18.08.2011 ... Nach den Rechten sehen

Neue Rechte im "geistigen Bürgerkrieg" +++ Leipzig verbietet NPD- und Gegen-Veranstaltungen am Samstag +++ Neonazi aus Jameln zu vier Jahren Haft verurteilt, aber wieder auf freiem Fuß.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

"Geistiger Bürgerkrieg"
Vertreter der "Neuen Rechten" verstehen sich als "Rechtsintellektuelle", nennen ihre Kinder Brunhilde und Wieland und wähnen sich in einem "geistigen Bürgerkrieg" um Deutschland, den sie unter anderem mit "subversiven Aktionen" gewinnen wollen. 3sat besuchte führende Sprachrohre der neurechten Bewegung: Götz Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza ("Sezession"), Autor Martin Lichtmesz und "Blaue Narzisse"-Kopf Felix Menzel - sehenswert! (3sat)

Vier Jahre Haft wegen Hehlerei und Waffenbesitz für Jamelner Neonazi Sven Krüger - Antritt unklar
Zu vier Jahren und drei Monaten Haft hat das Schweriner Landgericht gestern Sven Krüger aus Jamel verurteilt. Der Abrissunternehmer war wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und Waffenbesitzes angeklagt worden. Den Gerichtssaal verließ Sven Krüger gestern vorerst als freier Mann, da er bis zum Haftantritt auf freiem Fuß bleibt. Wann beziehungsweise ob der mehrfach vorbestrafte Abrissunternehmer ins Gefängnis muss, ist derzeit noch unklar. Denn noch ist das Urteil nicht rechtskräftig (Lübecker Zeitung, Ostsee-Zeitung).

Stadt Leipzig verbietet NPD-Veranstaltung am Völkerschlachtdenkmal am Samstag
Das Zauberwort heißt "polizeilicher Notstand": Die Stadt Leipzig verbietet die NPD-Veranstaltung „Völker zur Freiheit – Nein zur EU-Diktatur!“, die am 20. August am Völkerschlachtdenkmal geplant war, und alle Gegenaktionen, weil sie befürchtet, dem Gewaltpotenzial von Veranstaltung und Gegenprotesten nicht Herr zu werden. Bedeuten tut das erst einmal nicht viel: NPD wie Gegenprotest-Organisatoren klagen gegen das Verbot. Nur eine Antifa-Demo wurde definitiv abgesagt, weil sie von der Polizei "unhaltbare Auflagen" erhalten hätte und so den Protest als nicht sinnvoll erachte. Stattdessen sollen andere Gegenproteste unterstützt werden (LVZ I, LVZ II, BILD, Leipzig-Fernsehen, Berliner Umschau, Die Jüdische, BILD II).

Halle: Prozess geplatzt
Der Prozess gegen eine Führungsfigur der rechtsextremen Szene in Sachsen-Anhalt ist vor dem Amtsgericht Halle erneut geplatzt. Nach Angaben des Gerichts war der Angeklagte Marcus G. kurzfristig umgezogen, deshalb erreichte ihn die Vorladung zur Verhandlung nicht in der vorgeschriebenen Frist (mz-web).

Jugendpfarrer im Visier der Polizei - Verdacht muss revidiert werden
In Dresden durchsucht die Polizei die Räume eines Jenaer Jugendpfarrers wegen seiner Teilnahme an den Protesten gegen den Neonazi-Aufmarsch im Februar in Dresden - weil sie ihn als Teil der linksextremen Szene sieht. Der Pfarrer versteht seine Seelsorgearbeit praktisch begleitend und ist überzeugt, so Schlimmeres zu verhindern. Die Staatsanwaltschaft konnte auch nach der Durchsuchung am 10. August den Verdacht der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" gegen den Pfarrer nicht erhärten. Dabei soll es um seine Begleitung einer "Antifa-Sportgruppe" gehen. Behördensprecher Jan Hille sagte am Mittwoch, es sei nicht auszuschließen, dass dieses Ermittlungsverfahren gegen König eingestellt werden müsse. (ZEIT, Freie Presse, MDR).

Attentäter Breivik hatte weitere Bombe
Der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik soll neben der Autobombe, die im Osloer Regierungsviertel explodierte, noch einen zweiten Sprengsatz gebaut haben. Dafür hatte er noch wesentlich mehr Sprengstoff eingeplant. Die zweite Bombe hat die Polizei nun auf seinem Grundstück unschädlich gemacht (Focus).

"Netz der Eurabia-Blogger"
Ein FAZ-Autor hat sich derweil "Im düsteren Netz der Eurabia-Blogger" umgesehen und stellt fest: Im Internet tummelte sich Anders Behring Breivik unter Gesinnungsgenossen. Skandinavien ist zu einem der bevorzugten Verbreitungsgebiete der islamfeindlichen Bloggerszene geworden. Als radikal fiel er unter Anhängern der „Eurabia-Verschwörung“ nicht auf.

Dresden: Prozess gegen Neonazi wegen zehnfachen versuchten Mordes beginnt
Im August 2010 wurde das Wohn- und Kulturprojekt RM 16 in Dresden mit einem Molotowcocktail angegriffen. Von der kommenden Woche an muss sich deshalb der stadtbekannter Nazi Stanley N. wegen zehnfachen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung vor dem Dresdener Land­gericht verantworten (Jungle World).

Bremen: Prozess gegen "Sturm Wiking"-Mitglieder
Sieben Bremer im Alter von 18 bis 25 Jahren, darunter ein 18-jähriges Mädchen, müssen sich seit Dienstag vor dem Landgericht Bremen verantworten. Vorgeworfen wird ihnen unter anderem, eine kriminelle Vereinigung mit rechtsradikaler Ausrichtung namens „Sturm Wiking“ gebildet und einen Anschlag auf das Jugendzentrum Lidice-Haus in der Neustadt verübt zu haben (nwz online).

MV: Mieterbund veröffentliche NPD-Positionen - und dann doch nicht
Schwieriger Umgang: Der Mieterbund Neubrandenburg befragte für seine Internetseite neun Politiker zum Thema "Miete" - darunter auch ein Vertreter der rechtsextremen NPD. Als es dagegen Proteste gab, argumentierte der Mieterbund recht klassisch mit dem fehlenden NPD-Verbot - überlegte es sich aber dann noch einmal anders und reagierte. Allerdings damit, dass er alle Politiker-Statements von der Internet-Seite nahm (Nordkurier).

Rechtsextremismus in MV - Kommentar von Andreas Bluhm, Landtagsabgeordneter "Die Linke"
mut-gegen-rechte-gewalt.de hat Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern nach ihrer Sicht des Rechtsextremismus im Land befragt. Heute: Andreas Bluhm, Landtagsabgeordneter von Die Linke (mut-gegen-rechte-gewalt.de) Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt derweil zivilgesellschaftliches Engagement, dass den Widereinzug der NPD in den Landtag zu verhindern sucht.

Weimar: Bürgerbündnis organisiert Gegenaktion am 27. August
"Freie Kräfte" wollen am 27. August in Weimar demonstrieren. Das Bürgerbündnis will vielfältige Aktionen dagegen setzen (TLZ).

Ein NS-Kriegsverbrechen, das nicht verjährt
1944 ermordet die SS 560 Menschen in einem italienischen Dorf, vor allem Frauen und Kinder. Die Täter sind verurteilt, aber frei. Die Überlebenden fordern Gerechtigkeit (ZEIT).

Was ist islamischer Feminismus?
Auch wenn er oft nicht gehört wird: Es gibt einen islamischen Feminismus. Sein Ziel: Dass Frauen nicht das Gefühl haben, sich zwischen ihrem Glauben und den Menschenrechten entscheiden zu müssen. Interessantes Interview mit Frauenrechtlerin Amina Wadud in der taz.

Bildwitz
Aktuell will NPD-Mann Udo Voigt in Berlin auf Wahlplakaten ganz subversiv-provokativ "Gas geben". Ein npd-blog-Leser hatte eine Verschönerungsidee.

Witze gegen Nazis?
Und dazu gleich noch ein Bericht bei "Spiegel online": Nützt Humor gegen Nazis - und wenn ja, welche Wirkung kann er haben?

Handreichung zu Rechtsaußen-Wahlkampf in Berlin
Das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin hat eine lesenswerte Broschüre zum Wahlkampf von NPD, Pro Deutschland und die Freiheit veröffentlicht. Beim Störungsmelder kann die Handreichung als pdf heruntergeladen werden.

Broschüre zu Opfern rechtsextremer Gewalt in Sachsen
Im Juli 2009 wurde Marwa El-Sherbini in Dresden aus rassistischem Hass ermordet. Jetzt erinnert ein Sammelband der Opferberatung des RAA Sachsen e.V. an die abscheuliche Tat und reflektiert die politischen wie gesellschaftlichen Reaktionen. Gleichzeitig werden jene Zustände beschrieben, in denen ein solcher Mord möglich war. Das Buch „Tödliche Realitäten“ erinnert nicht nur an Marwa El-Sherbini, sondern auch an die elf weiteren Todesopfer rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt in Sachsen seit 1990 (Störungsmelder).

Verbieten oder nicht?
Bund und Länder debattieren wieder einmal über ein NPD-Verbot (Welt).

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