27.07.2011 ... Nach den Rechten sehen

Europas Rechtspopulisten weisen Mitverantwortung an den Anschlägen zurück +++ NPD-Neukölln macht „Multikulti“ für Anschläge verantwortlich +++ Islamfeinde sind gut vernetzt +++ Brandstifter aus Leverkusen wird mit Phantombild gesucht +++ Dortmund: Rechtsextreme Anschläge im Vorfeld des „Nationalen Antikriegstags“ am 3. September +++

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Europas Rechtspopulisten weisen Mitverantwortung an den Anschlägen zurück
Rechtsextreme und Rechtspopulisten weisen jeden Verdacht der geistigen Nähe ihrer Weltanschauung zu denen von Doppelattentäter Anders Behring Breivik zurück. Lieber werfen sie der europäischen Linken vor, die Anschläge im „Kampf gegen Rechts“ zu manipulieren. (Stern) In Berlin gedenken die Rechtspopulisten von „pro Deutschland“ den Opfern – mit Wahlplakaten und dem Statement „Christen und Konservativen ist jener Hass fremd, der islamistische Attentäter ebenso antreibt wie fanatisierte Einzelgänger a la McVeigh und Breivik“. (Tagesspiegel)

NPD-Neukölln macht „Multikulti“ für Anschläge verantwortlich
Ein an Zynismus kaum zu überbietendes Statement zu den Anschlägen in Norwegen hat die NPD abgegeben. Auslösendes Motiv für den Massenmord sei nach Ansicht der Neonazi-Partei nicht etwa die rassistische Weltanschauung von Attentäter Anders B. Breivik gewesen. Die Schuld habe vielmehr ausgerechnet “Multikulti”: “Nicht Patriotismus oder Nationalismus, sondern Multikulti ist der Nährboden, auf dem Irre wie dieser Norweger gediehen und weiter gedeihen werden!” erklärt NPD-Bezirkspolitiker Jan Sturm. (Schattenbericht)

Anschläge in Norwegen: Reaktionen in Deutschland und Europa
Die SPD fordert die stärkere Überwachung von Rechtsextremisten im Internet und die erneute Einleitung eines NPD-Verbots. Sigmar Gabriel erklärt: „In einer Gesellschaft, in der der Anti-Islamismus und die Abgrenzung von anderen wieder hoffähig wird, in der das Bürgertum Herrn Sarrazin applaudiert, da gibt es natürlich auch an den Rändern der Gesellschaft Verrückte, die sich letztlich legitimiert fühlen, härtere Maßnahmen anzuwenden.“ (Süddeutsche) Die CSU plädiert für die Vorratsdatenspeicherung, Migrantenverbände wünschen sich einen „Präventionsgipfel zum Thema Islamophobie“. (Focus)

In den Internetforen reichen die Meinungen der Neonazis über die Anschläge von offener Bewunderung bis Kritik an der Auswahl der Opfer. Einige feiern Breivik als „Wikinger“, der in „alter Berserkertradition den Anstoß zur entscheidenden Wende im Kampf um Europas Zukunft gab“. Andere kritisieren, dass Kinder und Jugendliche getötet wurden: "Wären die Opfer nur Regierungsmitglieder, einflussreiche Politiker oder sonst die Hohen Tiere, könnte man sein Motiv deuten." (Rheinische Post) (Nordkurier)

In Europa fallen die Reaktionen unterschiedlich aus. In Russland kommentiert eine Boulevardzeitung, Breivik habe „die geheimsten Wünsche einiger seiner russischen Gefolgsleute erfüllt“. In Österreich gerät die rechtsextreme FPÖ ins Visier. Ein italienischer Europapolitiker nennt die Ideen Breiviks „richtig“, manche „sogar ausgezeichnet“. Die polnische Linke fordert die Warschauer Regierung auf, den Kampf gegen Rechtsextremismus zu verstärken. (Spiegel)

„Nach dem Massaker versuchen die geistigen Brandstifter den Kopf ein bisschen einzuziehen. Wortreich bekunden sie jetzt, dass sie mit der Tat eines solchen "Irren" doch nichts zu tun haben. Sie versuchen, sich davonzustehlen. Man sollte sie nicht einfach so damit durchkommen lassen“, meint der freie Publizist Robert Misik. (taz)

Vorsitzende der norwegischen „Fortschrittspartei“ verharmlost die Anschläge
Schnell wurde bekannt, dass Andres B. Breivik jahrelang in der Jugendorganisation der rechtspopulistischen „Fortschrittspartei“ (FRP) war. Deren Vorsitzende, Siv Jensen, äußerte sich nun zu den Anschlägen: „Das, was passiert ist, ist abscheuerregend“, sagte sie. Fügte dann aber an, dass es ganz „genauso abscheuerregend“ sei, dass Medien und politische Gegner nun versuchten, Breiviks Terrortat mit ihrer Partei zu verbinden. Die Norweger sind entsetzt. Die FRP ist mit Umfragewerten von 30 Prozent inzwischen die zweitstärkste politische Kraft im Lande. (Märkische Allgemeine) (Neues Deutschland)

Islamfeinde sind gut vernetzt
In Internetblogs wie „Politically Incorrect (PI)“, „document.no“, „Gates of Vienna”, “Islam versus Europe” oder “Brussels Journal” hetzen europäische Rechtspopulisten /-extremisten gegen Muslime, den Islam und vor allem diejenigen, die eine angebliche Islamisierung Europas vorantreiben und "durch linke Ideologie aktiv die Zerstörung unseres Heimatlandes betreiben". (Berliner Zeitung) Den Verfassungsschutz interessieren die Hasstiraden auf „PI“ allerdings wenig, schließlich sei der Blog nach eigenen Angaben „proisraelisch, proamerikanisch und bekenne sich nachdrücklich zum Grundgesetz“. (taz)

Die europäischen Kontakte des Attentäters
Noch ist unklar, ob Anders Behring Breivik seine grausamen Anschläge allein geplant, finanziert und durchgeführt hat. In seinem „Manifest“ schreibt Breivik von 80 „einzelnen Märtyrern“, die im Ausland aktiv werden könnten. (Deutsche Welle)
Täglich tauchen mehr Indizien seiner Verbindungen zu europäischen Rechtspopulisten auf. So soll Breivik mehrfach Veranstaltungen der „English Defence League“ besucht haben und sein „Manifest“ auch an deutsche Neonazi-Gruppen verschickt haben, u. a. Rechtsextremisten in Dortmund, die NPD Unna und die rechtspopulistische Partei „pro Köln“. (Tagesspiegel) (N24) (Tagesschau)

Lebenslange Haft für Anders Behring Breivik?
Norwegen gehört zu den wenigen Staaten, die die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft haben. Die gesetzliche Höchststrafe beträgt 21 Jahre, allerdings gibt es die Möglichkeit die Haft zu verlängern. Der Stern beantwortet wichtige Fragen zum kommenden Prozess gegen den Massenmörder. (Stern)

Breiviks Manifest: Worum geht’s da eigentlich?
Die Botschaften des Attentäters sind aus der rechtspopulistischen Bloggerszene wohlbekannt. Die Forscher A. Häusler und F. Virchow haben das Manifest durchgearbeitet. Neben der biografischen Inszenierung und den organisatorischen und militärischen Anleitungen zum Krieg ziehen sich besonders zwei Perspektiven durch das Manifest. Zum einen: ein apokalyptische Szenarien ausmalender antimuslimischer Rassismus, der sich ausgiebig am Rechtspopulismus bedient. Zum anderen beschwört Breivik einen "Kulturmarxismus", den er für die Zerstörung traditioneller Familienmodelle und die Einwanderung nach Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verantwortlich macht. (Zeit)

Lesenswerte Interviews zu den Anschlägen in Norwegen

Über die Motive des Attentäters von Norwegen spricht Liz Fekete, die Leiterin der Europaabteilung des „Institute of Race Relations (IRR)“ in London. (Tagesspiegel)

Stefanie von Schnurbein, Professorin für Neuere Skandinavische Literaturen am Nordeuropa-Institut der Humboldt-Universität in Berlin, spricht in der taz über den Täter, die Reaktionen und die Realität in Norwegen vor und nach den Anschlägen. (taz)

Weitere Nachrichten

Die NPD in Brandenburg und ihre Immobilien
In Märkisch-Buchholz eröffnete die NPD ein nationales Jugendzentrum, der einstige Jugendclub der Stadt existierte da schon nicht mehr. Insgesamt elf „szenerelevante“ Immobilien zählt der Verfassungsschutz in Brandenburg. Vielfach Privatgrundstücke, wie der Landhof des letzten DVU-Landeschefs in der Schorfheide oder ein Reiterhof in Blumberg, den der Betreiber als „Geschenk an die deutsche Jugend“ bezeichnet. (taz)

Brandstifter aus Leverkusen wird mit Phantombild gesucht
Nach dem Brandanschlag auf ein Mehrfamilienhaus in Leverkusen, das von Sinti und Roma bewohnt wurde, fahndet die Polizei nach einem etwa 30 – 35 Jahre alten Mann, der vor der Tat aufgefallen war, weil er das Haus beobachtete und möglicherweise mit dem Handy filmte. Nach zwei weiteren Verdächtigen, die den Tatort in einem Kleinwagen verließen, wird ebenfalls gesucht. Einen fremdenfeindlichen Hintergrund schließt die Polizei nicht aus. (Kölnische Rundschau)

Gera: Verbot von „Rock für Deutschland“ gefordert
Das Geraer Aktionsbündnis gegen Rechts und der Runde Tisch für Toleranz und Menschlichkeit fordern das Verbot des rechtsextremen Musik-Festivals am 6. August. Vor dem Hintergrund der Anschläge in Norwegen, dem Gedenken der Opfer und im „eigenen Sicherheitsinteresse“ dürfe solche eine Veranstaltung nicht stattfinden: „Es wäre auch der Geraer Bevölkerung nicht vermittelbar, warum trotz der offensichtlichen Gefahr, die von Hassmusik ausgeht, diese rechtsradikale Großveranstaltung stattfinden kann“. (Neues Deutschland)

Dortmund: Rechtsextreme Anschläge im Vorfeld des „Nationalen Antikriegstags“ am 3. September
Insgesamt fünf Anschläge auf Büros, Wohnungen und Autos von Antifaschisten in Dortmund waren allein in der letzten Woche zu verzeichnen. „Dass Neonazis auch noch zu Verbrechen ganz anderen Ausmaßes fähig sind, zeigt das schreckliche Massaker in Norwegen. Die ideologische Grundlage für diese Tat aus Hass, Menschenverachtung, Antikommunismus und Antiislamismus verbindet den Attentäter mit der Neonazi-Szene in Dortmund“ erklärt eine Sprecherin des Bündnisses gegen Rechts. Der „Nationale Antikriegstag“ gehört zu den wichtigsten und größten jährlichen Neonazi-Events in Deutschland. (Neues Deutschland)

Rechtsextreme Schmierereien in Südbrandenburg häufen sich
Wiederholt sind in den vergangenen Monaten Schmierereien an Bahnhöfen aufgetaucht, zuletzt dieses Wochenende am Jüterboger Busbahnhof. Unbekannte hatten dort offenbar mit Schablonen die Internetadresse einer rechtsextremen Organisation auf die Wege gesprüht. Vor einem halben Jahr wurden die „Freien Kräfte Teltow-Fläming“ verboten, möglicherweise sind deren ehemalige Mitglieder nun neu organisiert. (Märkische Allgemeine)

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