Mitglieder der Hooligangruppe "Blue White Street Elite" sollen auch an den Neonaziaufmärschen zum Tag der Bombardierung Magdeburgs teilgenommen haben.
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Mehrere Verletzte: Rechte Hooligans randalierten in Magdeburg und bei Fußballspiel

Vergangenes Wochenende kam es in der Kreisliga im Jerichower Land zu einem Spielabbruch, der mutmaßlich von einem Spieler des 1. FC Ostelbien Dornburg provoziert wurde und in einer großen Schlägerei ausartete. Im Nachgang randalierten rechtsextreme Fußballhooligans in einer Magdeburger Diskothek, zeigten Hitler-Grüße und griffen nach ihrem Rauswurf auf dem Weg zum Bahnhof mehrere Iraker an. Die Polizei ermittelt im Umfeld der rechten Hooligangruppe "Blue White Street Elite" und dem 1. FC Ostelbien Dornburg, der für seine rechtsextremen Mitglieder bekannt ist.

Von Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Nachdem der Diskjockey einer Magdeburger Diskothek die Durchsage macht "Die Factory ist bunt, statt braun!", war am vergangenen Samstag eine etwa 20köpfige Gruppe auf die Tanzfläche geströmt, hatte Hitlergrüße gezeigt und auf Gäste eingeschlagen. Die Polizei gab bekannt, dass die Personen mutmaßlich der rechtsextremen Hooligangruppe "Blue White Street Elite" aus dem Umfeld des 1. FC Magdeburg angehören. Auch, als die Gruppe der Diskothek verwiesen worden war und Platzverweise von der Polizei erhalten hatte, randalierte sie weiter. 16 Personen bestiegen einen Bus Richtung Stadtmitte, während der Fahrt kam es zu Provokationen und Beleidigungen gegen vier Fahrgäste irakischer Nationalität. Als die aggressive Gruppe den Bus verlassen hatte, kam es zu weiteren körperlichen Auseinandersetzungen, die durch die Polizei unterbunden werden konnten. Strafverfahren, unter anderem wegen Landfriedensbruch und Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen wurden eingeleitet. Der Staatsschutz untersucht nun die Beteiligung von Mitgliedern der "Blue White Street Elite" und prüft ein erneutes Verbotsverfahren gegen die Gruppe. Bei der Polizei geht man davon aus, dass die gleiche Gruppe auch für den Abbruch eines Fußballspiels der Kreisliga im 20km entfernten Gommern verantwortlich ist. Hier war es während eines Spiels des 1. FC Ostelbien Dornburg zu einer Schlägerei gekommen, bei der mehrere Personen verletzt wurden.

Da es sich um drei verschiedene Tatorte handelt, werden sich die Ermittlungen laut Polizeisprecher Marc Becher noch hinziehen. Die Hinweise auf einen Zusammenhang verdichten sich derzeit. Im Kern der Geschehnisse sind die immer wieder in die Schlagzeilen geratene Hooligangruppe "Blue White Street Elite" (BWSE), der aus dem Umfeld der Gruppe hervorgegangene Fußballverein 1. FC Ostelbien Dornburg und eine Führungspersönlichkeit, Dennis Wesemann.

"Blue White Street Elite" – Erstes Verbot durch Innenministerium scheiterte 2010

Gefunden hat sich die BWSE unter den Fans des 1. FC Magdeburg. Hervorgegangen ist die Hooligangruppe aus verschiedenen Neonazi-Kameradschaften des Jerichower Landes und war im Zuge des ersten Verbotsverfahrens vom damaligen Innenstaatssekretär Rüdiger Erben als Mischung von "fanatischen Fußballfans und gewaltbereiten Rechten" bezeichnet worden. Besonders in den Jahren 2008 und 2009 traten sie mit gewalttätigen Aktionen in Erscheinung, bewarfen einen Zug mit Fans von Dynamo Dresden mit Steinen oder griffen einen linksalternativen Jugendlichen an. Im Jahr 2013 sollen sie nach einer Demonstration einen jugendlichen Antifa-Aktivisten entführt und misshandelt haben. Obwohl das Verbot der Gruppe 2010 vom Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt aufgehoben worden war, besteht die Gruppe nach Informationen von David Begrich vom Mageburger Demokratieverein "Miteinander" nur noch als informeller Zusammenhang. "Sie treten jetzt weniger offen auf, als eine Art Hooligan-Kameradschaft. Für ein erneutes Verbot braucht es eine neue Faktenlage. Das letzte Verbotsverfahren war daran gescheitert, dass der Gruppe keine gemeinschaftlichen Straftaten nachzuweisen waren", so Begrich weiter. Ähnlich äußerte sich am Montag Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht. Er will die Ermittlungen abwarten.

Mittendrin: Dennis Wesemann

Als Einzeltäter der Ereignisse am Wochenende konnte die Polizei schon Dennis Wesemann identifizieren. Er ist einer der Führungsköpfe bei BWSE, außerdem Vorstandsmitglied und Mittelfeldspieler beim 1. FC Ostelbien Dornburg. Er hatte 2008 gegen das Verbot der BWSE geklagt. Der einschlägig bekannte Neonazi ist außerdem Ortsbeirat in Stresow, dem einzigen Ort in dem die NPD 2011 die Landtagswahlen gewonnen hatte. Jeder Vierte hatte damals die rechtsextreme Partei gewählt. Wesemann selbst wollte Ortsbürgermeister werden, zog seine Kandidatur aber auf breiten öffentlichen Druck hin zurück. Über den umtriebigen Neonazi-Aktivisten wurde in den letzten Jahren schon viel berichtet. Nach den Erkenntnissen zu seiner Beteiligung am Wochenende werden Forderungen lauter, dass er von seinem kommunalpolitischen Amt zurücktreten soll.

1. FC Ostelbien Dornburg – Paradebeispiel für Rechtsextreme im Fußball

Der FCOD wurde von Neonazis und Hooligans gegründet. Trainer, Spieler und Vorstand, die meisten haben hier rechte Weltanschauungen, auch einige polizeibekannte Hooligans gehören dem Verein an. Der Landessportbund Sachsen-Anhalt hatte zwar nach der Gründung die Anerkennung als Sportverein verweigert, war damit aber vor Gericht gescheitert. "Die Ablehnung solcher Vereine ist rechtlich nicht einfach. Für eine Ablehnung muss nachgewiesen werden, dass die Mehrheit des Vorstandes aus dem rechtsextremen Umfeld stammt. Dies zu belegen ist in der Praxis äußert schwierig", erklärte Angelika Ribler von der Sportjugend Hessen im August vergangenen Jahres dieser Plattform. Sie berät Sportverbände und Vereine zum Umgang mit Rechtsextremismus.

Auch in Sachsen-Anhalt stellt sich die Situation schwierig dar. Sportgerichtsbarkeit und Verbandsfunktionäre unterstreichen immer wieder die Trennung von Vereinssport und Lebenswelt sowie politischer Einstellung und Betätigung der Vereinsmitglieder. Solange der FCOD nicht als politisch rechtsextremer Akteur auftritt, kann er in der Kreisliga problemlos weiter spielen. "Was abseits vom Spielfeld passiert und dass der Verein eine Heimstatt für mehr oder weniger organisierten Neonazis ist, scheint für den Fußballverband und die Kreisliga irrelevant", kritisiert David Begrich. Dieser beobachtet die Entwicklungen um den FCOD schon lange und stellte immer wieder fest, dass die Doktrin vom unpolitischen Fußball, der man in Sachsen-Anhalt folgt, in den Verbänden fest verankert ist und so den Umgang mit dem rechten Verein erschwert.

Fußballverband Sachsen-Anhalt sollte aktiv werden

Es ist richtig, dass der Verein rechtlich gesehen ein Bestandsrecht hat, solange er sich an die sportrechtlichen Regeln hält. Aber Fußballverbände haben sowohl die Handhabe, als auch den Auftrag vom DFB sich gegen Gewalt und Rassismus im Fußballbetrieb einzusetzen. Der Bundesverband des Deutschen Fußballs empfahl seinen Mitgliedern dazu schon vor Jahren ein 10-Punkte-Programm, achtet aber besonders im weniger prestigeträchtigen Amateursportbereichen selten auf dessen Umsetzung. Trotzdem sind den Landesverbänden nicht die Hände gebunden. Der Hessische Fußballverband hat zum Beispiel die Nutzung des Zahlencodes "88" verboten (Wesemann trägt Trikotnummer "18"), der Berliner Fußballverband führt regelmäßige Veranstaltungen zu Vielfalt, Toleranz und auch gegen Rechtsextremismus im Fußball durch. In Sachsen-Anhalt besteht hier Nachholbedarf.

Landessportbund Sachsen-Anhalt hat "MuT"

Weil Sportvereine nicht per se demokratische Räume sind, hat der Deutsche Olympische Sportbund sich der Förderung von Demokratie, Vielfalt und dem Kampf gegen Rechtsextremismus im Sport verschrieben. Im Landessportbund Sachsen-Anhalt als Dachverband des organisierten Sports des Landes bemüht man sich mit dem Projekt "MuT – Menschenfeindlichkeit und Toleranz im Sport" um eine Sensibilisierung für die Themen Diskriminierung und Rechtsextremismus. Zwölf ehrenamtliche Demokratietrainer*innen, die selbst aus dem Sportsystem kommen, sollen Vereine kompetent und auf Augenhöhe bei Problemen beraten. Ob sie beim FCOD eingeladen werden, bleibt jedoch zu bezweifeln. Zum "MuT"-Projekt gehört aber auch die Entwicklung eines spezifischen Konzepts für den Fußballverband Sachsen-Anhalt, das u.a. auf die Sensibilisierung der Schiedsrichter*innen für Diskriminierungssituationen und die Einsetzung von FairPlay-Beauftragten in jedem Landkreis zielt. Bei einigen Vereinen zeigt sich das "MuT" Programm schon erfolgreich, berichtet Begrich. Aber man müsse einen langen Atem haben, um im sachsen-anhaltinischen Fußball grundlegende Änderungen zu erreichen.

 

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