Am Vorabend präsentierten sich die Pegida-Teams aus Sachsen und NRW noch frohen Mutes auf einem "Familienfoto". Im Bild u.a. "der Holländer" Edwin Wagensveld, Lutz Bachmann, Tajana Festerling, Siegfrid Däbritz, Carta Marco und Michael Viehmann.
Screenshot Facebook // Pegida NRW

"Wuppertal zeigt wie´s geht": Reinfall für Lutz Bachmann

In Wuppertal versammelten sich am Samstag Pegida-Anhänger*innen, Fußballhooligans, Salafisten und linke Gegendemonstrierende, die weder Islamismus noch Rassismus dulden wollten. Nicht einmal eine Stunde dauerte der Pegida-Aufmarsch, bevor er aufgelöst werden musste, weil einige Hooligans den friedlichen Kurs von Lutz Bachmann nicht mitgehen wollten. Pegida und HoGeSa, das hat sich am Wochenende gezeigt, passen doch nicht zusammen.

Von Lina Morgenstern

Der erste Westbesuch von Lutz Bachmann bei Pegida NRW in Wuppertal war nichts anderes als ein Reinfall. Dresdens Pegida-Anführer stand statt erwarteten 2000 Menschen höchstens 800 Personen gegenüber – unter ihnen mindestens 300 Hooligans und Neonazis. Auch deshalb kam verhaltenes Gelächter auf, als der Dresdner Pegida-Chef den Anwesenden erklärte, dass sie "zu Unrecht als Extremisten verunglimpft werden". 15.00Uhr hatte die Pegida Veranstaltung begonnen, 45 Minuten später wurde sie aufgelöst. Noch während Stargast Bachmann seine Rede hielt, begannen Hooligans, teilweise mit Alemannia Aachen oder Borussia Dortmund Schals, zu randalieren und Böller zu werfen. Anders als Bachmann via Facebook angekündigt hatte, war ihnen die Linie des Sachsen wohl nicht hart genug. In Wuppertal demonstrierten zeitgleich um die 100 Salafisten um den Prediger Sven Lau, der auch bei der Ausrufung der Scharia Polizei beteiligt war. Deshalb hatte sich selbst HoGeSa dem Pegida-Marsch angeschlossen, um die Kräfte zu bündeln.

Gemeinsamkeiten ohne Einigkeit

HoGeSa und Pegida haben einige ähnliche Linien. Sie wettern gegen die vermeintliche Islamisierung Deutschlands, wenden sich gegen einen vermuteten Gender-Wahn, propagieren einen radikalen Patriotismus, rekrutieren besonders viele Personen aus dem Fußballfanszenen – aber passten in Wuppertal trotzdem nicht zusammen. Als Bachmann noch väterlich von der Bühne mahnte, man solle friedlich bleiben und wolle jetzt "nicht alles kaputt machen, was man in 18 Wochen aufgebaut habe", flogen schon die ersten Böller und die Polizei sah sich genötigt einzuschreiten. Mit 1.000 Beamt*innen und "großem Besteck", wie die Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher sagte, war man in Wuppertal im Einsatz. Hubschrauber kreisten über den Platz, Reiterstaffeln trennten die Demonstrantengruppen. Seit der HoGeSa-Aufmarsch in Köln 2014 derartig eskalierte, ist die Polizei im Land wachsam geworden. In Dresden hatte die Pegida-Bewegung kurz nach der Eskalaktion in Köln begonnen, ihre großen und friedlichen Spaziergänge abzuhalten. Wirklich friedlich waren sie dabei nie. Von Beginn an berichteten Augenzeug*innen über Provokationen der Pegida-Teilnehmenden, gewaltsuchende Hooligans, verbale und körperliche Attacken auf Journalist*innen sowie Einschüchterungsversuche und vereinzelte Angriffe in Richtung der Gegendemonstrierenden. Trotzdem hat Pegida geschafft, was HoGeSa nicht gekonnt hat: öffentlichkeitswirksam als gemäßigte Kraft und friedliche Bewegung aufzutreten und sich für die sächsische und mittlerweile auch die Bundes-CDU als Gesprächspartner zu platzieren.

Das Vorgehen der Polizei in NRW dagegen ist fremd für Bachmann. Er kennt Beamt*innen, die seine Demonstrationen gewähren lassen oder sich teils auch solidarisch damit erklären. Ihm ist es neu, dass sich seine Schäfchen einer Taschen- und Gesichtskontrolle unterziehen müssen. Dabei hatte Pegida NRW laut eigenen Angaben genau das von der Polizei gefordert – nämlich dafür zu sorgen, dass bekannte Hooligans und andere Gewalttäter der Demonstration fern bleiben sollen. Seit Januar grenzen sich die beiden Bewegungen deutlich voneinander. In einem langen Pamphlet erklärte HoGeSa.info, warum Pegida eigentlich eine Verschwörung von ganz oben und die Hooligans selbst die wahre Volksbewegung seien. Und Pegida betont seit Beginn an immer wieder, dass sie, in Abgrenzung zu den Ausschreitungen in Köln, zeigen "wie es geht".

"Deutschlands Hass-Hauptstadt" liegt nicht in Nordrhein-Westfalen

Nun, das ist ihnen in Wuppertal nicht gelungen. In der westdeutschen Stadt bestand fast die Hälfte des Publikum aus Hooligans, Neonazis und Verschwörungstheoretikern. Statt den zahmen "Wir sind das Volk"-Rufen schallte "Judenpresse" und "Lügenpresse halt die Fresse" über den Versammlungsplatz. Als die Polizei 15.45Uhr erklärte, dass aufgrund der Sicherheitslage kein Spaziergang möglich sei, gab die Pegida-Führung bei und löste die Versammlung selbstständig auf. Bachmann soll den Platz schnell verlassen haben, der erhoffte Triumphzug blieb aus. Trotzdem will Pegida NRW nun rechtliche Schritte einleiten, man sieht sich in Versammlungs- und Grundrechten beschnitten.

Was den Erfolg der Pegida Bewegung angeht, bleibt Dresden einzigartig. Dort gingen gestern zur 19. Pegida-Demonstration wieder über 1.000 Menschen mehr auf die Straße. Die Bewegung wächst seit ihrer Spaltung und dem Hitler-Bachmann-Eklat erneut an. Innenminister Markus Ulbig, der sich als Pegida-Versteher und Dialogsucher präsentiert, soll laut MDR als Beobachter der Demonstration vor Ort gewesen sein. Es scheint, dass nur Dresden das richtige politische Klima bietet, um einer islamfeindlichen und rassistischen Bewegung den Hof zu bereiten. Und das kann nicht an der verkehrstechnisch guten Lage liegen – im sogenannten Tal der Ahnungslosen ticken die Uhren einfach anders. Und nicht Wuppertal ist eben nicht "Deutschlands Hass-Haupstadt", wie sich einige Medien im Vorfeld überschlugen. Und in Dresdens Innenstadt herrscht seit Oktober einmal die Woche der Ausnahmezustand.

"Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf dieses durchaus schwierigen Tages. Menschen, die sich friedlich versammeln wollten, konnten ihre Meinung frei äußern. Die Wuppertaler Bevölkerung hat für alle Belastungen großes Verständnis gezeigt. Es war ein guter Tag für unsere Demokratie, die wehrhaft ist und gleichwohl nicht wehrlos", so schloss die Polizeipräsidentin von NRW den Tag ab.

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