Kurz vor dem Kickoff: die Teams beim Hatun-Sürücü-Cup
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Türkiyemspor: Gedenken an Hatun Sürücü

Vor acht Jahren wurde Hatun Sürücü Opfer eines "Ehrenmordes". Der Berliner Verein Türkiyemspor beteiligt sich mit einem Fußballturnier, einer Podiumsdiskussion und einer Filmvorführung an den Gedenkveranstaltungen.

Von André Anchuelo

Vor acht Jahren, am 7. Februar 2005, wurde Hatun Aynur Sürücü vor ihrer Wohnung an einer Bushaltestelle in Berlin-Tempelhof mit drei Kopfschüssen ermordet. Die 23-Jährige war eine Deutsche kurdischer Herkunft, die einem sogenannten "Ehrenmord" zum Opfer fiel. Am 13. April 2006 verurteilte das Berliner Landgericht ihren jüngsten Bruder Ayhan Sürücü zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten. Die beiden älteren Brüder, die ebenfalls einer Tatbeteiligung verdächtigt wurden, waren zunächst freigesprochen worden und entzogen sich nach Revision des Urteils einer weiteren Strafverfolgung durch Flucht in die Türkei.

Gedenktafel für Hatun Sürücü in Berlin-TempelhofGedenktafel für Hatun Sürücü in Berlin-Tempelhof. Quelle: Wikipedia, CC-by-sa 2.0/de)

Sürücü hatte vor ihrer Ermordung ihren Ehemann verlassen und sich entschlossen, ein selbständiges Leben zu führen. Ihr Tod sorgte bundesweit für Entsetzen und löste eine Debatte über Zwangsehen und Wertvorstellungen von in Deutschland lebenden muslimischen Familien aus.

Frauenfußball und Geschlechterverhältnisse

Ebenfalls 2005, dem Todesjahr Sürücüs, wurde die Frauen- und Mädchenabteilung des Berliner Fußballvereins Türkiyemspor gegründet. Geschlechterverhältnisse beschäftigen den in Berlin-Kreuzberg beheimateten Klub seit langem. So unterstützte der Verein Aktionen, die gegen Gewalt in der Familie Stellung bezogen. Durch die Installation von Frauen- und Mädchenfußballteams im Verein ergaben sich zudem in der alltäglichen Arbeit aktive Erfahrungen und Einblicke in die Lebenswelten von Berliner Frauen und Mädchen. Diese flossen in die Arbeit und vereinsinterne Diskussionen ein. Giovanna Krüger, Koordinatorin des Mädchen- und Frauenfußballs bei Türkiyemspor hebt hervor: "Dem Thema Frauenrollen in der Gesellschaft wenden sich Medien, Politik und Gesellschaft entweder ethnisch, religiös oder klassenspezifisch zu. Alle drei Zugänge sind in der täglichen Arbeit im Verein erfahrbar."

Deshalb hat man sich bei Türkiyemspor in diesem Jahr entschlossen, mit Hatun-Sürücü-Tagen an die Ermordete zu erinnern. Vom 26. Januar bis zum 7. Februar finden in diesem Rahmen mehrere Veranstaltungen statt. "Wir wollen mit der Veranstaltungsreihe ein Stück unserer Sensibilisierung in die Öffentlichkeit tragen", erklärt Giovanna Krüger.

Erst Hallenfußballturnier, dann Diskussion

Bereits am vergangenen Samstag fand in Kreuzberg ein Hallenfußballturnier statt. Alle in dem Ortsteil beheimateten Frauenteams nahmen daran teil: Türkiyemspor, DFC Kreuzberg, SV Seitenwechsel, SC Berliner Amateure, Kickerinhas, Hansa 07 sowie BSV Al-Dersimspor. Komplettiert wurde das Achterfeld vom SV Pfefferwerk aus Prenzlauer Berg. Den vom Berliner Fußball-Verband gestifteten und von Canan Bayram (Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für Bündnis 90/Die Grünen) überreichten Hatun-Sürücü-Cup gewann Al-Dersimspor. "Das kam nicht so überraschend", erzählt Robert Claus vom Türkiyemspor-Mediateam im Gespräch mit Fußball-gegen-Nazis, schließlich spiele das Team in der Regionalliga, der dritthöchsten Spielklasse in Deutschland.

Tagesspiegel-Video von Jana Demnitz: Gedenk-Fußballturnier für Hatun Sürücü

"Es war ein sehr entspanntes Turnier, bei dem der Spaß im Vordergrund stand", sagt Claus. Die weiteren Veranstaltungen der Hatun-Sürücü-Tage dagegen dürften eher ernsthaft werden: Am kommenden Montag (4.2.) findet im "Südblock" in der Kreuzberger Admiralsstraße 1-2 eine Podiumsdiskussion mit Filmvorführung statt. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr, gezeigt wird zunächst der Films "Verlorene Ehre - Der Irrweg der Familie Sürücü" von Matthias Deiß. Im Anschluss diskutieren unter dem Titel "'Ich darf nicht...' - Berliner Mädchen auf der Suche nach der eigenen Identität" die Schauspielerin Idil Baydar alias "Jilet Ayse", der Regisseur Matthias Deiß, Rabeya Müller vom Liberal-Islamischen Bund e.V. , Kazim Erdogan vom "Aufbruch Neukölln" sowie Mitglieder von "HEROES Gegen Unterdrückung im Namen der Ehre", von der "Berliner Initiative gegen Gewalt gegen Frauen" und vom Türkisch-Deutschen Frauenverein. "Wir wollen mit der Veranstaltungsreihe vor allem Diskussionsanreize bieten", erläutert Claus.

Am Donnerstag (7.2.) schließlich findet die jährliche Gedenkveranstaltung am Gedenkstein für Hatun Sürücü in der Oberlandstraße/Ecke Oberlandgarten in Berlin-Tempelhof statt. Veranstalter ist das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, neben Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler und Bezirksverordnetenvorsteherin Petra Dittmeyer werden unter anderem auch Mitglieder von Türkiyemspor teilnehmen.

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