So präsentieren sich die Clapton Ultras auf Facebook.
Screenshot 27.11.2015

Linke Ultras und rechte Hooligans im englischen Non League Football

Beim Clapton FC in Nordostlondon gibt es mit den Clapton Ultras seit einigen Jahren eine explizit linke und antifaschistische Ultragruppe. In den vergangenen Monaten wurde sie mehrfach Ziel der Angriffe extrem rechter Hooligans.

Von Jan Tölva

Wenn Fans in Deutschland von einer Bedrohung der Fankultur sprechen, wird meist früher oder später der englische Fußball als mahnendes Beispiel genannt. In der Tat ist die Stimmung in den englischen Stadien nur ein ein Schatten dessen, was dort in den 1980ern los war. In den höheren Ligen gibt es fast ausschließlich reine Sitzplatzstadien und die Eintrittspreise sind so hoch, dass ein großer Teil der Fans vieler Vereine sich den regelmäßigen Besuch der Spiele nicht im Entferntesten leisten könnte – ganz abgesehen davon, dass aufgrund der hohen Zahl ebenfalls kaum bezahlbarer Dauerkarten vielerorts ohnehin kaum Tickets in den freien Verkauf kommen.

Umgekehrt jedoch ist auch die Gewalt drastisch zurückgegangen, wenn auch um den Preis nahezu lückenloser Kameraüberwachung, teils massiver Polizeipräsenz und Ordner_innen mit Blockwartmentalität. Gleichzeitig ist die Präsenz offen rechter Gruppen in Kurven auf ein Minimum geschrumpft und diskriminierende Rufe sind selten geworden. Anders als früher sind sich heute viele Vereine ihrer sozialen Verantwortung bewusst und engagieren sich etwa im Rahmen von Football against Racism in Europe (FARE) oder der Kampagne „Football v. Homophobia“ gegen Diskriminierung und für Vielfalt.

Going Underground

Es wäre jedoch falsch, den englischen Fußball auf die Premier League und vielleicht noch die ein, zwei Ligen darunter zu reduzieren. Vieles von dem, was am Fußball auf der Insel derzeit am interessantesten ist, geschieht weiter unten in der Ligenpyramide und weit abseits der Kameras des Bezahlfernsehens im sogenannten Non League Football. Der von desillusionierten Fans von Manchester United gegründete Verein FC United of Manchester zum Beispiel gilt inzwischen weltweit als leuchtendes Beispiel dafür, wie sich demokratische Mitbestimmung, lebhafte Fankultur und leistungsorientierter Fußball trotz aller Widrigkeiten zusammendenken lassen. Heute spielt der FC United im neugebauten und vereinseigenen Broadhurst Park in der sechstklassigen National League North.

Im Herzen Londons findet sich mit dem Siebtligisten Dulwich Hamlet ein weiterer interessanter Verein, der zwar nicht in der Hand seiner Anhänger_innen ist, dafür aber eine sehr lebhafte alternative Fanszene hat, die vor allem für ihr Engagement gegen Homophobie viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommen hat und dessen Anhang freundschaftliche Beziehungen zum Hamburger Oberligisten Altona 93 unterhält.

Das derzeit aber wohl interessanteste Beispiel alternativer Fankultur in England ist in Londons Nordosten zuhause. Dort, genauer im Stadtteil Forest Gate, liegt der altehrwürdige Old Spotted Dog Ground, der nicht nur einen der schönsten Stadiennamen im Fußball überhaupt sein eigen nennt, sondern auch Heimat des in der neuntklassigen Essex Senior League spielenden Clubs Clapton FC ist.

Die Geschichte des Clapton FC reicht bis ins Jahr 1878 zurück und wahr in den ersten Jahrzehnten durchaus ruhmreich. 1890 war er der erste Verein aus England, der ein Spiel auf dem Kontinent absolvierte und auch später war er gern gesehener Gast bei Reisen durch halb Europa, auf denen er unter anderem Ajax Amsterdam, den Wiener Sportclub und den Duisburger SV besiegte. In den 1920ern dann brachte Clapton gleich mehrere englische Nationalspieler hervor, holte 1923 den Meistertitel in der Isthmian League und gewann dazu noch zwei von insgesamt fünf Titeln im FA Amateur Cup. Danach jedoch wurde es lange Zeit ruhig um den Verein.

Going Ultra

In den Blick der breiteren Öffentlichkeit gelangte Clapton FC erst wieder in den letzen rund zwei Jahren. Grund dafür sind zuallererst die 2012 gegründeten Clapton Ultras, aber auch der raue Wind, der der Gruppe bald entgegen wehte.

Die Clapton Ultras sind neben den Homesdale Fanatics bei Crystal Palace eine der ganz wenigen Fanguppen in England, die sich als Ultras bezeichnen. Sie stehen aber auch und vor allem politisch klar links und verstehen sich explizit als antifaschistisch. Für beides erhielten sie recht schnell ziemlich viel Aufmerksamkeit und das vor allem in sozialen Netzwerken. So hat die Gruppe auf Facebook fast 5.000 Likes und auf Twitter mehr als 4.000 Follower – beides weit mehr als der Verein in einer ganzen Saison an Zuschauer_innen hat.

Dieses gesteigerte öffentliche Interesse rief jedoch auch Menschen auf den Plan, auf die sie beim Clapton FC wohl gerne verzichtet hätten. Irgendwann im Laufe des Jahres 2014 wurde eine Gruppe namens Casuals United auf den Verein und seine linke Fanszene aufmerksam und erkannte in ihnen einen willkommenen politischen Gegner. Bei den Casuals United handelte es sich um einen mehr oder weniger festen Zusammenschluss von Anhänger_innen verschiedener Vereine, die allesamt irgendwo zwischen unpolitischem Hooliganismus und der eindeutig rechten English Defence League (EDL) zuhause waren.

Auch die Casuals United beziehungsweise die Pie and Mash Squad, wie die Gruppe sich inzwischen nennt sind als klar politisch rechts anzusehen. In Erscheinung getreten war die Gruppe bereits 2013, als es ihr gelang, durch mehrmalige Beschwerden, Verband und Verein gegen die kleine antifaschistische Ultragruppe Inter Village Firm beim Zehntligisten Mangotsfield United nahe Bristol aufzuhetzen, die schließlich unter dem Druck zusammenbrach und kapitulierte. Anlass für den Ärger waren Antifasymbole und Bengalos gewesen.

In der Konfrontation mit den Clapton Ultras ging es jedoch durchaus handfester zur Sache. Im Oktober 2014 tauchten rechte Schläger_innen – die meisten von ihnen in irgendeiner Form mit der EDL verbunden – bei einem Heimspiel von Clapton auf, verklebten rassistische Aufkleber und posierten für ein Mobfoto, bevor sie von der Polizei vertrieben wurden.

Kurz vor Weihnachten dann knallte es bei bei einem Auswärtsspiel bei Southend Manor. Auch hier waren rechte Hooligans – unter ihnen Paul Pitt, Anführer der EDL-Splittergruppe South East Alliance – aufgetaucht, um Stunk zu machen, zogen in der folgenden handgreiflichen Auseinandersetzung den Kürzeren und mussten sich zurückziehen.

Danach wurde es, auch wenn die Pie and Mash Squad immer wieder im Internet zu Aktionen mobilisierte, für eine Weile etwas ruhiger. Anfang August jedoch kam es bei einem Freundschaftspiel von Clapton bei Thamesmead Town FC in Südostlondon zu den bislang schwersten Zusammenstößen.

Als die angereisten Clapton Ultras etwa 15 Minuten nach Anpfiff, das Stadion betreten wollten, wurden sie von einer größeren Gruppe Menschen angegriffen, die offenkundig nichts bis wenig mit dem gastgebenden Verein zu tun hatten sondern einzig und allein vor Ort waren, um die linken Ultras in geplanter und organisierter Weise anzugreifen. Es flogen Flaschen, Steine, Fäuste und Pyrotechnik. Am Ende gabe es Verletzte auf beiden Seiten; ein Clapton-Fan wurde vorsorglich in ein Krankenhaus eingeliefert.

More than football

Im Internet brüstete sich die Pie and Mash Squad mit dem Angriff und wertete ihn als Erfolg. Es ist daher anzunehmen, dass er nicht das letzte Mal gewesen sein wird, dass es im Umfeld von Spielen des Clapton FC zu Auseinandersetzungen politischer Natur kommt. Auch Jim, ein Londoner Antifschist mit guten Kenntnissen der Szene, ist sich sicher: „Es wird sicher weitere Angriffe geben, aber wahrscheinlich werden sie kleiner ausfallen als in Thamesmead.“

Dort, so erzählt Jim, hätten sich auch rassistische weiße Anwohner an den Ausschreitungen beteiligt. Thamesmead sei ein wenig wie Marzahn-Hellersdorf in Berlin, meint er, und wozu die Menschen dort fähig sind, dürfte wohl durchaus noch vielen in Erinnerung sein. „Es ist aber unwahrscheinlich, dass diese Leute extra für ein Spiel von Clapton eine weite Reise auf sich nehmen würden“, glaubt Jim, „und Clapton spielt fast alle seine Spiele im eher multikulturellen Nordosten Londons oder vor den Toren der Stadt in Essex.“

Im Zuge der sogenannten „Flüchtlingskrise“ sind die Clapton Ultras allerdings etwas aus dem Fokus der rechten Hools geraten. Das heißt jedoch nicht, dass nun alles gut wäre. Die selben Schläger_innen sind derzeit lediglich anderswo unterwegs, was sie im Internet auch bereitwillig zur Schau stellen. „Es gibt einen merklichen Anstieg bei rechter Straßengewalt derzeit“, meint auch Jim. In den letzten Wochen und verstärkt seit den Anschlägen von Paris konzentriert sich die extreme Rechte Englands wieder stärker auf ihr Kernthema, sprich: auf rassistische Hetze gegen Geflüchtete und Migrant_innen. „Für den 30. Januar ist ein großer rechter Aufmarsch in Dover angekündigt“, erzählt Jim. „Da wird es garantiert wieder knallen.“ Clapton spielt an dem Tag auswärts in Ilford in Ostlondon. Wenigstens bei diesem Spiel also sollte es ruhig bleiben.

 

Die Clapton Ultras auf Facebook:

https://www.facebook.com/ClaptonUltras/

drucken