Wahlplakate der AfD und der NPD im Bundestagswahlkampf 2013
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Was ist Rechtspopulismus?

Umgangssprachlich nennt man einen Politiker schon "populistisch", wenn er den Massen opportunistisch nach dem Mund redet und einfache Lösungen präsentiert. In der Wissenschaft wird der Begriff enger verwendet."RECHTSpopulismus" bezeichnet hier eine politische Strategie, die autoritäre Vorstellungen vertritt und verbreitete rassistische Vorurteile ausnutzt und verstärkt. Rechtspopulisten machen gern eine "korrupte Elite" für Probleme des "einfachen Volkes" verantwortlich. Mit "Volk" meinen sie dabei implizit oder explizit eine ethnisch reine Gemeinschaft.

"Populistische Bewegungen sind ein Phänomen gesellschaftlicher Modernisierungskrisen", schreibt der Politikwissenschaftler Frank Decker, "sie treten auf, wenn infolge zu raschen Wandels oder zu großer Verwerfungen bestimmte Bevölkerungsgruppierungen die Orientierung verlieren und von Zukunftsangst geplagt werden." Der Begriff geht zurück auf die Populist Party, die Ende des 19. Jahrhunderts in den USA den Protest notleidender Farmer gegen die etablierte Politik in Washington zu vertreten versuchte.

In etlichen Staaten Westeuropas spielen rechtspopulistische Parteien seit gut zwanzig Jahren eine wichtige Rolle – so Jörg Haiders FPÖ in Österreich, Front National in Frankreich oder Vlaams Belang (früher Vlaams Blok) in Belgien –, und in jüngerer Zeit auch in den neuen osteuropäischen Demokratien. Dabei sind die Übergänge zum Rechtsextremismus und auch zu Gewalttätern fließend – beispielsweise erschoss im Mai 2006 ein junger Mann aus dem Umfeld des Vlaams Belang in Antwerpen auf offener Straße mehrere Migranten.

Demgegenüber haben sich rechtspopulistische Parteien hierzulande, sicherlich auch wegen der besonderen deutschen Geschichte, nicht etablieren können. Rechtspopulistische Versuche – ob von rechten Demokraten wie Jürgen Möllemann oder von Rechtsextremisten wie Franz Schönhuber – scheiterten. Schönhubers Partei Die Republikaner ist nach kurzer Blüte Anfang der 90-er Jahre heute praktisch bedeutungslos. Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive des Hamburger Amtsrichters Ronald Schill errang 2001 in der Hansestadt fast 20 Prozent der Stimmen und gelangte durch eine Koalition mit der CDU in die Regierung – versank aber bald wieder in der Versenkung. Seit einigen Jahren ist in Köln eine sogenannte "Bürgerbewegung Pro Köln" aktiv, die vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtet wird und unter den Bezeichnungen "Pro NRW" und "Pro Deutschland" an einer überregionalen Ausdehnung arbeitet.

Als Kern des Populismus bezeichnen Politikwissenschaftler eine demagogische Argumentation, die "den kleinen Mann" oder "das einfache Volk" gegen "das Establishment" oder "die da oben" stellt. Als Feind können Regierungsapparate, Konzerne, Parteien oder Lobbyverbände dienen. Derartige Reden sind sowohl von links wie von rechts denkbar. Rechtspopulisten aber grenzen die "Wir-Gruppe" nicht nur nach oben, sondern auch strikt nach außen ab, beispielsweise gegen andere ethnische oder religiöse Gruppen (in Deutschland meist gegen Türken oder gegen Muslime). Soziale Missstände und Kriminalität versuchen sie durch rassische oder kulturelle Besonderheiten zu erklären.

"'Das Volk' wird von Rechtspopulisten grundsätzlich als homogene Einheit begriffen", analysiert der Politologe Oliver Geden. "Die in komplexen Gesellschaften vorhandenen Interessenkonflikte werden nicht als logische Folge einer zunehmenden Ausdifferenzierung von Milieus und Lebenswelten betrachtet, sondern vielmehr als das Ergebnis einer eigensüchtigen Politik der herrschenden Eliten, als Fragmentierung, die wieder aufgehoben werden kann und soll." Solche – in gewissem Sinne – romantischen Vorstellungen reinrassiger Gesellschaften teilen Rechtspopulisten mit rechtsextremistischen Gruppen wie der NPD. In der Wirtschaftspolitik aber vertreten Rechtspopulisten oft neoliberale Positionen – ganz im Gegensatz zur NPD, die mit dem Konzept eines "nationalen Sozialismus" sehr starke staatliche Eingriffe propagiert.

Oft wird der Begriff "Rechtspopulismus" verwendet, um eine salonfähige oder modernisierte Form von Rechtsextremismus zu bezeichnen. In der Tat gibt es Schnittmengen zwischen beiden Phänomenen, aber Rechtspopulismus ist eher eine politische Strategie als eine geschlossene Ideologie. Er zeichnet sich aus durch inszenierte Tabubrüche, das Einfordern radikaler Lösungen und den Hang zu Verschwörungstheorien. Rechtspopulisten vertreten autoritäre Politikkonzepte. In ihren Parolen fordern Rechtspopulisten oft "mehr Härte" gegen Straftäter und Drogenabhängige, Bettler und "Zigeuner"; sie schüren Ängste vor einer "Überflutung" und "Überfremdung" durch Migranten und polemisieren gegen "Scheinasylanten". Oft profilieren sie sich mit der rabiaten Ablehnung von Moscheebauten. Bei Themen wie Abtreibung, Förderung von Ehe und Familie oder auch der Bildungspolitik ähneln ihre Positionen oft denen von Konservativen.

Die Gruppierung "Pro Köln "hat gegen die Einstufung als "rechtsextremistisch" durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz geklagt; im 2007er Jahresbericht der Behörde werden ihr aber wieder eine "ausländerfeindliche Einstellung" bescheinigt und "Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen" aufgeführt. So stellten sich "Pro-Köln"-Funktionäre der NPD-Zeitung Deutsche Stimme als Interviewpartner zur Verfügung und nahmen in Straßburg an einem Treffen mit den Chefs von DVU und NPD teil. Der Dachverband Pro Deutschland betont auf seiner Internetseite, man stehe "zu den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung" und erteile "jeder Form von politischem Extremismus eine scharfe Absage". Doch weil Pro-Deutschland-Aktivisten (beispielsweise Manfred Rouhs) zuvor in eindeutig rechtsextremistischen Gruppen aktiv waren, darf bezweifelt werden, dass die Gruppe sich auch daran halten wird.

Zum Thema


| "Was ist eigentlich Populismus?" - Ein kurzer Aufsatz von Christoph Butterwegge

| Alles zum Thema Rechtspopulismus

Weblinks

| Rechtspopulismus: Funktionslogiken – Gelegenheitsstrukturen – Gegenstrategien. Eine Studie von Oliver Geden (Stiftung Wissenschaft und Politik). Zum Herunterladen

| Rechtspopulismus in Gestalt einer "Bürgerbewegung" -
Eine Studie von Alexander Häusler (FH Düsseldorf) über "Pro Köln" und "Pro Deutschland". Zum Herunterladen

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