Die Hütte des FC Ostelbien Dornburg hat schon die richtige Farbe: braun. Weil viele Vereinsmitglieder eine rechte Gesinnung teilen, wurden sie nun aus dem Landessportbund Sachsen-Anhalt und damit vom Spielbetrieb ausgeschlossen.
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FC Ostelbien Dornburg: Dürfen Nazis Fußball spielen?

Der von Rechtsextremen durchsetzte Kreisligist Ostelbien Dornburg wurde in Sachsen-Anhalt vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Gut so, aber auch rechtens? Fabian Scheler interviewte zu dieser und anderen Fragen den Juristen Dr. Paul Lambertz, er hat sich auf Wirtschafts- und Sportrecht spezialisiert.

Erstveröffentlichung auf ZEIT Online

Fabian Scheler: Herr Lambertz, dürfen Nazis Fußball spielen? 

Paul Lambertz: Ja, dürfen sie. Nur, ob es den Nazis auch in einem Sportverband erlaubt ist, das ist fraglich.

Der Landessportbund (LSB) Sachsen-Anhalt hat Ostelbien Dornburg aus dem Spielbetrieb ausgeschlossen. Zum ersten Mal wird damit ein Fußballverein in Deutschland wegen rassistischer und gewalttätiger Ausfälle am Spielen gehindert. Ist das ein grundlegendes Urteil?

Es passt gut in die Zeit, in der eine besondere Sensibilität für rechte Gewalt herrscht. Ich finde es bemerkenswert, dass sich ein Verband explizit den Antirassismus als Ausschlussgrund in die Satzung schreibt. Die Verbände wurden aber auch zum Handeln gezwungen, nachdem in dieser Saison die meisten Schiedsrichter und vier Vereine gegen Dornburg nicht mehr antreten wollten.

Der Verfassungsschutz hatte 15 der 18 Dornburg-Spieler als rechtsextrem eingestuft. Reicht die bloße Ansammlung von Rechtsextremen schon für einen Ausschluss?

Das Gefühl, dass in diesem Verein etwas schiefläuft, ist noch nicht justiziabel. Es braucht Beweise, gerade wenn es um das Fortbestehen eines Vereins geht. Denn ähnlich wie die NPD würden sich die Nazis wahrscheinlich über nichts mehr freuen, als sich wieder in den Spielbetrieb einzuklagen. Der Verband scheint in den vergangenen Monaten aber einige Beweise gesammelt zu haben.

Der Club verbot bereits im vergangenen Oktober zum Beispiel zwei schwarzen Gästespielern in Dornburg zu duschen. Laut Satzung des LSB ist das eine rassistische Handlung, die sanktioniert gehört, oder? 

Wenn das Duschverbot von einem Angehörigen des Vereins wegen der Hautfarbe ausgesprochen wurde, dann hätte das auf jeden Fall bestraft werden müssen. Zumindest aber hätte, wenn der Vorfall dem Verband gemeldet worden wäre, eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet werden müssen.

Ist es in Ordnung, dass ein vorbestrafter Nazi wie Dennis Wesemann, der Kleidung mit gewaltverherrlichenden Motiven vertreibt, auch auf dem Fußballfeld agieren darf?

Es ist enorm schwer, jemandem bereits im Vorfeld die Aufnahme in den Verband zu verweigern. Der Verband setzt sich in seiner Satzung eigene Richtlinien, nach denen er Vereine beurteilt. Er selbst muss sich aber auch an diesen Kriterien messen lassen. Das passiert gerade mit Dornburg: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit werden nicht geduldet, die Attacken, auch von Dennis Wesemann, auf gegnerische Teams fallen genau in diese Kategorie. Ein Sportverband sollte immer genau prüfen, wer Mitglied bei ihm werden möchte. Davon gehen politische Signale aus.

Dennis Wesemann hat im April einen Kosovo-Albaner, den einzigen Ausländer im Team des Gegners, bespuckt und bedrängt. Der Albaner musste ausgewechselt werden, der Betreuer riet ihm, in der Kabine zu bleiben, bis die Gäste gegangen seien. Welche Werkzeuge bietet das Sportrecht, um so etwas zu verhindern?

Man könnte Geldstrafen für den Spieler und für den Verein einführen. Auch ein Punktabzug für die Mannschaft wäre ein probates Mittel und eine empfindliche Strafe. Der Ausschluss, der gegen Dornburg ausgesprochen wurde, ist die schärfste Waffe im Kampf gegen den Extremismus im Sport. Wie im Strafrecht muss definiert sein, welches Vergehen eine Strafe nach sich zieht. Nur: Eine rassistische Tat als solche auch zu identifizieren, fällt meist schwer. Eine rechtssichere Lösung wäre es, Gewalt bei Fußballspielen immer zu bestrafen. Lässt sich dabei auch Fremdenfeindlichkeit durch Aussagen nachweisen, könnte man das Strafmaß noch erhöhen.

Wie viel Einfluss darf die politische Gesinnung im Sport haben?

Das regelt die jeweilige Satzung. Der LSB hat sich in seine Satzung geschrieben, dass fremdenfeindliche Übergriffe sanktionswürdig sind. Wenn Dennis Wesemann oder ein Teamkollege andere Spieler nur wegen ihrer Herkunft angreifen, verstoßen sie gegen die Satzung. Nur Mitglied der NPD zu sein, wäre aber für einen Ausschluss meines Erachtens nicht ausreichend.

Also angenommen, die Spieler von Ostelbien Dornburg wären auf dem Spielfeld unauffällig geblieben und hätten keine sichtbaren Hinweise gegeben, dass sie rechtsextrem sind? Hätte der Verband dennoch ein Mittel gehabt, Strafen oder gar ein Verbot anzuschieben?

Das wäre eine schwierige Situation für den Verband gewesen, denn man könnte die Meinung vertreten, dass das Handeln außerhalb des Verbandslebens nicht zu Verbandssanktionen führen kann. Aber das Gedankengut von Rechtsextremen steht in so einem krassen Widerspruch zu den Werten des Sports, dass man in diesem Fall durchaus Verbandssanktionen hätte erwägen können.

Lässt sich der Fußball von den anderen Tätigkeiten des Vereins und seiner Mitglieder noch trennen?

Ich halte es für ausgesprochen schwierig, das Gedankengut Einzelner zu einem Gesamtbild des Vereins zusammenzufügen. Allerdings sind 15 vom Verfassungsschutz identifizierte Rechtsextreme in Dornburg ein eindringliches Indiz. Aber wie gesagt: Begreift man den Sport als Spiel, das bestimmten Werten folgt und bei dem alle nach den gleichen Regeln spielen, müsste ein Fußballspiel einem Nazi und seiner Ideologie ohnehin zuwider sein.

Die Verbände meinten in der Vergangenheit, sie brauchen konkrete Anhaltspunkte, um gegen den Verein vorzugehen. Die Dornburger bedrohten Spieler, Schiedsrichter, provozierten Spielabbrüche und kündigten Hausbesuche an.

Meiner Auffassung zufolge reicht es schon aus, wenn mit einem Hausbesuch gedroht wird. Dass der Verband erst jetzt durchgegriffen hat, ist aus meiner Sicht ein Hinweis darauf, dass er sich absolut rechtssicher sein wollte, bevor er handelt.

Den Verein gibt es seit 2011, auch damals war das Problem wohl allen klar. Der Verein sollte erst gar nicht für den Spielbetrieb zugelassen werden. Per Eilverfahren bekam Dornburg recht, in Rücksprache mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) hatte sich der Landessportbund gegen einen Weg durch die Instanzen entschieden. Ein Fehler?

Wenn man sich die abgelaufene Spielzeit ansieht, wäre es vermutlich besser gewesen, den Verein schon früher auszuschließen. Vielleicht fehlten vor vier Jahren aber die harten Fakten wie die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, um einen Ausschluss sicher zu begründen.

Der sportpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Sebastian Striegel, forderte: Es darf keine Vereine geben, die von Nazis für Nazis gegründet wurden. Hat er Recht? 

Absolut. Dient ein Verein einem verfassungsfeindlichen Ziel, muss er verboten werden, egal ob politisch rechts oder links. Das ist die formelle Sicht.

Die Realität ist, dass in Dornburg der Sportverein nur ein Teil des Baukastens ist, um rechtes Denken als normal zu etablieren.

Ich kann in meine Satzung auch schreiben, dass ich die Schildkrötenzüchtung fördere und im Vereinsheim plane ich rechtsextreme Gewalttaten. Papier ist geduldig. Die Versammlungen in Dornburg werden wahrscheinlich weiterhin stattfinden, nur unter einem anderen Vorwand. Gut ist jetzt, dass darunter nicht mehr diejenigen leiden, die in der Kreisliga nur Fußball spielen wollen.

Wie geht es jetzt weiter?

Zivilrechtlich hat Dornburg die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, um wieder mitspielen zu dürfen. Legen sie beim LSB Widerspruch gegen den Ausschluss ein, wird im November noch mal verhandelt. Dort fiele eine endgültige Entscheidung. Einem Dornburger Erfolg räume ich aber kaum Chancen ein.

 

Diese Zweitveröffentlichung wurde freundlicherweise von ZEIT Online genehmigt. Danke dafür!

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