"Football has no gender" ist die zentrale Aussage in der Antisexismuschoreografie bei Werder Bremen, 2013. Wir finden: einzigartig im deutschen Profifußball!
Antidiskriminierungs-AG Bremen

"Nazis werden im Bremer Stadion einfach nicht mehr akzeptiert"

In der Fanszene von Werder Bremen hat sich vor fünf Jahren die Antidiskriminierungs-AG gegründet. Begleitet wird die AG vom Fanprojekt der Hansestadt. Wir sprachen mit Thomas Hafke, einem der Initiatoren, über die Situation in Bremen, Nazis im Block und was gegen Diskriminierung zu tun ist.

FgN: Antidiskriminierungs-AG – der Name ist Programm, habe ich gehört. Aber wer genau ist diese AG?

TH: 2007 gab es einen Überfall von Neonazis und Hooligans auf den Ostkurvensaal im Bremer Weserstadion. Hier feierte eine antirassistische Fangruppe ihren ersten Geburtstag und das passte den Rechten nicht. Der Ostkurvensaal gehört zu den Räumlichkeiten des Fanprojekts und wir wussten damals gleich, dass wir reagieren müssen. Gemeinsam mit einigen Werder Fans gründeten wir die Arbeitsgruppe, um eine Reaktion auf dem zivilgesellschaftlichen Weg zu zeigen. Ziel war es, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, was im Umfeld von Werder Bremen passiert, dass auch hier Nazis aktiv sind und dass sie Fangruppen angreifen, um missliebige Aktivitäten zu unterbinden.

Wir haben uns als Fanprojekt kurz nach dem Angriff mit Fans zusammengesetzt und viel diskutiert, im Jahr darauf gründeten wir die Antidiskriminierungs-AG. Es gab erst Diskussionen darüber, ob wir uns "Werder Fans gegen Rassismus" nennen, aber schnell war allen klar, dass das Spektrum der Diskriminierung beim Fußball größer ist. Antiziganismus, Homophobie, Sexismus, Antisemitismus... all das taucht immer wieder auf und wir wollten das auch mit dem Namen auf dem Schirm haben.

Was heißt, das "taucht immer wieder auf" – wie stellt sich die Situation in der Bremer Kurve dar?

Also seit 2007 hat sich das massiv geändert, Beleidigungen wie "Zigeuner" oder "schwule Sau" hört man in der Kurve nicht mehr. Zumindest in Bremen. Hier hat sich viel getan, was auch an der Arbeit der Antidiskriminierungs-AG liegt. Wo es noch vorkommen kann, ist bei Auswärtsspielen, da ist die Situation immer noch mal anders: Es reisen auch Fans an, auf die wir in Bremen keinen Einfluss haben. Aber zu Hause ist es der AG gelungen, Diskriminierung in der Kurve stark einzudämmen, sogar abzubauen. Das verschwindet natürlich nie ganz. Aber ich würde schon sagen, dass sich in den Köpfen was bewegt, menschenverachtendes Denken abgebaut wird und die Leute anders denken.

Woran merkst Du das oder wie lässt es sich messen?

Also bei einem Spiel 2008, auswärts gegen Bochum, da hat die rechte Hooligangruppe "Nordsturm Brema" versucht, sich zu präsentieren. Die nennen sich "NS HB" und wollten ein derartiges Spruchband zeigen. Die gesamte Kurve, auch die Leute auf den Sitzplätzen, hat dagegen Zivilcourage gezeigt. Alle haben "Nazis raus!" gerufen und am Ende mussten die Stadionordner die Hooligans aus dem Block geleiten, die wurden dann von der Polizei über das Spielfeld abgeführt. Spätesten hier ist klar geworden, dass Nazis im Bremer Stadion und auch auswärts einfach nicht mehr akzeptiert werden.

Welche Rolle spielt der Verein Werder Bremen bzw. die Geschäftsstelle?

Werder Bremen hat uns immer unterstützt. Auch bei Werder wird Antidiskriminierung vorgelebt, darauf legen die Verantwortlichen viel Wert.

Was heißt das praktisch?

Wir haben zum Beispiel gemeinsam mit Werder die Ordner und Ordnerinnen zum Thema rechte Symbolik geschult . Zudem gibt es einen Werderschal gegen Rassismus. Die Einnahmen gehen an die AG. Außerdem hat der Verein schon ein Jahr vor unserer AG-Gründung, also 2006, eine eigene Antidiskriminierungs-AG ins Leben gerufen. Sie haben das Thema schon lange auf dem Schirm.

Wo und wie seid ihr als AG aktiv, wie kann man Eure Arbeit wahrnehmen?

Also wir organisieren seit Jahren Choreografien, machen Veranstaltungen zum Thema und haben zu jedem Spiel immer einen Stand mit Informationen und Merchandise. Die erste Choreografie war 2008, die gesamte Ostkurve war dabei und hat eine Choreo gegen Rassismus gezeigt. Die nächste war gegen Homophobie. Außerdem gab es eine gegen Sexismus mit dem großen Spruchband "Football has no gender". Wir haben auch Behindertenfeindlichkeit thematisiert und die letzte, etwas kleinere Geschichte war zum Thema Flüchtlinge. Auch in Bremen gibt es einen Anstieg der Flüchtlingszahlen, wir haben dazu Flugblätter mit Infos im Stadion verteilt und eine kleine "Refugees Welcome" Choreo gemacht.

Welche Veranstaltungen organisiert ihr?

Zuletzt haben wir Oded Breda und Mike Schwartz mit dem Film zur Liga Terezín eingeladen. Das war allerdings nicht die erste Veranstaltung zum Thema Antisemitismus . Kurz nach dem Überfall 2007 war eines unserer ersten Projekte eine Ausstellung, um speziell über den Überfall und allgemein über Nazis im Bremer Fußball aufzuklären. Dazu gab es auch Begleitveranstaltungen. Und eigentlich haben wir zu jeder Diskriminierungsform eine Diskussionsveranstaltung durchgeführt.

Habt ihr dabei Kooperationspartner*innen oder pflegt ihr Fanfreundschaften mit anderen Vereinen?

Wir stehen mit mehreren Fanszenen in Verbindung und sind im Netzwerk Fußballfans gegen Homophobie aktiv oder machen bei der Initiative „! Nie wieder - Erinnerungstag im Deutschen Fußball“ mit.

Eine letzte Frage: ich beobachte ja viele Fankurven in Deutschland und es gibt seit den 1990ern in immer mehr Städten Initiativen gegen Rechts, also besonders gegen Rassismus. Würdest du sagen, dass Eure Idee einer umfassenden "Antidiskriminierungs-AG" auch bei anderen Vereinen so gelebt wird?

Nein. So umfassend, wie wir das machen, findet das nirgendwo statt. Klar war auch unsere erste Namensidee "Werder Fans gegen Rassismus", aber das fanden wir schnell zu wenig. Die Formen zur Bekämpfung von rechtem Gedankengut im Fußball müssen vielfältig sein.

Das Interview führte Laura Piotrowski

Mehr im Netz:

drucken