesamtbild: 81 Prozent beklagen, der Staat lasse "Neonazis und Rechtsextremisten zu oft freie Bahn". Und immerhin 58 Prozent stimmen der Formulierung zu, "Polizei und Verfassungsschutz sind auf dem rechten Auge blind". Fast zwei Drittel sorgen sich, dass Rechtsextremisten auf Dauer unseren Staat verändern könnten (tagesschau.de).

Gleiche Chancen und Schule für Kinder mit und ohne Behinderung - Bremen kriegt's hin
Die Kultusminister geben unscharfe Empfehlungen für ein „inklusives“ Schulsystem - also keine Förderschulen mehr, sondern ein gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung. Geht das? Bremen macht es vor - weil die Eltern es so wollen (Frankfurter Rundschau).

mut-gegen-rechte-gewalt.de blickt schon einmal zurück: Das war 2011

Neues vom FSV Zwickau: Spieler riefen auch in der Kabine "Sieg Heil"
Auf seiner Homepage schimpft der FSV über Medienberichte. Dabei liegen die Fakten auf der Hand: Sieg-Heil-Ruf in der Mannschaftskabine (dazu gibt es ein Video), Nazilieder der Fans beim Spiel (dafür gibt es Zeugen), dazu eine Norwegenflagge auf der Zuschauertribüne, die wohl eine Hommage an Massenmörder Anders Breivik oder für die unter Nazis beliebte Modemarke „Thor Steinar“ sein sollte - die Lage für den Verein wird ungemütlich (Sächsische Zeitung).

Heute, 18 Uhr: Mahnwache in Offenburg
nter dem Motto "Die Gegenwehr wollen wir nicht alleine den Politikern überlassen! Zeigen wir uns!", ruft heute, Freitag, ein breites Bündnis von Veranstaltern zu einer Mahnwache für die von Neonazis bundesweit ermordeten zehn Mitbürgern auf. Die Mahnwache beginnt heute um 18 Uhr bei der St. Andreaskirche am Fischmarkt. Die Teilnehmer werden gebeten, Kerzen mitzubringen (Badische Zeitung).

Morgen (Samstag) um 12 Uhr: Antifaschistische Kundgebung in Berlin-Neukölln
Ausgerechnet am Morgen des 9. November 2011, dem 73. Jahrestag der Pogromnacht 1938, versuchten Neonazis zum zweiten Mal in diesem Jahr das Anton Schmaus-Haus am U-Bahnhof Britz Süd anzuzünden. Nur die Tatsache, dass Bauarbeiter_innen das Feuer frühzeitig entdeckten, hat Schlimmeres verhindert. Das Anton Schmaus-Haus muss trotzdem vorerst weiter geschlossen bleiben. Dagegen wendet sich die Kundgebung, die um 12 Uhr am U-Bhf. Britz-Süd (U7) stattfindet (neukoelln.blogsport).

Kabarettist Serdar Somuncu singt: "Toleranz ist die Mission"
Bislang kannte man Serdar Somuncu als ebenso umstrittenen wie bejubelten Kabarettisten. Mit seinem ersten Album "Dafür kommt man in den Knast!" zeigt er nun seine musikalische Seite. Ein Gespräch über Humor als Waffe gegen Rechtsextremismus - und die erotische Ausstrahlung Adolf Hitlers (Deutschlandradio).

Verfassungsschutz Thürigen 2000: Nazis in Video für Schulen verharmlost
Dass Nazis sich gern als Opfer linker Gewalt darstellen, ist bekannt - dass sie es unkommentiert auf Videos des Verfassungsschutzes tun dürfen, die an Schulen eingesetzt werden sollten, ist neu. Die JG Stadtmitte hat ein Zeitdokument ins Internet gestellt. Der Film “Jugendlicher Extremismus mitten in Deutschland – Szenen aus Thüringen” von Reyk Seela wurde im Jahr 2000 als Lehrfilm für Schulen vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz produziert, bzw. von dessen Tarnunternehmen, der Heron Verlagsgesellschaft. Hier werden militante neonazistische Strukturen in Thüringen verharmlost und gewaltbereite linke Jugendliche herbeizuhalluziniert. Hier können sich Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes (Tino Brandt und Andre Kapke) unkommentiert als Opfer linker Gewalt darstellen (publikative.org).

Konzert gegen Nazis in Jena und Thementag im MDR
Heute spielt Udo Lindenberg mit Freunden open Air und umsonst in Jena (netz-gegen-nazis.de berichtete) und der mdr macht einen Thementag gegen rechte Gewalt (mdr, Musikmarkt.de).

Neuruppin: 380 Verfahren gegen Gegendemonstranten
Die Sitzblockade gegen eine Neonazi-Kundgebung am 24. September in Neuruppin zieht sehr aufwändige Ermittlungen nach sich. Zwei Monate nach der Kundgebung führt die Polizei noch viel mehr Verfahren gegen Neonazi-Gegner als bisher bekannt war. Insgesamt laufen zurzeit 380 Verfahren gegen Gegendemonstranten, teilte die Polizeidirektion Nord gestern auf Nachfrage mit (Märkische Allgemeine).

Schützen gegen Nazis
Bayerische Schützenvereine sprechen sich gegen Rechtsextremismus in den eigenen Reihen aus und bitten ihre Mitglieder um Aufmerksamkeit (Augsburger Allgemeine).

CDU wirft enttarnten Neonazi raus
Der CDU-Kreisvorstand Kassel hat am Donnerstagabend gegen den enttarnten Neonazi Daniel Budzynski ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet. Der Beschluss erfolgte einstimmig, sagte die Kasseler CDU-Chefin Eva Kühne-Hörmann (hr-online).

Wie viele Todesopfer rechtsextremer Gewalt?
Der Bundestag streitet um Zahlen (stern.de). Wie wäre es mit denen der Amadeu Antonio Stiftung - die haben wir gerade nachrecherchiert: 182 Todesopfer rechtsextremer Gewalt

Wie leben Nazi-Familien?
Wenn sie sich erst mal lokal etabliert haben, sehr gut und oft in verantwortlichen Positionen, wie dieser Bericht der Südwestpresse zeigt.

raf

drucken