So schön kann Fußball sein, hier beim Kreispokal im Jerichower Land, im Bild Blau-Weiß Niegripp. Mit dem FC Ostelbien Dornburg dagegen will kaum noch eineR auf den Platz, zu oft eskalierte die Gewalt.
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Ein Fußballclub voller Neonazis

In Sachsen-Anhalt bedroht ein rechtsextremer Kreisligist seit Jahren Spieler und Schiedsrichter. Der Verband möchte ihn ausschließen. Doch so einfach ist das nicht.

Von Christian Spiller, Erstveröffentlichung auf Zeit.de

Michael Pieper war der erste Schiedsrichter, der "Nein" sagte, schon vor vier Jahren. Er kannte die Spieler, die damals den FC Ostelbien Dornburg gründeten. Er wusste, "was das für eine Klientel war", sagt er. Ein paar von ihnen hatten zuvor in anderen Vereinen der Gegend gespielt und Pieper hatte ihre Beschimpfungen gehört. "Judenschweine" oder "Euch haben sie in Auschwitz vergessen". Nein, Spiele von Ostelbien würde er ganz bestimmt nicht pfeifen. "Ich will nicht in meiner Freizeit um Leib und Gesundheit fürchten müssen", sagt er.

Mittlerweile hat Pieper Gesellschaft bekommen. 59 von 65 Schiedsrichtern des Kreisverbandes Jerichower Land in Sachsen-Anhalt weigern sich, Spiele der Dornburger zu leiten. "Die wollen sich das nicht mehr antun", sagt Pieper. Auch vier Vereine haben vor der Saison erklärt, nicht mehr gegen den Neonazi-Club anzutreten.

Der FC Ostelbien Dornburg verbreitet seit Jahren in der Kreisliga Furcht und Einschüchterung. Schiedsrichter werden bedroht, Gegenspieler brutal gefoult oder rassistisch beleidigt. Zu den Spielen rückt mittlerweile routinemäßig die Polizei an, manchmal mit bis zu 40 Beamten. Der Verein ist von Neonazis durchsetzt, 15 von 18 Spielern sind laut Recherchen von MDR und Mitteldeutscher Zeitung dem Landesverfassungsschutz von Sachsen-Anhalt als Rechtsextremisten bekannt.

Wesemann trägt die Nummer 18, klar

Ein TV-Beitrag des MDR aus dem Juli zeigt die Mannschaft bei einem Spiel in Paplitz. Erst schubst der Torwart einen Gegenspieler um, nach der Partie schlägt ein Spieler namens Dennis Wesemann den Gegner nieder, woraufhin sich eine Massenschlägerei entwickelt. Ein anderer Spieler schreit den Schiedsrichter an: "Du brauchst Dich nicht wundern, wenn wir Dich irgendwann mal anstecken."

Im Januar griffen Spieler von Ostelbien bei einem Hallenturnier in Gommern den Schiedsrichter und Zuschauer an. Und bei einem Ortsbesuch der Tageszeitung wurde ein Kosovo-Albaner in den Reihen des Dornburg-Gegners SG Blau-Weiß Niegripp von Dennis Wesemann bespuckt. Ein anderes Mal sprang Wesemann einem Gegner mit offener Sohle in den Rücken. Er trägt die Nummer 18, in der Neonazi-Szene der Code für die Initialen von Adolf Hitler.

Dennis Wesemann hat das Sagen beim FC Ostelbien. Und nicht nur dort. Er wurde immer wieder bei Neonazi-Kundgebungen gesehen und hat die gewaltbereite Hooligan-Vereinigung Blue White Street Elite gegründet, in der ein Großteil der Ostelbien-Fußballer aktiv sein soll. Die Hooligans traten lange rund um Spiele des 1. FC Magdeburg auf. Ein zeitweiliges Verbot musste das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt aber wieder aufheben.

Normalität vortäuschen

Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wurden auch gegen Wesemann eingeleitet. Bestraft wurde er nie, dafür aber in den Ortschaftsrat der Gemeinde Stresow gewählt, als Parteiloser, mit den meisten aller Stimmen.

Der Fußball kommt den Neonazis gelegen, der Club hat für sie einen hohen symbolischen Wert. Mit ihm täuschen sie Normalität vor, und nutzen ihn für Gewaltpropaganda und Angriffe auf Minderheiten. David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus des Vereins Miteinander e. V. beschäftigt sich seit einiger Zeit mit dem FC Ostelbien. Er sagt: "Der Club ist ein Indiz für die Normalisierungs- und Durchdringungsfunktion der Neonazis im Jerichower Land."

Menschen dort würden eingeschüchtert, bedroht und beleidigt. Viele hätten Angst, würden aber schweigen. "Es geht gar nicht so sehr um Gewalt, sondern darum, eine dauerhafte Drohkulisse aufzubauen", sagt Begrich. Es sei nicht verwunderlich, dass Wesemann nie bestraft worden sei, weil sich oft niemand gefunden habe, der gegen ihn aussagen wollte.

Nun aber erwägt der Landessportbund Sachsen-Anhalt (LSB) ein Ausschlussverfahren. "Die unsportlichen, einschüchternden und gewalttätigen Aktionen der Spieler des FC Ostelbien Dornburg haben in diesem Jahr Dimensionen angenommen, die meiner Meinung nach einen Ausschluss des Vereins rechtfertigen", heißt es vom LSB-Vorstandsvorsitzenden Lutz Bengsch.

Am Donnerstag hatte der Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) auf einer Präsidiumssitzung darüber beraten, ein Ausschlussverfahren einzuleiten. Ein Ergebnis will er aber erst am 11. August präsentieren. Erst dann könnte der LSB entscheiden. Das hätte man früher haben können, sagen Kritiker. "Die Fakten, die auf dem Tisch liegen, sind alle nicht neu", sagt David Begrich. Erst jetzt, nach dem Schiedsrichterstreik und nachdem der Fall in vielen Zeitungen stand, ist der Druck auf die Verbände größer geworden.

"Der Verband vertrat damals den Standpunkt: 'Solange sich Ostelbien an die Regeln hält, blenden wir den Hintergrund aus.' Aber diese Trennung funktioniert nicht", sagt Begrich. Der Verband müsse sich auch dafür interessieren, was die Dornburger abseits des Fußballplatzes tun.

Schon 2011 gescheitert

Gegenüber dem MDR verteidigte sich der Präsident des FSA, Erwin Bugar, der auch im Jerichower Land lebt: "Wir haben nicht geschlafen, wir haben uns auch nicht weggeduckt. Wir haben mit dem Landessportbund und dem Sportministerium entsprechende Aktivitäten entwickelt und werden jetzt zeitnah versuchen, dieses Problem zu lösen."

Die zögerliche Haltung des Verbands hat einen Grund. Momentan scheint der Fall klar. Nazis, die sich nicht einmal an die Regeln halten, haben in der Liga nichts zu suchen. Was aber wäre passiert, wenn sie sich ruhig verhalten hätten? Nazis verbieten, Fußball zu spielen, nur weil sie Nazis sind, das geben die Statuten kaum her. Schon 2011 versuchte der FSA, die Aufnahme des Neonazi-Clubs in die Liga zu verhindern. Vor dem Landgericht aber klagte Ostelbien Dornburg das Spielrecht ein.

Jetzt geht es um den Paragrafen 8, Satz 3, Punkt c) der Satzung des LSB, der festlegt, dass ein Ausschluss "bei einem groben Verstoß gegen sportliches Verhalten oder gegen die Interessen des LSB, insbesondere durch Kundgabe und Duldung extremistischer, rassistischer, fremdenfeindlicher, sexistischer und homophober Gesinnung im Verein" erfolgen kann. Sollte der Verein Einspruch einlegen, müsste ein Gericht entscheiden.

Vermissen würde sie niemand

"Wenn man alle Vorfälle rund um Ostelbien bestrafen würde, bräuchte man den Verein nicht verbieten. Dann hätte sich das Thema erledigt, weil sie keine Spieler mehr hätten", sagt ein gegnerischer Trainer. Hinter vorgehaltener Hand heißt es im Jerichower Land, dass sich viele Schiedsrichter nicht trauten, Strafen gegen die Neonazis zu verhängen oder bei Vorkommnissen das Sportgericht einzuschalten. Dazu passt, dass Wesemann im Spiel gegen Niegripp mitwirkte, obwohl er eigentlich gesperrt war.

Michael Pieper ist gespannt auf die Entscheidung der Verbände. Ein Ausschluss könnte noch im August möglich sein. Vermissen würde Pieper die Neonazis nicht. Und damit ist er nicht allein. Eigentlich, sagt er, hoffe der ganze Fußballkreis, dass Ostelbien ausgeschlossen wird.

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