Gemeinsam mit den Gästen von Hapoel Katamon aus Jerusalem besuchten die Bremer*innen auch ein Spiel der U23 Mannschaft gegen FT Braunschweig (7:0).
Fanprojekt Bremen

Zehn Jahre deutsch-israelische Freundschaft bei Werder Bremen

Während bei der FIFA über einen Ausschluss von Israel aus dem Weltfußballverband diskutiert wird, knüpften in Bremen Fußballfans Kontakte mit Gästen von Hapoel Katamon Jerusalem. Seit über zehn Jahren gibt es einen Austausch zwischen der israelischen und der norddeutschen Stadt – durch die Begegnungen lernen die Fußballbegeisterten von- und miteinander. Unterstützung bekommen sie vom Verein SV Werder Bremen.

Von Laura Piotrowski

"Amazing", fanden die Besucher*innen aus Israel das Stadion in Dortmund. Es fasst mehr als 80.000 Menschen, mit allein 26.000 Stehplätzen standen die Bremer*innen beim letzten Spiel der Saison einer schwarz-gelben Wand gegenüber. Werder Bremen war gemeinsam mit seinen Gästen von Hapoel Katamon Jerusalem angereist. In der Hansestadt fand zum wiederholten Male ein Austausch zwischen deutschen und israelischen Fans und Fanarbeiter*innen statt, das Spiel in Dortmund war dabei nur eine Station. "Gemeinsam waren wir auf einer richtigen Auswärtsfahrt, mit allem was dazu gehört. So kommen unsere Werder Fans mit den Gästen aus Jerusalem ins Gespräch", meint Thomas Hafke vom Fanprojekt Bremen. Er hat die Begegnung initiiert, die seit 2005 regelmäßig stattfindet. "1994 waren das erste Mal Fans aus Israel in Bremen, schon da wurde der Grundstein unserer gegenseitigen Besuche gelegt."

Hapoel Katamon ist anders – und für Viele ein Vorbild

Dieser kontinuierliche Austausch ist in Deutschland einmalig. Begonnen hatte das Projekt auf die Anfrage eines Sozialarbeiters aus Jerusalem, der in Bremen lernen wollte, wie vor Ort mit rechten Fans, Gewalt und Rassismus umgegangen wird. Besonders beim Profiverein Beitar Jerusalem kämpft man immer wieder mit einem Rassismus, der sich gegen arabische Israelis richtet, denn natürlich macht der Nahostkonflikt nicht vor den Stadiontoren Halt.

Katamon ist anders. Der Verein steht in einer linken Tradition, seine Fans kommen aus dem linksliberal-studentisch geprägten Teil von Jerusalem. Sie wollen keinen Rassismus in ihrer Szene, engagieren sich darüberhinaus sozial in der Nachbarschaft. Ihr größtes Projekt ist es, Begegnungen zwischen arabischen und jüdischen Israelis zu schaffen, beim Fußball und in ihrer eigenen Jugendarbeit. Außerdem ist der Verein in Israel der erste, der von den Fans selbst getragen wird. Hapoel Jerusalem-Fans, die mit dem Vorstand ihres alten Vereins unzufrieden waren, hatten Katamon gegründet, inzwischen sind Andere dem Beispiel gefolgt. Fans von Beitar Jerusalem, die nicht weiter mit den rechten Fans in der Kurve stehen wollten, schufen mit Beitar Nordia einen eigenen Verein. Auch Hapoel Tel Aviv gehört seit 2013 zum Teil seinen Fans, die zuvor einen unbeliebten Investor ausgebootet hatten, bevor er den Verein in den Ruin treiben konnte.

"Die Begegnung hilft, Stereotype über Israel abzubauen"

Durch die Reisen sind feste Kontakte zwischen den beiden Städten entstanden. Besonders wichtig ist der Austausch für die Fanarbeit der jeweiligen Vereine, aber auch um Vorurteile abzubauen. "Klar hat Bremen eine eher linke Fanszene, aber auch in linken Kreisen gibt es bestimmte Stereotype über Israel. Uns ist es wichtig, diese durch Begegnungen abzubauen, Israel als Land und Gesellschaft erfahrbar und verstehbar zu machen", erläutert Thomas Hafke. Und damit sind die Fanarbeiter*innen in Bremen ziemlich erfolgreich. Der regelmäßige Austausch wirkt in der gesamten Fanszene nach. "Antisemitismus ist in Bremen kaum noch ein Problem", so Hafke weiter. Er ist selbst als Fanprojektler seit 1988 aktiv, Bremen ist die erste Stadt, in der es überhaupt ein Fanprojekt gab. Mit Freude beobachtet er, dass die Fans inzwischen auch unabhängig von dem organisierten Austausch in Kontakt stehen und sich gegenseitig besuchen.

Und auch für die Israelis bot der Austausch neue Ein- und Ansichten. Bevor die Fans gemeinsam nach Dortmund gereist sind, hatten sie die Gedenkstätte des Nazi-Bunkers "Valentin" besucht, in dem zwischen 1943 und 1945 eines der größten Rüstungsprojekte der Nationalsozialist*innen war. Tausende Menschen mussten hier Zwangsarbeit leisten, unter ihnen viele Jüdinnen und Juden. Und die Bremer Stadtbevölkerung wusste davon. Wenn der Bremer Besuch in Jerusalem ist, steht Yad Vashem fest im Programm, die weltweit größte Holocaust-Gedenk- und Dokumentationsstätte.

Dieses Jahr ist Sexismus das große Thema

Außerdem gehört zu jedem Austausch ein Workshop zum Thema Diskriminierung, dieses Jahr ging es um Sexismus. "Über Rassismus müssen wir hier nicht sprechen, das ist für die Fans sowieso klar. Aber Sexismus ist nicht nur im deutschen Fußball ein Problem, das zu häufig unter den Tisch fällt. Da können wir gemeinsam noch viel lernen", meint Thomas Hafke. Auch die Beschäftigung mit Homophobie hat der Bremer Austausch bei Katamon maßgeblich angestoßen. Im April setzte der Verein mit Eckfahnen in Regenbogenfarben ein Zeichen gegen Hass. Ein Anwalt legte dagegen Beschwerde beim israelischen Fußballverband ein. Fußball solle der Unterhaltung dienen und keine politischen Positionen verbreiten. Das Team von Hapoel Katamon antwortete in einem öffentlichen Statement darauf, dass man seit der Gründung gegen Menschenverachtung vorgehe. "Und wir sind froh, dass im Fußball Platz für alle Menschen ist, egal welchen Hintergrund sie haben."

Im Herbst werden die Bremer Fans erneut nach Jerusalem reisen. Thomas Hafke freut sich schon darauf: "Einer der Teilnehmenden meinte beim letzten Mal, dass er in dieser einen Woche mehr gelernt hat, als in einem ganzen Jahr." Es wird also wieder eine spannende Reise werden, die die Bande zwischen den Werder Fans und den Fußballbegeisterten in Jerusalem enger knüpfen wird.

Mehr im Internet:

Jerusalem soccer school seeks Jewish-Arab coexistence (The Times of Israel)

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